Gitta Connemann im Interview : "Israel hat nur eine einzige Option"
Wenn die Israelis ihre Angreifer nicht bezwingen, werden sie vernichtet, sagt die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann. Hamas und Hisbollah wollen den Tod aller Juden.
Frau Connemann, als Sie vor einem Jahr von dem Hamas-Überfall auf Israel gehört haben - was waren da Ihre ersten Gedanken?
Gitta Connemann: Ich war entsetzt, traurig und wütend. Und da war natürlich auch die Sorge um meine Bekannten in Israel.
Wie effektiv der israelische Geheimdienst arbeiten kann, zeigte sich ja zuletzt im Zusammenhang mit den Pager-Attacken. Am 7. Oktober 2023 wurden die Israelis dennoch komplett überrascht. Wie kann das sein?
Gitta Connemann: Die Frage habe ich mir natürlich auch gestellt. Wie konnte es passieren, dass die Eindringlinge so weit kommen konnten? Warum haben die Grenzen nicht gehalten? Und warum gab es keine einzige Warnung aus Gaza? Von Bekannten, Kollegen, Patienten? Das werde ich niemals verstehen. Hinzu kam: In Israel gab es ein Gefühl von Normalisierung. Schließlich liefen ja gerade Verhandlungen zwischen Israel und einigen islamischen Nachbarstaaten über eine Annäherung. Umso schmerzhafter waren die Anschläge.
Gitta Connemann (CDU) ist seit 2002 Mitglied des Bundestages und aktuell Vize-Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe.
Israel wehrt sich nun vehement. Hamas und Hisbollah sollen vernichtet werden. Der Iran als Terrorfinanzierer wird auch in den Fokus genommen. Israel wird sich aber nicht dauerhaft militärisch so stark engagieren können und wollen. Wie lange soll also der Krieg fortgeführt werden?
Gitta Connemann: Israel hat nur eine einzige Option. Es ist zum Sieg verdammt. Wenn die Israelis ihre Angreifer nicht bezwingen, werden sie vernichtet. Die Aussagen von Hamas und Hisbollah sind klar. Sie wollen den Tod aller Juden auf der ganzen Welt. Israel hat also keine Alternative.
Wie soll denn solch ein Sieg in der Realität aussehen?
Gitta Connemann: Eine Schlüsselrolle spielt der Iran, der ja längst Krieg gegen Israel führt - und zwar nicht erst seit dem Raketenbeschuss Anfang Oktober. Der Iran attackiert und bekriegt Israel seit Jahren über seine Proxys. Ob Hamas, Hisbollah, Huthis oder Muslimbruderschaft: Alle Terroristen im Nahen Osten werden aus dem Iran unterstützt. Nur der Iran hat die finanziellen und die militärischen Möglichkeiten, diese Terrororganisationen zu tragen. Er schickt sie vor, weil sich die Mullahs selbst nicht in den Krieg begeben wollen. Auch vor dem Hintergrund, dass die Lage im eigenen Land angespannt ist. Deshalb wäre es auch so wichtig, dass die Bundesregierung diejenigen unterstützt, die im Iran auf die Straße gehen und für Freiheit und für Frauenrechte kämpfen.
Aber das ist doch passiert.
Gitta Connemann: Bankette und Sonntagsreden reichen nicht aus. Die Bundesregierung muss tatsächlich dafür sorgen, dass der Iran auch seitens der Europäischen Union scharf sanktioniert wird. Und zwar nicht allein für Israel. Das Terror-Regime im Iran verachtet den Westen. Wer glaubt, dass es die Mullahs mit Israel bewenden lassen, irrt. Wir könnten die nächsten sein. Der Iran verfügt über Mittelstreckenraketen. Er baut an nuklearen Sprengköpfen. Der Iran rüstet sich auf - weit über Israel hinaus. Denn die radikalen Islamisten hassen unsere Lebensart, unsere Kultur. Und deshalb kämpft Israel nicht nur um sein Überleben. Israel verteidigt auch die Werte der westlichen Demokratien.
In einem Leitartikel hat Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt vor kurzem Ministerpräsident Netanyahu als "Avantgarde des Westens" bezeichnet und gesagt: Erledigt er das Terrorregime der Mullahs im Iran, geht er als großer Staatsmann in die Geschichte ein. Stimmen Sie dem zu?
Gitta Connemann: Es geht nicht um eine Person. Der Staat Israel in Gänze macht gerade unseren Job - und auch den der UN, die nicht dazu fähig waren, die Grenzen zum Libanon zu sichern. Die Israelis sind die einzigen, die in der Lage und wirklich willens sind, die Atompläne des Iran zu stoppen.
Netanyahu zeigte sich am ersten Jahrestag des Massakers siegessicher. Dabei gibt es doch in Israel selbst Kritik am Vorgehen seiner Regierung. Hat er denn aktuell sein Land überhaupt hinter sich?
