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Geschichte des Naturschutzes : Wie der Yellowstone-Park die Welt beeinflusste

Seit dem 19. Jahrhundert zeigte die Sorge um bedrohte Tier- und Pflanzenarten erste Ergebnisse. Den Deutschen hatte es vor allem die Vogelwelt angetan.

02.01.2023
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Die Vereinigten Staaten von Amerika können sich des weltweit ältesten Nationalparks rühmen. Und ganz ohne Zweifel gehört der Yellowstone-Nationalpark im Bundesstaat Wyoming an der Grenze zu Montana und Idaho unter den 63 Nationalparks der USA zu den berühmtesten. Am 1. März 1872 hatte der damalige US-Präsident Ulysses S. Grant das Gesetz über die Einrichtung des Nationalparks unterschrieben. Obwohl der Yellowstone zunächst "vor allem ein öffentlicher Park oder Vergnügungspark zur Wohltat und zum Vergnügen der Menschen" werden sollte, kommt ihm eine entscheidende Rolle für den Erhalt einer der ikonischsten Tierarten Nordamerikas zu, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Opfer einer planmäßig betriebenen Ausrottung zu werden drohte.

Foto: picture-alliance/imageBROKER/Layer, W.

Bisons im Yellowstone-Nationalpark im US-Bundestaat Wyoming.

Nach modernen Schätzungen bevölkerten vor der Eroberung und Besiedlung Nordamerikas durch europäische Siedler etwa 30 Millionen Prärie- und Wald-Bisons die Territorien der USA und Kanadas. Ende des 19. Jahrhunderts war der Bestand frei lebender Bisons auf weniger als 1.000 Tiere dezimiert worden - etwa 200 von ihnen überlebten im Yellowstone-Nationalpark.

Büffeljagd und Genozid

1871 war in Europa ein Verfahren entwickelt worden, um aus den schweren Fellen der Bisons Leder zu gerben. Damit war die Jagd auf die schätzungsweise 13 Millionen Prärie-Bisons im Westen der USA eröffnet. Sogenannte Büffeljäger wie William Frederick Cody, der sich als "Buffalo Bill" in den Geschichtsbüchern verewigte, schossen dutzende Tiere pro Tag. Allein von 1872 bis 1874 wurden mehr als eine Million Büffelfelle pro Jahr in den Osten der USA geliefert. Von staatlicher Seite wurde das Unterfangen wohlwollend begleitet. Die durch den Bürgerkrieg finanziell angeschlagene Nation benötigte Devisen, und die gewaltigen Bisonherden standen der Erschließung des Landes durch die Eisenbahngesellschaften und Rinderzüchter im Weg.

Zugleich stellte die Dezimierung der Bisons einen Höhepunkt des Genozids an den indigenen Völkern Nordamerikas dar. Mit dem Abschlachten der Bisons wurde den Stämmen der Plains-Indianer, die sich bis in die 1880er-Jahre der Unterwerfung und der Zwangsumsiedlung in Reservate zu widersetzen versuchten, vorsätzlich die Lebensgrundlage entzogen.

So lobte denn auch Generalleutnant Philip Henry Sheridan das Treiben der Büffeljäger ausdrücklich: "Diese Männer haben in den letzten zwei Jahren mehr getan und sie werden im nächsten Jahr mehr tun, um die leidige Indianerfrage zu lösen, als die gesamte reguläre Armee in den letzten dreißig Jahren getan hat. Sie zerstören die Vorräte der Indianer. Um eines dauerhaften Friedens willen, lasst sie töten, häuten und verkaufen, bis die Büffel ausgerottet sind."

Idee von Nationalparks fand außerhalb der USA Nachahmer

Die Gründung des Yellowstone-Nationalparks 1872 sollte in den Folgejahren zu einem der letzten Rückzugsräume für die Präriebisons werden. Obwohl seit 1883 für die meisten Tierarten im Park ein Jagdverbot galt, nahm die Wilderei kein Ende. Erst 1894 verabschiedete der US-Kongress mit dem "National Park Protection Act" die rechtliche Grundlage für einen tatsächlichen Schutz von Wildtieren und natürlichen Ressourcen. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch etwa 200 Bisons im Park, die zu den letzten ihrer Art in den USA gehörten. Ihr Überleben verdanken sie nicht zuletzt dem Zoologen und Ethnologen George Bird Grinnell, der seit den 1890er-Jahren für den Erhalt der Bisons kämpfte. Mit Hilfe des späteren US-Präsidenten Theodore Roosevelt organisierte er politischen Druck auf das Innenministerium, bis die in Fort Yellowstone stationierte Armee-Einheit schließlich entschlossen gegen die Wilderei vorging. In Folge von Zuchtprogrammen erholten sich die Bestände bis heute. So wird der Bestand in den USA auf mehr als 20.000 freilebende Präriebisons und gut 400.000 Tiere in privaten Herden geschätzt.

Die Idee von Nationalparks fand Ende des 19. Jahrhunderts auch außerhalb der USA Nachahmer. So gründeten Australien 1879, 1887 Kanada und Neuseeland erste Nationalparks. Alle drei Länder verfügten über große Gebiete mit einer scheinbar unberührten Natur, die sich vergleichsweise einfach unter Schutz stellen ließen. Aber auch in Europa stieß die Idee auf Befürworter. So verwies der preußische Pädagoge und Politiker Wilhelm Wetekamp 1898 im Preußischen Abgeordnetenhaus auf die Vernichtung der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und forderte die Einrichtung von Staatsparks nach dem Vorbild der USA, um "gewisse Boden- und Landschaftsformen zu erhalten, andererseits der Flora und Fauna Zufluchtsorte zu gewähren, in denen sie sich halten". Wetekamp gilt als der erste Politiker in Deutschland, der den Naturschutz auf die parlamentarische Agenda hob. Schließlich ist es Schweden, das 1909 die ersten Nationalparks in Europa einrichtet.

