Wohnungspolitik : Erfolg oder Farce?
Die Bilanz der alten Bundesregierung bei der Wohnungspolitik wird unterschiedlich bewertet. Die Ampel-Koalition setzt sich hohe Neubauziele.
Als Horst Seehofer, der damalige Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Ende Juni dieses Jahres den Vierten Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland vorstellte, war er des Lobes voll über sein wohnungspolitisches Wirken. "Wir haben in den letzten Jahren ein gigantisches Wohnungsbauprogramm aufgelegt", sagte Seehofer. "Unsere Maßnahmen wirken!"
Ganz anders beurteilten dies Vertreter der damaligen Opposition. Die Bundesregierung stelle sich selbst ein schlechtes Zeugnis aus, sagte Chris Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Und der wohnungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Föst, sprach von einer "Farce" und erklärte: "Die Große Koalition hat kein einziges wichtiges Ziel erreicht."
Große Koalition hat eigene Ziele deutlich verfehlt
Objektiv richtig ist, dass die Regierung in der vergangenen Wahlperiode ein zentrales Ziel klar verfehlte: den Bau von 1,5 Millionen Wohnungen und Einfamilienhäusern. Die dafür nötige Zahl von durchschnittlich 375.000 Wohneinheiten pro Jahr wurde deutlich unterschritten. Im Jahr 2020 wurden zwar mehr Wohnungen fertiggestellt als in den Jahren davor, aber eben doch nur 306.000. Auch den Rückgang der Zahl der Sozialwohnungen konnte die Große Koalition nicht aufhalten.
Dabei galt die Wohnungspolitik eigentlich als eines der wichtigen Themenfelder der Regierung aus CDU/CSU und SPD. Im September 2018 lud diese zu einem Wohngipfel, an dem Vertreter von Ländern, Kommunen, der Immobilienwirtschaft und der Mieterverbände teilnahmen. In der laufenden Legislaturperiode, betonte die Bundesregierung bei dieser Gelegenheit, stünden mehr als 13 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau, das Wohngeld, die Städtebauförderung und weitere wohnungspolitische Maßnahmen zur Verfügung.
Außerdem setzte die Große Koalition eine Expertenkommission "Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik" ein. Denn dass die Wohnbauoffensive nicht so recht Schwung aufnahm, lag nicht zuletzt daran, dass in den angespannten Wohnungsmärkten der Großstädte Baugrundstücke knapp und teuer sind. Abhilfe schaffen sollte das Baulandmobilisierungsgesetz, das der Bundestag im Mai 2021 auf Grundlage der Empfehlungen der Baulandkommission verabschiedete. Es enthält diverse Punkte, die es Investoren erleichtern sollen, eine Baugenehmigung zu erhalten. Darüber hinaus erschwert das Gesetz in angespannten Wohnungsmärkten die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
Mietpreisbremse vor Verlängerung
Auf der Habenseite verbuchte die Große Koalition außerdem das Baukindergeld, das von 2018 bis März 2021 bewilligt wurde. Es unterstützt Familien mit kleinerem und mittlerem Einkommen beim Erwerb eines selbstgenutzten Eigenheims, indem sie zehn Jahre lang jährlich 1.200 Euro pro Kind bekommen. Geringverdiener profitieren von der Anhebung des Wohngelds, das nun automatisch an die Mieten- und Einkommensentwicklung angepasst wird. Ebenfalls im Interesse der Mieter liegt die Entscheidung, die 2015 eingeführte Mietpreisbremse zu verlängern und damit den Anstieg der Neuvertragsmieten zu verlangsamen.
Die Mietpreisbremse ist auch ein Thema im Koalitionsvertrag, den SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP für die 20. Wahlperiode abgeschlossen haben. Die Mietpreisbremse soll nun bis zum Jahr 2029 verlängert werden. Außerdem will die neue Regierung die sogenannte Kappungsgrenze in angespannten Märkten senken, was bedeutet, dass Mieten in laufenden Mietverträgen innerhalb von drei Jahren nur noch um maximal elf Prozent (bisher 15 Prozent) erhöht werden dürfen. Das liegt weit hinter der Forderung des Deutschen Mieterbundes, der unter Verweis auf die teilweise stark steigenden Mieten einen sechsjährigen Mietenstopp bei laufenden Verträgen verlangt hat.
Als weiteres Ziel proklamieren die neuen Regierungspartner, "durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung die Kosten für den Wohnungsbau zu senken". Um mehr Haushalten den Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen, sollen eigenkapitalersetzende Darlehen ausgereicht werden. Ein ähnliches Versprechen hatten bereits die Koalitionäre von 2018 abgegeben. Das wurde aber nicht erfüllt.
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Einer seit langem erhobenen Forderung der immobilienwirtschaftlichen Verbände kommt die neue Regierung auf jeden Fall nach: Erstmals seit 1998 gibt es wieder ein eigenständiges Bauministerium. Außerdem will die Ampelkoalition den Wohnungsbau voranbringen, wobei sie die Latte noch höher legt als die Vorgängerregierung: In dieser Legislaturperiode sollen nicht nur 1,5 Millionen Wohnungen entstehen, sondern jährlich 400.000, also insgesamt 1,6 Millionen.