Haushaltspolitik im Zeichen der Energiekrise : Der "Doppel-Wumms" macht Ausnahmen nötig
Die Koalition will die Gas- und Strompreisbremsen sowie Unternehmenshilfen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds stemmen.
Die großen Sprachbilder der vergangenen Wochen - den "Abwehrschirm" und den "Doppel-Wumms" gegen die steigenden Energiepreise - will die Koalition nun zügig in Gesetzesform bringen. Vergangenen Freitag diskutierte der Bundestag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf "zur Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes zur Reaktivierung und Neuausrichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds", den die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegt hatten. Verabschiedet werden soll das Gesetz bereits an diesem Freitag.
Der Fonds soll Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro aufnehmen
Die Koalition will die Gas- und Strompreisbremsen sowie Unternehmenshilfen über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) stemmen. Der Fonds soll laut Entwurf in diesem Jahr Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro aufnehmen. Mit diesem Geld sollen dann bis 30. Juni 2024 zum einen die Gas- sowie die Strompreisbremsen finanziert, zum anderen in Schieflage geratene Unternehmen gestützt werden können. Um die dreistellige Milliardensumme zu mobilisieren, wird der Bundestag erneut eine Ausnahme von der Schuldenbremse beschließen müssen.
Für dieses Jahr gilt bereits eine Ausnahmeregelung, da die Nettokreditaufnahme deutlich über der vom Grundgesetz eigentlich vorgesehenen Schuldenobergrenze liegt. Seinerzeit hatten die Koalitionsfraktionen die Ausnahme mit der anhaltenden Corona-Pandemie sowie den Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine begründet.
Die angestrebte erweiterte Ausnahme begründete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Florian Toncar, in der Debatte mit den seit Ende August vollständig weggefallenen Gaslieferungen aus Russland. Dadurch habe sich die Lage nochmals "deutlich verschärft". Die Lösung über den WSF habe "enorme Vorteile".
So setze man ein "starkes Signal", dass die Mittel für die Notwendigkeit ausreichten und überjährig zur Verfügung stünden. Das Signal wirke auch als "Inflationsbremse", sagte Toncar. Er warf Russland vor, Europa wirtschaftlich und politisch unter Druck setzen zu wollen. "Diese Strategie darf nicht aufgehen, und wir verfügen über die Mittel, damit sie nicht aufgeht", sagte der Liberale.
Grüne sehen darin einen Weg zur Stabilisierung der Gesellschaft
Ähnlich argumentierte für die Grünen-Fraktion Sven-Christian Kindler. Der WSF werden zu einem "Fonds zur Stabilisierung unserer Gesellschaft". Die gefundene Lösung garantiere Verlässlichkeit und Überjährigkeit, so Kindler, "wir gehen damit jetzt in finanzielle Vorleistung".
Frank Junge (SPD) sprach von einer Krise, für die es keine Blaupause gegeben habe, "die wir aus der Schublade hätten ziehen können". Mit der Umwandlung des WSF würden die Menschen entlastet werden, die es am dringendsten brauchten, sagte der Sozialdemokrat.
CDU: Wofür soll das Geld ausgegeben werden?
Diese Argumente überzeugten die Opposition nicht. Mathias Middelberg stellte sich zwar hinter den Vorschlag für eine Gaspreisbremse. Beim Finanzierungsweg könne die Union aber nicht mitgehen, sagte der Abgeordnete. Nicht zustimmungsfähig sei etwa, dass nun 200 Milliarden Euro aufgenommen werden sollen, ohne dass überhaupt klar sei, wofür genau das Geld ausgegeben werden soll. "Sie laden sich die Hamsterbacken erstmal voll mit einem Schuldenvorrat", kritisierte der Christdemokrat.
Die AfD-Fraktion hatte zu der Debatte einen Antrag vorgelegt, der sich gegen "Schattenhaushalte" richtet. Statt im WSF sollten alle Einnahmen und Ausgaben über den Kernhaushalt abgewickelt werden. In der Debatte sprach sich Peter Boehringer (AfD) gegen einen "Blankoscheck" aus und warf der Bundesregierung vor, dass die Energiepreise "politikgemacht" seien. Um gegenzusteuern, schlug er unter anderem die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland vor.
Gesine Lötzsch (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, Vermögensverwalter der oberen zehn Prozent zu sein. Benötigt würden wirksame Preisdeckel. Zudem gehörten die Energiekonzerne in die öffentliche Hand, forderte Lötzsch.