Die Beinahe-Ausrottung des nordamerikanischen Bison und seine spätere Unterschutzstellung kann man exemplarisch für den im 19. Jahrhundert langsam einsetzenden Sinneswandel im Umgang des Menschen mit der Natur ansehen. "Wenn der Naturforscher sein Recht einer freien Beschauung und Betrachtung behaupten will, so mache er sich zur Pflicht, die Rechte der Natur zu sichern; nur da, wo sie frei ist, wird er frei sein, da, wo man sie mit Menschensatzungen bindet, wird auch er gefesselt werden", forderte 1803 etwa der Dichter und Naturforscher Johann Wolfgang von Goethe.

Ansätze schon bei Franz von Assisi zu finden

Gut 600 Jahre vor Goethe formulierte ein Mönch aus Italien allerdings bereits einen ganz ähnlichen Gedanken - wenn auch aus einer anderen Motivation: "Ein jedes Lebewesen in Bedrängnis hat gleiches Recht auf Schutz", lautete die im Europa des frühen 13. Jahrhundert revolutionäre Botschaft des Franz von Assisi. Denn wenn überhaupt vorhanden, so war der Schutz von Tieren im Mittelalter vor allem den Jagd-Privilegien des Adels geschuldet. Der Gründer des Franziskanerordens, der mit Tieren gesprochen und ihnen gar das Evangelium gepredigt haben soll, wurde 1979 von Papst Johannes Paul II. zum "himmlischen Patron des Natur- und Umweltschutzes" erklärt. Seither wird am 4. Oktober, dem internationalen Tag des Tierschutzes, auch sein Namenstag begangen. In seinem von ihm verfassten "Loblied der Geschöpfe" betete Franz von Assisi "Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter." Eine solche religiös geprägte Betrachtung, die Mensch und Natur in einer Art Symbiose vereint, kennt man eher von den indigenen Völkern außerhalb Europas, die ab dem 19. Jahrhundert lange als "Naturvölker" bezeichnet wurden. Für den ehemals eher abwertenden oder romantisierenden Begriff prägte 1976 der amerikanische Biologe Raymond Dasmann den Begriff der "Ökosystem-Menschen", die die Ressourcen der Ökosysteme nachhaltig und ohne negative Auswirkungen auf die Existenzgrundlage des Menschen nutzten.

Umgang mit bedrohten Tieren: Eine Art Model-Wettbewerb

Der sich im 19. Jahrhundert verbreitende Gedanke des Naturschutzes hingegen verschrieb sich vor allem dem Erhalt spektakulärer Landschaften oder ausgewählter Tiere. So habe der Umgang mit bedrohten Tieren "von Anfang an einen Hauch von Model-Wettbewerb" gehabt, konstatiert der Historiker für Umweltgeschichte, Frank Uekötter. "Um in die engere Wahl zu kommen, brauchte es eine gewisse Mindestgröße, ein weiches Fell oder Federn waren zumindest hilfreich." Dies wirkt bis heute nach. "Wenn es um attraktive Bilder für die Spendenwerbung geht, haben Elefanten, Tiger und Menschenaffen weiterhin bessere Chancen als die meisten anderen Arten, und der World Wide Fund for Nature (WWF) pflegt weiterhin den kuscheligen Panda als Symboltier", meint Uekötter.


„Wenn es um attraktive Bilder für die Spendenwerbung geht, haben Elefanten, Tiger und Menschenaffen weiterhin bessere Chancen als die meisten anderen Arten.“
Frank Uekötter, Historiker für Umweltgeschichte

Den Deutschen des 19. Jahrhunderts hatte es beispielsweise die Vogelwelt angetan. So gründete sich 1875 der Deutsche Verein zum Schutze der Vogelwelt, und 1899 rief die Unternehmergattin Lina Hähnle den "Bund für Vogelschutz" ins Leben, aus dem 1990 der Naturschutzbund Deutschland (NABU) als einer der größten nichtstaatlichen Umwelt- und Naturschutzorganisationen Deutschlands hervorging.

Im 20. Jahrhundert weitete sich der Blick, der Natur- und Artenschutz wurde zunehmend ganzheitlicher betrachtet. Dies schlug sich auch in Gesetzen nieder. So benannte die Weimarer Reichsverfassung von 1919 den Schutz und die Pflege der Natur ausdrücklich als Aufgabe des Staates. 1920 wurde in Preußen die gesetzliche Grundlage für Naturschutzgebiete und ein Jahr später mit dem Neandertal das erste Naturschutzgebiet Deutschlands geschaffen. Selbst die Nationalsozialisten griffen die Idee des Naturschutzes auf, verknüpften sie allerdings mit ihrer rassistischen Blut-und Boden-Ideologie. So konnte das bereits vor 1933 vorbereitete und 1935 in Kraft getretene Reichsnaturschutzgesetz auch kaum Wirkung entfalten. Immerhin wurde der Artenschutz für Pflanzen und nicht jagdbare Tiere erstmals gesetzlich festgeschrieben. Als weitgehend unideologisches Gesetz sollte es dann vorerst auch nach Gründung der Bundesrepublik und der DDR weitergelten. 1976 wurde es schließlich in der Bundesrepublik in das Bundesnaturschutzgesetz überführt.