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Tierwohl : Ein erster Schritt

Minister Cem Özdemir stellt den Gesetzentwurf für ein staatliches Tierhaltungskennzeichen vor.

19.12.2022
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4 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Moritz Frankenberg

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (links) beim Besuch eines Schweinehaltungsbetriebes

"Wir müssen endlich loslegen", mit diesen Worten stellte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) seinen Gesetzentwurf  für ein staatliches Tierhaltungskennzeichen am vergangenen Donnerstag im Bundestag vor. Der Minister bezeichnete die verbindliche Tierhaltungskennzeichnung als "notwendigen ersten Schritt", dem weitere folgen würden. Ziel der Agrarpolitik der Bundesregierung sei der Umbau der Nutztierhaltung, damit landwirtschaftliche Betriebe eine Zukunft hätten, erklärte Özdemir in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs.

Vorgesehen ist ein Modell mit fünf Haltungskategorien

Nach jahrelangen Debatten hat das Bundeskabinett im Oktober den Entwurf aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf den Weg gebracht, wonach ein verpflichtendes Kennzeichen für die Schweinehaltung ab 2023 starten soll - vorerst allerdings nur bezogen auf frisches Schweinefleisch. Schrittweise sollen weitere Bereiche wie Gastronomie und Außer-Haus-Verpflegung sowie Tierarten wie Rinder und Geflügel dazukommen. Vorgesehen ist ein Modell mit fünf Haltungskategorien während der Mast: Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland sowie Bio. Fleisch aus dem Ausland soll auf freiwilliger Basis gekennzeichnet werden können.


„Jetzt ist es Zeit für den nächsten großen Schritt, sonst gibt es künftig nur noch Fleisch aus dem Ausland.“
Cem Özdemir (Grüne), Bundeslandwirtschaftsminister

"Jetzt ist es Zeit für den nächsten großen Schritt, sonst gebe es künftig nur noch Fleisch aus dem Ausland", sagte Özdemir. Dort würden Tiere jedoch nicht besser gehalten. Sein schrittweises Vorgehen sei auch den Erfahrungen der letzten 16 Jahre geschuldet, so Özdemir, "alles auf einmal" habe beim Umbau der Tierhaltung nicht umgesetzt werden können.

Für die Pläne erntet Özdemir heftige Kritik, nicht nur Landwirte, Verbände, der Handel sowie Umweltschützer, auch Oppositionsparteien laufen Sturm gegen den Entwurf. "Für das Gesetz gibt es die Schulnote fünf", sagte Albert Stegemann (CDU). Ihm fehle ein Gesamtkonzept beim Umbau der Nutztierhaltung. Das hatte die Borchert-Kommission nach seiner Überzeugung jedoch bereits im Jahr 2020 vorgelegt, allerdings sei die Finanzierung von der FDP "weggesprengt" worden.

CDU reichen 150 Millionen  Euro nicht

Die von Özdemir in Aussicht gestellten 150 Millionen Euro pro Jahr reichten laut Stegemann "bei weitem nicht aus". Sein Fraktionskollege Max Straubinger (CSU) sprach von "Schiffbruch", den die deutschen Tierhalter erleiden würden. Mit dem in dieser Form vorliegenden Entwurf werde es zu massiven Schließungen landwirtschaftlicher Betriebe kommen.

Auch Stephan Protschka (AfD) sieht vor allem den Bestand deutscher Schweinehalter bedroht. Das geplante Tierkennzeichen habe weder für die Verbraucher noch für die Tiere Vorteile, so der Abgeordnete. Lediglich die Mast der Tiere werde bewertet, die Herkunft und die Aufzucht bleibe im Dunkeln. Das Gesetz komme zudem "zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt", weil sich die Lebensmittelpreise durch steigende Energiekosten und zweistellige Inflationsraten aktuell immer weiter verteuerten.

 Ina Latendorf (Die Linke) begrüßte zwar die Gesetzesinitiative, doch aus ihrer Sicht sei eine Anpassung der Tierschutzgesetzgebung und der Nutztierhaltungsverordnung nötig. Die Anhebung des gesetzlichen Mindeststandards für alle Tierarten "ist längst überfällig", so Latendorf. Zudem bemängelte sie, dass "konkrete Termine für die Erweiterung der Kennzeichnungspflicht für verarbeitete Produkte und weitere Tierarten" fehlten.

Um von Anfang an Klarheit beim Umbau der Tierställe zu bekommen, fordert Carina Konrad (FDP), dass alle notwendigen Änderungen im Bau- und Immissionsschutzrecht parallel zu den Beratungen zum Tierwohlkennzeichen laufen müssten. Neben dem Tierwohl stehe schließlich auch die Zukunftsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe in diesem Land auf dem Spiel. Es sei zwar zu begrüßen, dass die Bundesbauministerin bereits signalisiert habe, die Anliegen der Landwirte zu berücksichtigen, doch nun gehe es darum, "Worten Taten folgen zu lassen".

SPD: Tierhaltung wird transparenter

Susanne Mittag (SPD) sprach von "einem guten Tag für die Tierhaltung", da nun der erste Schritt hin zu tierwohlgerechteren Haltungsformen getan sei. Innerhalb der nächsten Monate würden weitere Pläne vorgestellt. Die Tierhaltung werde durch einheitliche staatliche Vorgaben "besser kontrollierbar und transparenter", sagte Mittag. Gleichwohl räumte sie "Nachbesserungsbedarf" ein, allerdings seien die "Verhandlungen dazu innerhalb der Ampel längst im Gange".

 Renate Künast (Grüne) stellte sich demonstrativ hinter die Pläne Özdemirs. Mit der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung werde "der erste Schritt für ein neues System in der Tierhaltung gemacht", so die frühere Agrarministerin. Sie sei überzeugt, dass nicht nur der Grundstein für den Umbau der deutschen, sondern auch der europäischen Tierhaltung gelegt worden sei.

Grüne: Als nächstes steht die Kennzeichnungspflicht an

Das nun vorliegende Gesetz müsse nun durch die Notifizierung der Europäischen Union in Brüssel, so die Grüne. Danach gehe es durch die parlamentarische Beratung. Anschließend werde "Verordnung für Verordnung kommen". Als nächster Schritt stehe die Ausweitung der Kennzeichnungspflicht an. Ihrer Meinung nach seien Tempo und Entschlossenheit gefragt.

Der Entwurf der Bundesregierung sowie der AfD-Antrag mit dem Titel "Eine transparente Herkunftskennzeichnung als Voraussetzung für eine freie und mündige Kaufentscheidung" wurden zur weiteren Beratung an den zuständigen Ausschuss überwiesen.