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Zukunft der Quantentechnologien : Wie Lego für Große

Quantentechnologien sollen verstärkt gefördert werden. Die Opposition vermisst Konkretes im Handlungskonzept der Bundesregierung.

15.05.2023
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4 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Sven Hoppe

Ein Kryostat ist ein Baustein eines Quantenrechners. Die Bundesregierung will, dass bis 2026 in Deutschland ein solcher entwickelt wird.

Unfassbare Rechenleistungen, unabhörbare Kommunikation, ungekannt genaue Messungen und Diagnostik - Quantentechnologien versprechen große Fortschritte, den sprichwörtlichen Quantensprung.Damit Deutschland bei diesen Zukunftstechnologien am Ball bleibt, hat die Bundesregierung Ende April ein "Handlungskonzept Quantentechnologien" beschlossen, über das der Bundestag vergangene Woche erstmalig debattierte.

Mit dem Konzept will sich die Bundesregierung einen politischen Gestaltungsrahmen bis 2026 geben. Ziel ist es, zum einen durch Förderung, Vernetzung und Standardsetzung gesellschaftliche und wirtschaftliche Potentiale der Technologien zu heben.

Zum anderen soll die "technologische Souveränität" Deutschlands und Europas gesichert werden, schließlich handle es sich um eine "Zukunftstechnologie mit disruptiven Potenzial und besonders vielversprechenden Anwendungsbereichen". Über drei Milliarden Euro stehen dafür laut Regierung zur Verfügung.

Quantencomputer können viel schneller und komplexer rechnen

Die Quantentechnologien nutzen die Eigenschaften der Quantenmechanik, die auf subatomarer Ebene wirken. Beispielsweise sollen bei Quantencomputern Zustandsüberlagerungen kleinster Partikel ausgenutzt werden.

Die kleinstmögliche Speichereinheit in einem klassischen Computer, ein Bit, ist entweder im Zustand "0" oder "1". Ein Quantenbit, kurz: Qubit, kann hingegen parallel beliebig viele Zustände annehmen und ermöglicht so theoretisch ungleich komplexere und schnellere Rechenoperationen.

In der Theorie viele neue Möglichkeiten, in der Praxis sehr kompliziert

Etliche Anwendungsfelder könnten davon profitieren: Verkehrs- und Logistiksimulationen, Wettervorhersagen, die Berechnung von Klimamodellen. Praktisch ist die Konstruktion solcher Rechner aber sehr kompliziert und noch in einem frühen Entwicklungsstadium.

Aus Sicht der Bundesregierung besteht hierzulande Nachholbedarf, es gelte, zu den Technologieführern wie den USA aufzuschließen - mit einem Leuchtturmprojekt: Bis 2026 soll in Deutschland ein universeller Quantenrechner "auf Augenhöhe" mit der internationalen Spitze entwickelt werden.

Allgemein attestiert die Regierung Deutschland eine gute Position, etwa in den Bereichen der für die neuen Technologien notwendigen Basistechnologien, der Forschung sowie im Feld der Quantenmesstechnik und Quantenelektronik mit schon größeren Markt- und Anwendungsperspektiven.

Vorantreiben will die Regierung auch die Quantenkommunikation. Durch Ausnutzung von Effekten der Quantenverschränkung soll eine abhörsichere Kommunikation möglich sein. Für die Breitenanwendung soll unter anderem die Entwicklung von Komponenten gefördert werden, um die Kommunikation über größere Strecken zu ermöglichen.

Quantenrechner dürften Verschlüsseltes in Windeseile entschlüsseln

Herausgefordert ist auch die Kryptographie, wie die Bundesregierung darstellt. Quantenrechner dürften ab einem bestimmten Zeitpunkt - anders als klassische Rechner - keine Probleme damit haben, bisher genutzte Verschlüsselungsverfahren in Windeseile zu entschlüsseln.

