Hamas-Überfall auf Israel : Ein Jahr andauernder Albtraum
Der Bundestag gedenkt am Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel der Opfer. In der Debatte über die Folgen des Angriffs wird vor wachsendem Antisemitismus gewarnt.
Wenige Tage nach dem Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 hat der Bundestag mit einer Schweigeminute der Opfer des Angriffs, des Leids der Angehörigen und der immer noch nach Gaza verschleppten Geiseln gedacht. "Für sie ist am 7. Oktober die Zeit stehen geblieben", sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) am Donnerstag in einleitenden Worten vor einer Vereinbarten Debatte im Bundestag. Seit diesem Datum herrsche Krieg. Nahezu täglich werde Israel mit Raketen der Hamas aus dem Süden und der Hisbollah aus dem Norden beschossen.
Bundestagspräsidentin betont, das Leid aller Seiten anzuerkennen
"Für Israels Sicherheit einzutreten, gehört zur historischen Verantwortung, die uns Deutschen aus der Shoah erwächst." Bas erinnerte zugleich an die humanitäre Katastrophe im Gaza-Streifen, die so schnell wie möglich enden müsse. Es sei ein Gebot der Menschlichkeit, das Leid aller Seiten anzuerkennen.
Lamya Kaddor (Grüne) erinnerte in der sich anschließenden Debatte an den "andauernden Albtraum" der Opfer des Massakers vom 7. Oktober, der Geiseln der Hamas, ihrer Angehörigen. Der 7. Oktober stehe darüber hinaus für das Leid in Gaza, in der Westbank, im Libanon. Ausgelöst habe diese Menschheitstragödie niemand anderes als die islamistischen Extremisten der Hamas, der Hisbollah, der Huthis und des iranischen Regimes. "Sie waren es, die Israel diesen Krieg aufgezwungen haben", sagte Kaddor. Nichts rechtfertige den 7. Oktober mit seinen grausamsten Verbrechen, "auch kein historischer Kontext".
Merz: Antisemitismus nicht hinnehmen
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) bekräftigte "die deutsche Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel". Ausdrücklich begrüßte er den Tod der engsten Führungsmannschaft der Hisbollah-Miliz in Libanon als "einen großen Sicherheitsgewinn für Israel". Es gebe zugleich die "dringende Bitte an die Regierung in Jerusalem, mehr zu tun, um die Zivilbevölkerung in Gaza und im Süden des Libanon zu schützen". Israel habe ein berechtigtes Sicherheitsinteresse. "Israel hat aber auch eine humanitäre Verantwortung gegenüber den vielen unschuldigen Menschen in seiner Nachbarschaft, die von diesem schrecklichen Krieg ebenfalls betroffen sind."
Mit Blick auf Deutschland mahnte Merz, Antisemitismus und "faktische No-Go-Zonen" für Jüdinnen und Juden nicht hinzunehmen.
Gabriela Heinrich (SPD) sprach von einem schweren Trauma für Israel. Es sei ihr unerklärlich, wie man kein Mitgefühl haben könne mit den Angehörigen der Opfer und der Geiseln des Hamas-Anschlags vom 7. Oktober, bei dem 1.200 Menschen ermordet, viele weitere vergewaltigt, gefoltert, verletzt und verschleppt wurden. "Mir ist es aber auch nicht erklärlich, wie wir heute daraus eine innenpolitische Debatte machen können." Hamas und Hisbollah, beiden wollten Israel vernichten als Proxys von Iran, beide versteckten sich zynisch hinter Zivilisten als menschlichen Schutzschilden. "Israel muss sich verteidigen und hat alles Recht dazu." Dazu gehöre aber die Verhältnismäßigkeit, die Einhaltung des Völkerrechts, die humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung.
Bernd Baumann (AfD) sprach von "Islamisten und Mördern, die wir verabscheuen, die Israel auslöschen wollen, die alle Juden ins Meer treiben wollen". Denen halte man entgegen: "Wir stehen zum Existenzrecht Israels, zum Lebensrecht des jüdischen Volkes." Baumann prangerte offenen Judenhass in Deutschland an. "Die Lage in Deutschland eskaliert. Die Zahl der Straftaten gegen Juden hat sich verdoppelt; sie sind zu 90 Prozent muslimisch-religiös motiviert." Das sei eine klare Folge der deutschen Migrationspolitik "vor allen Dingen in den 16 Jahren der Unionsregierung".
Dürr: Israel hat das Recht, Terrorstrukturen zu zerschlagen und den Feind zu schwächen
FDP-Fraktionschef Christian Dürr bekräftigte Israels Recht auf Selbstverteidigung. Das Land habe das Recht, Terrorstrukturen zu zerschlagen und den Feind zu schwächen, damit sich Angriffe wie der vom 7. Oktober niemals wiederholten. "Israel verteidigt sich gegen Gewalt und Terror. Wir dürfen nicht aufhören, das zu betonen und es zu wiederholen." Man könne nicht von Solidarität und Staatsräson sprechen, "um dann im nächsten Atemzug Israels Vorgehen dauernd zu maßregeln". Auch Dürr sprach von einem erschreckenden Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland. "Wer in Deutschland gegen jüdisches Leben auf die Straße geht, der hat in diesem Land nichts zu suchen, denn er teilt unsere Werte nicht."
Für die Bundesregierung sprach Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Die Hamas-Terroristen hätten "die Region an einen Abgrund gebracht". Es müsse klar sein: "Wir stehen an eurer Seite, an der Seite Israels." Jedoch könne Israel "auf Dauer nur in Frieden leben, wenn auch seine Nachbarn, Palästinenserinnen und Palästinenser, auf Dauer in Frieden leben können." Westbank und Libanon dürften nicht "ein zweites Gaza" werden.
Am Jahrestag des Überfalls am 7. Oktober ist die Lage in Nahost gefährlich wie nie. Israel kämpft gegen Hamas und Hisbollah. Zugleich droht ein noch größerer Krieg.
Findet jüdisches Leben in Deutschland ausreichend Unterstützung? Für Markus Decker lässt die Politik daran großteils keine Zweifel, Hagen Strauß wünscht sich mehr.
Wenn die Israelis ihre Angreifer nicht bezwingen, werden sie vernichtet, sagt die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann. Hamas und Hisbollah wollen den Tod aller Juden.
Zu einem Disput zwischen Merz und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kam es in puncto Waffenlieferung an Israel. Merz hatte der Bundesregierung vorgeworfen hier auf der Bremse zu stehen. "Seit Wochen und Monaten verweigert die Bundesregierung die Exportgenehmigung zum Beispiel von Munition und sogar für die Lieferung von Ersatzteilen für Panzer nach Israel."
Scholz, der in Debatte aus den SPD-Fraktionsbänken heraus als Abgeordneter das Wort ergriff, wie er betonte, wies das zurück. "Wir haben Waffen geliefert, und wir werden Waffen liefern." Die Regierung habe im vertraulich zu behandelndem Rahmen des Bundessicherheitsrates die Weichen dafür gestellt. Man werde also sehen, "dass das hier ein falscher Vorhalt gewesen ist", sagte Scholz.