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Rettung der Ortskräfte : Fehleinschätzung des BND verzögerte die Rettung

Ein Zeuge äußert sich im Untersuchungsausschuss Afghanistan zum Versagen des Nachrichtendienstes. Und warum bremste das BMI die Rettung der afghanischen Ortskräfte?

14.06.2024
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2 Min

Warum bremste das Bundesinnenministerium (BMI) andere Ressorts, als diese ihre afghanischen Ortskräfte vor den Taliban retten wollten? Das ist eine der wichtigen Fragen, die den 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan beschäftigen. Am Donnerstag konnten Mitarbeiter des BMI einige Aspekte dieser Frage klären.

Zeuge: Das Ortskräfteverfahren hat funktioniert

Zunächst berichtete Ulrich Weinbrenner, Abteilungsleiter Migration, Flüchtlinge und Rückkehrpolitik im BMI, dass das Ministerium "bis zum Ende" gegen eine pauschale Aufnahme der Ortskräfte gewesen sei. Grund: Migrationspolitisch habe man einen Präzedenzfall verhindern und aus Sicherheitsgründen keine Personen ohne vorherige Sicherheitsprüfung ins Land lassen wollen. "Wir haben viele Fälle erlebt, wo Straftaten begangen wurden, und da fragte man sich, wie diese Personen reingekommen sind."

Beim Ortskräfteverfahren (OKV) würden die Ressortbeauftragten individuelle Gefährdungsanzeigen prüfen und feststellen, ob die Anzeige plausibel sei. Bis 2021 habe das Auswärtige Amt (AA) 50 Prozent der Anträge abgelehnt. "Das zeigt, dass da durchaus eine Prüfung stattgefunden hat" betonte der Beamte: "Das Ortskräfteverfahren hat funktioniert."

Keine  gesetzliche Grundlage für "Visa on arrival" 

Seine Kollegin Dagmar Busch, die ehemalige Leiterin der Abteilung, die im BMI für das Polizeiprojekt in Afghanistan und das OKV zuständig war, betonte zudem, dass das vom AA seit 2020 geforderte Verfahren "visa on arrival" (VOA), bei dem keine Vorprüfungen gibt und nach dem Fall Kabuls aus Not eingeführt wurde, keine gesetzliche Grundlage habe. Dieses Verfahren sei im Gesetz nur für Einzelfälle vorgesehen. Das BMI habe immer betont, dass VOA Ultima Ratio sei.

Am Ende musste jedoch sehr schnell auf die Entwicklungen reagiert werden. Niemand habe vorhergesehen, dass Kabul kampflos fallen würde, so Busch. Der Bundesnachrichtendienst (BND) habe berichtet, dass man noch mindestens bis in den September Zeit habe.

BND leitete sofort eigene Fehleranalyse ein

Warum der BND mit seiner Einschätzung derart danebengelegen hat, habe er sich gleich nach dem Wochenende nach dem Fall Kabuls gefragt, berichtete der Gruppenleiter beim Bundeskanzleramt (BKAmt), der die Dienstaufsicht über den BND hat. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der BND zuverlässige und gute Informationen geliefert, sogar das letztendlich real gewordene Szenario vorausgesagt. Nur die Geschwindigkeit des Eintretens habe der BND falsch eingeschätzt. Der Dienst habe sofort eine eigene Fehleranalyse durchgeführt. Das sei aber ein fortdauernder Prozess.

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