Streit um die Atomenergie : Drei Kraftwerke, zwei Vorschläge, ein Streit
Union und AfD fordern den Weiterbetrieb der drei verbliebenen Kernkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2. Die Ampel beharrt auf den Ausstiegsbeschluss.
Für den Reservebetrieb vorgesehen: das Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut. AfD und Union drängen auf einen Weiterbetrieb der deutscher Reaktoren.
Länger, kürzer, weg: Der seit Monaten schwelende Streit über die Laufzeiten der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 spitzt sich zu, das zeigten auch zwei Debatten im Bundestag über Gesetzentwürfe von Union und AfD zur Änderung des Atomgesetzes in der vergangenen Woche.
Nach der AfD, deren Vorschlag für einen Weiterbetrieb der Reaktoren im Plenum keine Mehrheit fand, dringt auch die Union mit zunehmender Vehemenz darauf, die Kraftwerke angesichts explodierender Strom- und Gaspreise nicht wie beschlossen zum Jahresende vom Netz zu nehmen. Ihr Entwurf sieht vor, sie mindestens bis Ende 2024 weiterlaufen zu lassen.
Grüne wollen allenfalls zwei Kraftwerke als Reserve für Engpässe im Winter vorhalten
Doch Wirtschaftsminister Robert Habeck und die für nukleare Sicherheit zuständige Ministerin Steffi Lemke (beide Grüne) wollen allenfalls zwei der drei Kraftwerke als Reserve im Streckbetrieb für den Fall von Netzengpässen im Winter vorhalten. Für den Reservebetrieb vorgesehen: das Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut. AfD und Union drängen auf einen Weiterbetrieb der deutscher Reaktoren.Für den Reservebetrieb vorgesehen: das Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut. AfD und Union drängen auf einen Weiterbetrieb der deutscher Reaktoren.
Ein Vorhaben, dessen Machbarkeit zuletzt aber nicht nur die Opposition anzweifelte, sondern auch die AKW-Betreiber. In der Plenardebatte über den Unions-Entwurf warf Steffen Bilger (CDU) der Ampel vor, nicht "das Notwendige" zu tun, um Blackouts zu verhindern. Es sei absurd, mitten in der Energiekrise Kraftwerke abzuschalten. Diese sollten so lange laufen, wie es "schlicht notwendig ist", forderte er, mindestens bis 2024. Das sei aber kein "Ausstieg aus dem Ausstieg", beeilte sich Bilger zu versichern.
Dies bezweifelte jedoch Jakob Blankenburg (SPD): Die Union spreche zwar nur von einem befristeten Weiterlaufen der Meiler, halte sich aber ein "Hintertürchen" für einen deutlich längeren Betrieb offen. Fragen der Sicherheit würden dabei offenbar bewusst ausgeblendet: Die turnusmäßige Sicherheitsüberprüfung der Kraftwerke sei 2019 aufgrund der Ende 2022 bevorstehenden Abschaltung unterblieben. Der Gesetzentwurf sehe aber erst eine Sicherheitsüberprüfung bis Ende 2023 vor. Ein Irrtum, wie das gerade bekannt gewordene Ventilleck im Reaktor Isar 2 zeige, so der SPD-Politiker.
AfD: Einsicht, dass der Atomausstieg ein Fehler gewesen sei, kommt spät
Inhaltliche Unterstützung für die Union kam von Karsten Hilse (AfD): Doch die Einsicht, dass der Atomausstieg ein Fehler gewesen sei, komme spät, monierte er. Für die aktuelle Misere machte er die Union mitverantwortlich: Ohne den von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2011 vorangetriebenen Ausstiegsbeschluss wäre Deutschland "Weltspitze in der Kernkraft", hielt Hilse der CDU/CSU vor, und nicht das Land mit der "dümmsten Energiepolitik der Welt".
Um die Stromversorgung zu stabilisieren, laufen die deutschen Meiler über den Winter weiter. Ob das reicht, bleibt im Bundestag umstritten.
Die Union fordert längere Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke und eine Entlastung bei der Stromsteuer.
Die Atomkraft sei "unflexibel, riskant und teuer," konterte Julia Verlinden (Grüne). "Je länger die Atomkraftwerke laufen, umso länger stehen sie der Energiewende im Weg." Mit einer "aufgeplusterten" Atomdebatte wolle die Union bloß von eigenen Versäumnissen beim Ausbau der Erneuerbaren ablenken.
Linke plädiert für Aufhebung der Preisdeckel für Solar- und Bioenergie
Als "naiv und falsch" kritisierte auch Ralph Lenkert (Linke) das Festhalten an der Atomkraft trotz bekannter Gefahren. Für ein größeres Stromangebot brauche es sie nicht, so der Abgeordnete und plädierte stattdessen für die Aufhebung der Preisdeckel für Solar- und Bioenergie.
Skepsis hinsichtlich der Reserve-Pläne ihrer Koalitionspartner ließ jedoch für die FDP Judith Skudelny durchblicken: Ziel sei eine "sichere, saubere und preiswerte Energieversorgung". Hierbei könne die Atomkraft übergangsweise einen Beitrag leisten. Und: Wenn man Geld in die Hand nehme, um Reparaturen und Sicherheitsüberprüfungen vorzunehmen - warum nutze man die Kraftwerke nicht für die Produktion Strom, gab sie zu bedenken.
Solchen Überlegungen erteilte jedoch Umweltministerin Steffi Lemke eine klare Absage: Der "in breitem Konsens" beschlossene Ausstieg komme. Die Sicherheitslage von Atomkraftwerken habe sich durch den Ukrainekrieg radikal verändert - ob zwei AKWs als Reserve im Winter benötigt würden, werde geprüft.