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Foto: Deutscher Bundestag / Henning Schacht
Das Auswärtige Amt drängte laut Zeugen auf die Erteilung von "Visa on Arrival" für Ortskräfte.

Aufnahme von Ortskräften aus Afghanistan : Die Flüchtlingskrise im Hinterkopf

Das Bundesinnenministerium setzte bei der Aufnahme afghanischer Ortskräfte auf individuelle Prüfungen. Ein "Visa On Arrival" lehnte es aus Sicherheitsgründen ab.

11.10.2024
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2 Min

Die Rolle des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) bei der Aufnahme von Ortskräften stand bei der Zeugenbefragung des 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan vergangenen Donnerstag im Vordergrund. Dabei erklärten ein amtierender und ein früherer Staatssekretär des Ministeriums, Hans-Georg Engelke und Helmut Teichmann, nach welchen Kriterien sich das Ortskräfteverfahren (OKV) richtete. Auch der ehemalige Staatssekretär beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Martin Jäger, sagte aus. 

Zeuge: Auswärtiges Amt hat keine Lösungen für die Probleme bei der Visavergabe gefunden

Laut den beiden Staatssekretären des BMI habe das Ministerium aus Sicherheitsgründen immer am herkömmlichen OKV mit individuellen Prüfungen festhalten wollen. Denn nur habe man sicher sein können, wer nach Deutschland komme.


„Visa on Arrival haben wir sehr lange und entschieden abgelehnt.“
Hans-Georg Engelke, Innen-Staatssekretär

Während der Vernehmung betonte Engelke, dass das BMI stets vorgetragen habe, dass es im äußersten Notfall bereit gewesen sei, auch Visa on Arrival (VoA), also direkt bei Ankunft am Flughafen oder an einer Landesgrenze, zu erteilen. "Vor allem das Auswärtige Amt (AA) verlangte, VoA einzuführen, aber wir haben sehr lange und entschieden abgelehnt", sagte Engelke. Denn dieses Verfahren bedeute einen Verzicht auf Sicherheit. Beim BMI seien "die Geschehnisse nach 2015", also nach der "Flüchtlingskrise", immer im Hinterkopf. Er fügte jedoch kritisch hinzu, dass es "echte Schwierigkeiten bei der Visaausstellung" durch das AA gegeben habe, und darauf könne man nicht stolz sein.

Masterplan Migration unter der Prämisse von "Humanität und Ordnung"

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Teichmann betonte hingegen, das Leitbild im BMI sei der Masterplan Migration. Dieser habe unter der Prämisse von "Humanität und Ordnung" gestanden. Auch der Abzugsbeschluss habe daran nichts geändert, meinte Teichmann. Er kritisierte das AA, weil es keine innovativen Lösungen für die Probleme bei der Visavergabe gefunden habe. Er warf außerdem die Frage auf, warum Journalisten oder Künstler besonders schutzbedürftig sein sollten, wenn doch 40 Millionen Afghanen keine Möglichkeit gehabt hätten, auszureisen. Niemand könne "ernsthaft geglaubt haben, dass das BMI zustimmt, dass Tausende von Leuten nach Deutschland gebracht würden", sagte er.

Ehemaliger BMZ-Staatssekretär: Keine pauschale Aufnahme

Der ehemalige Staatssekretär beim BMZ, Martin Jäger, betonte zwar in seiner Befragung, dass die Ortskräfte der deutschen Institutionen in Afghanistan den Erfolg des Aufbaus verkörpert hätten und deshalb teilweise in Gefahr gewesen seien. Dennoch habe er eine pauschale Aufnahme abgelehnt, weil nicht alle gleichermaßen bedroht gewesen seien.

Der Ausschuss untersucht die Ereignisse zwischen der Unterzeichnung des Doha-Abkommens im Februar 2020 zwischen den USA und den Taliban, mit dem der Abzug internationaler Truppen aus Afghanistan geregelt wurde, und der militärischen Evakuierung vom Flughafen Kabul im August 2021.