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Schon auf Herrenchiemsee war der Vorschlag aufgekommen, den Bundespräsidenten durch Bundestag und Bundesrat wählen zu lassen.

Bundesversammlung : Warum der Bundespräsident nicht direkt gewählt wird

Der Bundestag lehnt eine Direktwahl des Staatsoberhauptes ab. Schon der Parlamentarische Rat wollte keinen "plebiszitären Präsidenten".

31.01.2022
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Für Philipp Amthor (CDU) war es kein Zufall, dass der Bundestag am Freitag in seiner letzten Sitzung vor der Bundespräsidentenwahl am 13. Februar über einen AfD-Vorstoß zur Einführung einer Direktwahl des Staatsoberhauptes statt durch die Bundesversammlung debattierte: Die AfD wolle so die Bundesversammlung und den Bundespräsidenten delegitimieren, sagte Amthor. Dabei habe die Bundesversammlung die "breiteste Legitimation aller Staatsorgane", und eine Direktwahl des Präsidenten wäre ein "erheblicher Eingriff in das Kompetenzgefüge des Grundgesetzes".

Auch Elisabeth Kaiser (SPD) warnte, dass das Verfassungsgefüge der Bundesrepublik bei einer Direktwahl ihres Staatsoberhauptes "ins Wanken" käme, da der Bundespräsident dann "genauso machtvolle Entscheidungskompetenzen" wie der gleichfalls direkt gewählte Bundestag haben müsse. Dies stehe in einem klaren Widerspruch zu der im Grundgesetz definierten Rolle des Staatsoberhauptes. Eine Direktwahl des Präsidenten, mit der nach den Vorstellungen der AfD keine Ausweitung seiner bisherigen Befugnisse verbunden sein soll, würde wiederum ohne erweiterte Kompetenzen Politikverdrossenheit in der Bevölkerung schüren, da die politische Entscheidungsmacht beim Parlament und der Regierung bliebe.

Grüne warnen vor einer "reinen Pseudo-Beteiligung" der Bürger 

Leon Eckert (Grüne) ergänzte, die AfD-Vorlage schaffe eine "reine Pseudo-Beteiligung" der Bürger, womit deren Enttäuschung vorprogrammiert wäre. Ebenso äußerte sich Stephan Thomae (FDP): Würde das Präsidentenamt, das keine gesetzgeberische, ausübende oder rechtsprechende Gewalt habe, durch eine "besondere Legitimation" zusätzlich aufgeladen, entstünde auch eine besondere Erwartungshaltung an das Amt, die enttäuscht werden müsse.

André Hahn (Linke) argumentierte, dass das Amt des Bundespräsidenten "aus guten, auch historischen Gründen vor allem repräsentativ" sei. Zugleich sei das Staatsoberhaupt durch die Bundesversammlung als gemeinsames Gremium von Bundestag und Länderparlamenten legitimiert.


„Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt.“
Artikel 54 des Grundgesetzes

Stephan Brandner (AfD) betonte dagegen, die vorgeschlagene Direktwahl wäre ein "demokratischer Sprung nach vorn, gestützt von 70 Prozent der deutschen Bevölkerung". Auch in dem AfD-Gesetzentwurf, der mit den Stimmen der Koalition sowie der Union und der Linken abgelehnt wurde, wird auf eine Umfrage vom Juni 2016 verwiesen, bei der fast 70 Prozent der Befragten eine Direktwahl des Bundespräsidenten befürworteten.

Schon der Parlamentarische Rat debattierte über eine Direktwahl des Staatsoberhauptes

Dabei flackert die Diskussion über eine solche Direktwahl immer wieder auf; schon im Parlamentarischen Rat, der 1948/49 das Grundgesetz ausarbeitete, wurde darüber debattiert. Dennoch entschieden sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes anders: "Der Bundespräsident wird", so steht es in Artikel 54 der Verfassung, "von der Bundesversammlung gewählt". Warum aber das Staatsoberhaupt durch eine nur zu diesem Zweck einzuberufende Versammlung gewählt wird, war vor bald 75 Jahren bei den Beratungen über das Grundgesetz so unumstritten nicht. Gleiches galt für die Frage, warum die Bundesrepublik überhaupt einen doch weitgehend auf repräsentative Aufgaben beschränkten Bundespräsidenten braucht.