Gitta Connemann: Netanyahu wird immer polarisieren. Aber an seinem aktuellen Vorgehen gibt es auch aus der Opposition kaum Gegenstimmen. Nach dem 7. Oktober stand er monatelang unter massiver Kritik. Wegen des Versagens des Militärs, der Befreiung der Geiseln, der Strategie für den Gazastreifen nach dem Krieg. Aktuell ist aber die Zustimmung zu dem militärischen Vorgehen der Regierung sehr groß. Jeder Israeli weiß schließlich: Wenn wir uns nicht verteidigen, werden wir getötet. Ja, es gibt vereinzelt Stimmen der Kritik aus NGOs oder von Friedenaktivisten. Aber dieser Überlebenskampf wird von der Breite der Bevölkerung und Politik in Israel getragen.
Auf deutschen Straßen gibt es immer wieder Kritik am Vorgehen Israels, Unterstützung für die Hamas und Jubel über Raketenangriffe des Irans. Antisemitismus galt lange Zeit als ausschließlich von Seiten der Rechtsradikalen drohend. Muss der Blick geweitet werden?
Gitta Connemann: Ja. Es gibt den rechtsradikalen Antisemitismus, keine Frage. Der braune Sumpf ist nach wie vor da. Das dürfen wir nie vergessen. Aber wir waren auf dem linken Auge blind. Der islamistische, der importierte Judenhass wurden vollkommen ausgeblendet. Antisemitismus findet sich auch in den Salons der Intellektuellen oder in Verbindung mit dem Globalen Süden. Judenhass hat extrem viele Gesichter. Manche davon wollten wir nicht sehen. Vielleicht auch, weil es nicht in die Legendenbildung eines perfekten Integrationslandes passte. Aber Judenhass ist und bleibt Judenhass. Ob mit Springerstiefeln oder mit Pali-Tuch.
"Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson", heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel. Handelt die Bundesregierung entsprechend?
Gitta Connemann: Nein. Es gibt bewegende Worte. Aber es folgen keine Taten. Israel braucht keine Sonntagsreden, sondern ehrliche Solidarität. Gerade die Außenministerin Annalena Baerbock enttäuscht mich zutiefst. Sie spricht über das Existenzrecht Israel als Teil der deutschen Staatsräson. Aber sie enthält sich, wenn Israel bei der UN an den Pranger gestellt wird. Nicht Israel ist der Aggressor, Israel verteidigt sich.
Aber das betont die Ministerin doch immer wieder...
Gitta Connemann: Sie scheint es aber am Ende nicht so zu meinen. Wenn Baerbock den Feminismus zum Leitbild ihrer Außenpolitik erklärt, hätte sie als Außenministerin die Frauenbewegung im Iran zu ihrer Sache machen müssen. Das hat sie aber nicht getan. Ein weiteres Beispiel: Der oberste Hisbollah-Terrorist Nasrallah wird getötet. Der Mann, der den andauernden Beschuss Nordisraels befahl. Und die Außenministerin? Warnt vor einer Destabilisierung und fordert Verhältnismäßigkeit. Da frage ich mich: Ist das Naivität? Hybris? Ignoranz? Egal was: es ist fatal. Sie verwechselt Täter und Opfer. Nicht Israel verschanzt sich hinter Zivilisten. Das sind die Terroristen. Das ist die perfideste Art der Kriegsführung.
Der Bundestag gedenkt am Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel der Opfer. In der Debatte über die Folgen des Angriffs wird vor wachsendem Antisemitismus gewarnt.
Findet jüdisches Leben in Deutschland ausreichend Unterstützung? Für Markus Decker lässt die Politik daran großteils keine Zweifel, Hagen Strauß wünscht sich mehr.
Am Jahrestag des Überfalls am 7. Oktober ist die Lage in Nahost gefährlich wie nie. Israel kämpft gegen Hamas und Hisbollah. Zugleich droht ein noch größerer Krieg.
Baerbock hat sich zuletzt mit israelfeindlichen Personen zu einem "vertraulichen Abendessen" getroffen. Die von der Union im Rahmen des parlamentarischen Fragerechts angeforderte Teilnehmerliste haben Sie noch immer nicht erhalten. Warum ist Ihnen dies so wichtig?
Gitta Connemann: Es ist das Recht und sogar die Pflicht der Ministerin, sich unterschiedliche Meinungen anzuhören. Das Problem ist nicht das Abendessen. Ich habe ein Problem damit, dass auf explizite Nachfrage die Teilnehmer nicht benannt werden. Ein Teil der Gäste hat im Anschluss an das Treffen darüber getwittert. Von Vertraulichkeit kann also keine Rede sein. Dass die Bundesregierung dennoch einer Parlamentarierin die Auskunft verweigert, finde ich verstörend. Deshalb hat die CDU/CSU-Fraktion bei der Bundestagspräsidentin interveniert. Wir werden an der Sache dranbleiben.