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BND äußert sich zum Fall Kabuls : "Wir haben diese Dynamik nicht gesehen"

Ein Vertreter des Bundesnachrichtendienstes resümiert die Lageeinschätzung für Afghanistan im August 2021. Er sagt: Methodisch habe man keine Fehler gemacht.

28.06.2024
True 2024-06-28T15:40:23.7200Z
2 Min

Der Mann, der am späten Donnerstagabend vor dem Untersuchungsausschuss Afghanistan aussagt, macht einen zerknirschten Eindruck. Das hat berechtigte Gründe. Denn Werner Ader leitet die Abteilung LB beim Bundesnachrichtendienst (BND). Es ist ihm bewusst, dass die Berichte seiner Abteilung den Fall der afghanischen Hauptstadt Kabul am 15. August 2021 nicht vorausgesehen haben. Gleichzeitig empfindet er die harsche Kritik, sowohl öffentlich als auch innerhalb des BND, die seine Abteilung trifft, unangemessen und ungerecht.

Abteilung habe auf langsame Erosion in Afghanistan hingewiesen

Vor den Ausschussmitgliedern sagt er, er könne nicht abschließend erklären, warum seine Abteilung nicht voraussehen konnte, dass Kabul am 15. August 2021 fallen würde. "Ich finde, meine Mitarbeiter haben nichts falsch gemacht", sagt er. "Wir haben keinen grundsätzlichen methodischen Fehler gemacht. Aber im Laufe der ersten Augustwoche gab es eine Bewegung: Wir haben diese Dynamik nicht gesehen."


„Manche meinen, wir hätten in den Formulierungen deutlicher werden müssen, andere wiederum sagen, wir hätten den 'worst case' in den Vordergrund stellen müssen.“
Werner Ader, Leiter der Abteilung LB beim Bundesnachrichtendienst

Andererseits habe seine Abteilung lange darauf hingewiesen, dass in Afghanistan eine langsame Erosion stattfand, führt Ader aus. Deswegen seien er und seine Kollegen auch der Schwarzmalerei bezichtigt worden. Im Nachhinein sei natürlich intern diskutiert worden, wo der Fehler gelegen habe. "Manche meinen, wir hätten in den Formulierungen deutlicher werden müssen, andere wiederum sagen, wir hätten den 'worst case' in den Vordergrund stellen müssen."

Zeuge: Unzufrieden mit Ergebnissen der internen Revision

Mit den Ergebnissen der internen Revision, die die Leitung des BND umgehend nach dem Fall Kabuls in Auftrag gegeben hatte, sei er nicht zufrieden, gibt der 64-jährige Jurist zu. Aber vor allem scheint er sich über die Aussagen des damaligen Bundesaußenministers Heiko Maas (SPD) zu ärgern. Maas habe für das Desaster in Kabul den BND beschuldigt. Die Entscheidungen, die aufgrund des Lagebildes des BND getroffen worden seien, hätten zu katastrophalen Ergebnissen geführt, habe er gesagt. Dabei sei ihr Lagebild nur eines unter vielen gewesen und er glaube aus Erfahrung nicht, dass irgendein Ressort sich auf den BND allein verlassen würde.

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Auch der ehemalige Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, Jens Plötner, sagte am Donnerstag aus. Plötner zeichnete ein Gesamtbild, das darauf hindeutet, dass die Zusammenarbeit mit den USA nach der Unterzeichnung des Doha-Abkommens sehr schwierig war. Die Kooperation beider Länder über die Nutzung des US-Stützpunktes in Ramstein hingegen sei "ein Lichtblick in dem gesamten Chaos" gewesen.