Die Sehnsucht nach einem "Ersatzkaiser", der nach dem Sturz der Monarchie mit dem 1919 geschaffenen Amt des Reichspräsidenten noch Rechnung getragen worden war, schien nach den schlechten Erfahrungen der Weimarer Republik mit ihrem Nebeneinander von Präsidialsystem und parlamentarischer Demokratie diskreditiert. Stattdessen wurde bei den Beratungen über "Richtlinien für ein Grundgesetz" 1948 auf der Insel Herrenchiemsee erwogen, angesichts des "provisorischen Charakters der zu schaffenden staatlichen Ordnung" die Aufgaben des Staatsoberhauptes einem "Bundespräsidium" zu übertragen.

CDU und FDP machten sich für das Amt des Bundespräsidenten stark 

Zwar machte sich in der Expertenrunde nur eine Minderheit für ein solches Dreierkollegium aus Bundestagspräsident, Bundesratspräsident und Bundeskanzler mit regelmäßig wechselndem Vorsitz stark, doch griffen die Sozialdemokraten den Vorschlag bei der Ausarbeitung der Verfassung im Parlamentarischen Rat wieder auf. Aus ihren Reihen kam auch der Gedanke, auf eine solche Institution ganz zu verzichten und stattdessen "für das Provisorium des Grundgesetzes" dem Bundestagspräsidenten die Funktionen des Staatsoberhauptes zu übertragen - so wie vier Jahrzehnte später ja auch in der Endphase der DDR die damalige Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl als Staatsoberhaupt fungierte.

Der Parlamentarische Rat indes entschied sich gleichwohl dafür, die Staatsspitze mit einer eigens zu wählenden Persönlichkeit zu besetzen. Die CDU argumentierte, dass "ein gut funktionierender Bundesstaat grundsätzlich auch eines Bundespräsidenten" zur Repräsentation nach innen und außen bedürfe; auch könne ein solcher Präsident "der moralische Repräsentant der Volkseinheit" sein. Und für die FDP warnte Theodor Heuss vor dem "Provisorium eines Direktoriums". Das würde "in der Bevölkerung gleich wieder so ausgedeutet (...): Man will also die verschiedenen Leute und Parteien mit daran beteiligt haben".

Deutlich geringere Kompetenzen als der Reichspräsident zu Weimarer Zeiten 

Angesichts der Lehren aus der Weimarer Republik wurde das Bundespräsidentenamt mit deutlich geringeren Kompetenzen ausgestattet als zuvor der Reichspräsident. Aus denselben Gründen wurde auch die Direktwahl des Staatsoberhauptes, die einige FDP-Vertreter im Parlamentarischen Rat zur Diskussion stellten, dort schließlich von allen Fraktionen abgelehnt.

Das künftige Staatsoberhaupt sollte sich gleichwohl auf ein "breites Fundament" stützen können. Wenn schon kein "plebiszitärer Bundespräsident" erwünscht sei, argumentierte im Parlamentarischen Rat der FDP-Politiker Thomas Dehler, solle der erste Mann im Staate doch "vom Vertrauen einer größeren Zahl von Vertretern des Volkes getragen werden".

Der Bundesrat bekam bei der Kür der Staatsspitze eine Art Zeugenrolle    

Schon auf Herrenchiemsee war der Vorschlag aufgekommen, den Bundespräsidenten durch Bundestag und Bundesrat wählen zu lassen. Unterstützung fand dies im Parlamentarischen Rat bei Unions-Vertretern, die die Länderkammer an der Präsidentenwahl beteiligt sehen wollten. Das aber stieß bei Sozial- und Freidemokraten auf Ablehnung mit der Begründung, es sei "eines freien Staates unwürdig", dass die Wähler des Staatsoberhauptes "nach Instruktionen ihrer Landesregierungen handeln". Eine echte Wahl setze voraus, "dass die Wähler ihre Stimmen nach bestem Wissen und Gewissen abgeben". Schließlich kam es zur Idee einer "Bundesversammlung" von gewählten Vertretern des Bundes und der Länder - eine "persönliche Erfindung" von Theodor Heuss, der dann von diesem Gremium als erster ins höchste Staatsamt gewählt werden sollte.

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Damit nun aber der Bundesrat bei der Kür des Staatsoberhauptes nicht gänzlich außen vor bleiben muss, wiesen die Verfassungsmütter und -väter der Länderkammer wenigstens eine Art Zeugenrolle bei der Vereidigung des neu Gewählten zu. Aus diesem Grunde leistet jeder Bundespräsident bei Antritt der neuen Tätigkeit seinen Amtseid, wie es in Artikel 56 des Grundgesetzes vorgeschrieben ist, "vor den versammelten Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates".