
Auf Kuschelkurs mit Pinguinen : Welche Folgen der Tourismus für die Antarktis hat
Mit 120.000 Besuchern pro Saison ist die Antarktis im Massentourismus angekommen. Eine große Herausforderung für Flora und Fauna vor Ort.
Dick in ihre Winterjacken eingepackt, fahren die Besucher auf Schlauchbooten an Eisbergen vorbei; andere paddeln in Kajaks durch das Eismeer, tauchen mit Robben oder beobachten Pinguine. Alles ist mit einer dramatischen Musik hinterlegt. Mit einzigartigen Aufnahmen locken die Anbieter von Antarktisreisen auf ihren Websites. Die Zeit, in denen sich nur einige wenige Abenteurer in die Region wagten, sind lange vorbei. Sogar ein Marathon findet jährlich dort statt.

"Der Massentourismus ist in der Antarktis angekommen", sagt Rita Fabris. Die Biologin arbeitet für das Umweltbundesamt und ist dort für die Genehmigung von deutschen Antarktisreisen zuständig. Zwischen 1992 und 2016 hat sich die Zahl der Antarktisbesucher verfünffacht. Über 120.000 Menschen haben laut dem Dachverband der Antarktis-Tourismusindustrie (IAATO) die Region in der vergangenen Saison besucht. Im Vergleich zu anderen Attraktionen und Naturphänomenen eine kleine Zahl. Dennoch spricht Fabris von Massentourismus, denn "95 Prozent der Touristen reisen zur Antarktischen Halbinsel und dort in ein relativ kleines Gebiet". Zusätzlich konzentriere sich die Reisezeit auf die Monate November bis März, also den antarktischen Sommer.
Für den Tourismus-Boom gibt es verschiedene Gründe. So haben laut Fabris das allgemeine Medieninteresse und Reise-Influencer die Region in das Bewusstsein vieler Menschen gerückt. Auch eine "last chance to see"-Mentalität - also der Wunsch, die Antarktis zu sehen, bevor sie sich unumkehrbar verändert haben wird - spiele eine Rolle. Durch den Klimawandel hat sich außerdem der Reisezeitraum verlängert, was mehr Besucher pro Saison ermöglicht.
Expeditionskreuzfahrten haben keinen nachhaltigen Effekt
Und die Reedereien nutzen diese Möglichkeiten. In den vergangenen Jahren sind viele neue Schiffe hinzugekommen. Auch Länder wie China zeigen mittlerweile Interesse an der Region und könnten die Besucherzahlen weiter in die Höhe treiben.
Für die Antarktis bringt der Tourismus keine Vorteile. Rußablagerungen durch Schiffe beschleunigen zum Beispiel die Eisschmelze, Lärm stört die Tiere und selbst kleine Trittschäden sind aufgrund der langsame Vegetationsentwicklung lange sichtbar.
Den größten Teil der Reisen machen Expeditionskreuzfahrten aus: Statt Animationsprogramm bieten diese ihren Gästen wissenschaftliche Vorträge. Der Gedanke dahinter ist, dass Touristen so "Botschafter für die Antarktis" werden und ihren Lebensstil für das Klima nachhaltig ändern. Dieser Mythos sei allerdings nichts anderes als "Greenwashing", sagt Fabris. Die Forschung habe gezeigt, dass sich das Verhalten der Touristen langfristig nicht ändere: "Letztendlich ist eine Reise in die Antarktis ein Konsummodell und Urlaub."
Damit der Tourismus nicht aus dem Ruder läuft und das empfindliche Öko-System vor Ort langfristig zerstört, gibt es bereits ein ganzes Werk an Regularien für einen Besuch. So dürfen nur Schiffe mit maximal 500 Passagieren an Bord anlanden, wobei sich immer nur 100 Menschen gleichzeitig an Land befinden dürfen. Leitfäden für das Verhalten vor Ort schreiben zusätzlich beispielsweise einen Mindestabstand zu Pinguinen, Robben und anderen Tierarten vor.
Einheitlicher Rahmenvertrag für den Tourismus statt "Flickenteppich"
Hinter diesen Regeln stehen neben der IAATO, auch die Antarktisvertragsstaaten, die sich mit dem Umweltschutzprotokoll dem Schutz des Kontinents verschrieben haben. So wird jede Reise vorab von der jeweils zuständigen nationalen Behörde auf ihre Umweltauswirkungen geprüft. Für deutsche Anbieter macht dies das Umweltbundesamt.
Neben dem Abkommen gibt es zwar weitere internationale Vorschriften, diese sind aber nicht alle rechtlich bindend. Dadurch hat sich laut Fabris ein "Flickenteppich an Regularien" gebildet. Derzeit arbeiten die Vertragsstaaten daher an einem einheitlichen Rahmenvertrag für den Tourismus in der Antarktis. Bis dieser fertiggestellt ist, könnte es jedoch noch einige Jahre dauern.
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