Haushalt für 2022 : Ein "Schuldenberg"?
Bundestag beschließt Haushalt für das laufende Jahr. Kredit-Tilgung soll 2028 beginnen.
Der Bundestag hat vergangenen Freitag den Haushalt für das laufende Jahr beschlossen. Darin wird mit Ausgaben in Höhe von 495,8 Milliarden Euro gerechnet. Das sind noch einmal 11,9 Milliarden Euro mehr, als der Ende April vorgelegte Ergänzungshaushalt vorgesehen hatte. Allerdings ist es auch deutlich weniger als im Vorjahr, als der Bund 556,6 Milliarden Euro ausgegeben hatte - und ursprünglich im Soll sogar mit 572,7 Milliarden Euro geplant hatte. Die Ausgaben für Investitionen sollen sich in diesem Jahr auf 51,5 Milliarden Euro belaufen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) spricht zum Auftakt der Haushaltswoche im Parlament. Der Bundestag stimmt über den Etat 2022 ab.
Bei den Einnahmen wird in diesem Jahr mit Steuereinnahmen von 328,4 Milliarden Euro und sonstigen Einnahmen in Höhe von 28,4 Milliarden Euro gerechnet. Damit klafft im dritten Jahr in Folge eine große Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben. Der Bund soll deshalb in diesem Jahr 138,9 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnehmen dürfen. Im vergangenen Jahr waren es noch 215,4 Milliarden Euro.
Die Kreditaufnahme liegt über der eigentlich zulässigen Höhe
Die diesjährige Kreditaufnahme liegt damit 115,7 Milliarden über der eigentlich nach der Schuldenregel des Grundgesetzes erlaubten Nettokreditaufnahme. Daher beschloss der Bundestag auf Antrag der Koalitionsfraktionen erneut eine Ausnahme von der Schuldenregel. In namentlicher Abstimmung stimmten 398 Abgeordnete für die Vorlage bei 251 Nein-Stimmen und 35 Enthaltungen. Den Haushalt nahm der Bundestag in namentlicher Abstimmung mit 403 Stimmen bei 285 Nein-Stimmen und einer Enthaltung an.
In der Begründung zu dem Antrag nennt die Koalition die fortdauernden Folgen der Corona-Pandemie und die Auswirkungen des russischen Überfalls auf die Ukraine als Gründe, warum eine "außergewöhnliche Notsituation" vorliege, die eine entsprechende Kreditaufnahme unausweichlich mache. Zudem wird die Tilgung der seit 2020 aufgenommenen Kredite neu geregelt. Sie soll nun, wie von der EU erlaubt, erst 2028 beginnen und bis 2058 fortdauern. Bisher war 2026 avisiert worden. Ab spätestens 2031 sollen dann noch die Kredite aus dem Sondervermögen Bundeswehr getilgt werden (siehe Seite 1), der genaue Zeitraum wird noch festgelegt werden.
Union kritisiert den großen Schuldenberg
In der Schlussrunde am vergangenen Freitag - wie auch in den Tagen zuvor - lieferten sich Redner und Rednerinnen der Fraktionen noch einmal einen harten Schlagabtausch über die Etat-Planung.
Alexander Dobrindt (CSU) übte scharfe Kritik am Haushalt der Ampel-Koalition. "Das ist kein Haushalt, das ist ein Schuldenberg." Insgesamt mache die Koalition in diesem Jahr 300 Milliarden Euro Schulden, sagte Dobrindt mit Verweis auf den laufenden Haushalt (138,9 Milliarden Euro), den Nachtragshaushalt 2021 (60 Milliarden Euro), der im Januar beschlossen worden war, sowie das Sondervermögen für die Bundeswehr (100 Milliarden Euro). Er stellte zudem in Abrede, dass es Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gelingen werde, ab dem Haushalt 2023 die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Jede Ministerin und jeder Minister der Regierung habe neue zusätzliche Ausgaben angekündigt, sagte der Christsoziale. "Sie arbeiten mit den Schulden der kommenden Generationen", monierte Dobrindt.
Karsten Klein (FDP) hielt dem entgegen, der Koalition sei es gelungen, in dem ursprünglich noch von der alten Regierung vorgelegten Haushaltsentwurf ein "zartes Pflänzchen des Aufbruchs und Fortschritts einzupflanzen". Dabei bilde der Haushalt zugleich "zwei enorm herausfordernde Krisen" ab. Das sei ein Kraftakt gewesen, sagte Klein. Die Koalition mache deutlich, dass sie in schwierigen Zeiten handlungsfähig sei und die "Weichen in Richtung Zukunft" stelle. Mit Blick auf die Bund-Länder-Finanzbeziehungen forderte der Liberale einen "Strategiewechsel".
Peter Boehringer (AfD) kritisierte die "Megaverschuldung", die zu weiterer Inflation führe. Der Großteil der Preissteigerung sei die Schuld der Politik und nicht Folge des Krieges in der Ukraine, sagte Boehringer. Dadurch steuere man auf eine "soziale Katastrophe" zu.
Bettina Hagedorn (SPD) warf ihrem Vorredner Dobrindt vor, sich nicht entscheiden zu können, ob die Union nun den "Schuldenberg" kritisieren oder doch durch eigene Forderungen mehr Schulden machen wolle. Hagedorn verwies auf die positiven Folgen der vom Bundestag vorher beschlossenen Erhöhung des Mindestlohns für Frauen. Sie warb zudem für geregelte Zuwanderung. Damit müsse die "größte Gefahr für eine prosperierende Wirtschaft", der Fachkräftemangel, in den Griff bekommen werden.
Linke sieht sozialpolitische Vorhaben der Koalition gefährdet
Gesine Lötzsch (Die Linke) warf Grünen und SPD vor, Wahlversprechen der sozialen Gerechtigkeit bisher nicht eingelöst beziehungsweise im Falle der Vermögenssteuer kassiert zu haben. Zudem fragte sie, wie die sozialpolitischen Vorhaben der Koalition finanziert werden sollen, wenn ab 2023 wieder die Schuldenbremse greifen solle. "Die Antwort darauf sind Sie schuldig geblieben", warf sie der Koalition vor. Lötzsch forderte einen "Schutzschirm für Menschen, die kein Geld mit Krieg und Krisen verdienen".
Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen) betonte mit Blick auf die Ereignisse seit Abschluss des Koalitionsvertrages, dass die Politik der Bundesregierung ein "Update" gebraucht habe. Der vorliegende Haushalt sei ein Bestandteil dieses Updates. Angesichts sich "akkumulierender Krisen" könne mit Zukunftsinvestitionen nicht mehr auf Erholungsphasen gewartet werden, sagte Piechotta. Die Grünen-Abgeordnete ging ebenfalls auf die Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein und fragte, ob die Lastenteilung noch im Lot sei. Es stehe ein "Berg an Aufgaben" an. Dafür benötige es die "gesamte Kraft des Landes" und nicht nur die "42 Prozent Steuerkraft des Bundes".
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wies die Kritik von Seiten der Union zurück. Mit dem zweiten Regierungsentwurf sei es der Koalition gelungen, innerhalb der Eckwerte der Vorgängerregierung "mehr Qualität" zu erreichen. Der Ergänzungshaushalt beinhalte notwendige Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine, Hilfen für die Wirtschaft sowie Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger. Mit dem Sondervermögen werde der von der Union mit verantwortete Zustand der Bundeswehr angegangen. "Sie wollen in der Haushaltspolitik Schäuble sein", sagte der Finanzminister, aber in der Realität gehe die Union mit dem Geld der Menschen um "wie der Jongleur auf der Strandpromenade von Sylt".