Die Algorithmen dafür existieren bereits, ein potentieller Angreifer könnte also schon heute Nachrichten abfangen und darauf warten, dass eines Tages die entsprechende Quanten-Rechenpower zum Knacken zur Verfügung steht. Entsprechend wird bereits an der sogenannten Post-Quanten-Kryptografie geforscht.

Der Plenarsaal als Atom, die Abgeordneten als Quanten

In der Debatte im Bundestag versuchten sich einige der Fachpolitikerinnen und -politiker daran, die Komplexität der Materie anschaulicher zu machen. Holger Mann (SPD) umschrieb die quantenmechanische Zustandsüberlagerung von Partikeln, indem er den Plenarsaal als Atom darstellte und die Abgeordneten als Quanten, die gleichzeitig vor, hinter oder auch links von ihm seien.


„Quantenmechanik ist die Theorie, über die selbst Physiker sagen, man könne sie nicht verstehen, man müsse sie hinnehmen.“
Astrophysiker Harald Lesch

Da rebelliere der menschliche Verstand, sagte Mann und zitierte den Astrophysiker Harald Lesch: Quantenmechanik sei die Theorie, "über die selbst Physiker sagen, man könne sie nicht verstehen, man müsse sie hinnehmen".

Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grüne) entlieh sich in der Beschreibung dessen, was Quantentechnologien eigentlich seinen, ebenfalls ein Zitat aus wissenschaftlich berufenem Munden, nämlich von Physikerin Stefanie Barz: "Es ist wie Lego für Erwachsene."

Große Einigkeit im Bundestag: Quantentechnologien sind wichtig

In der Sache betonten Vertreterinnen und Vertreter von Koalition und Opposition einhellig, wie groß das Potential für Quantentechnologien ist und wie wichtig, dass Deutschland an der Entwicklung dranbleibt.

Mario Brandenburg (FDP) sagte, Quantenmechanik sei nicht nur ein spannendes Forschungsthema, sondern am Ende des Tages auch ein hart umkämpfter Markt. "Beim Quantencomputer ist das Rennen noch auf keinen Fall gelaufen", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung mit Blick auf die Technologieführerschaft der USA.

Wie auch Brandenburg betonte Grünen-Abgeordnete Christmann die Bedeutung von staatlichen Ankerkunden, um das deutsche Ökosystem anzureizen. Christmann, die auch als Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt sowie als Beauftragte für Digitale Wirtschaft und Start-ups amtiert, verwies in diesem Zusammenhang auf Aufträge von Seiten des Deutschen Zentrums für Lauf- und Raumfahrt. Sozialdemokrat Mann betonte die Notwendigkeit, Talente in diesem Bereich - "gute Forscher und Unternehmer" - zu fördern.

Opposition zweifelt an Umsetzungsfähigkeit der Ampel

Seitens der Opposition wurde die Vorlage des Handlungskonzeptes zwar begrüßt,Skepsis an der Fähigkeit der Ampel zur Umsetzung blieb aber deutlich erkennbar. Christmanns Vorgänger, Christdemokrat Thomas Jarzombek, hob die Leistungen der vorherigen Bundesregierung in dem Feld hervor.

Es sei ein Stück weit stolz darauf, "was wir in den letzten Jahren erreicht haben". Es sei gut, dass die neue Bundesregierung die Strategie der alten fortschreibe. Es fehlten aber, etwa mit Blick auf den avisierten Quantencomputer, Aussagen über die konkrete Umsetzung, monierte Jarzombek. Michael Kaufmann (AfD) mahnte die Bundesregierung, es nicht zu vermasseln. Dafür müsste unter anderem die Abwanderung von Hochqualifizierten gestoppt werden.

Petra Sitte (Die Linke) kritisierte, das Handlungskonzept der Bundesregierung sei zu technokratisch ausgerichtet und fixiere auf Wirtschafts- und Standortlogik. Es fehle eine Technikfolgenabschätzung und in sensiblen Bereichen, etwa bei der Entschlüsselung/Verschlüsselung oder der politischen Positionsbestimmung.