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Gastkommentare : Pro und Contra: Nato-Einladung an die Ukraine?

Soll die Nato gegenüber der Ukraine eine Einladung zum Eintritt in die Allianz aussprechen? Gastkommentator Richard Herzinger und Stephan Hebel im Pro und Contra.

05.07.2024
True 2024-07-05T15:30:22.7200Z
2 Min

Pro

Ohne konkrete Perspektive wird Russland dies als Zurückweichen werten

Foto: Matthias Giordano
Richard Herzinger
ist freier Publizist.
Foto: Matthias Giordano

Die Nato muss der Ukraine endlich eine konkrete Beitrittsperspektive bieten. Bleibt es bei unverbindlichen Beteuerungen, sie irgendwann einmal aufnehmen zu wollen, wird Russland dies als Zurückweichen vor seinen Drohgebärden werten. Das Argument, ein Land im Kriegszustand könne nicht in die Nato kommen, ist vorgeschoben und widersinnig. Dieses Prinzip ist nirgendwo festgeschrieben und lädt den Kreml geradezu ein, seinen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine endlos fortzusetzen. Kann er doch so ihre Aufnahme in das westliche Bündnis dauerhaft blockieren.

Von der Propagandalüge, Russland fühle sich von der Nato bedroht, darf sich der Westen nicht beeinflussen lassen. In Wahrheit geht es dem Aggressor nicht nur darum, die Ukraine aus der Atlantischen Allianz herauszuhalten, sondern diese insgesamt zu zerstören, um so die Vorherrschaft über ganz Europa zu erlangen.

Um dem einen Riegel vorzuschieben, sollte die Ukraine unverzüglich in den Mitgliedschafts-Aktionsplan (MAP) der Nato aufgenommen werden. In diesem Programm werden Anwärter an die Vollmitgliedschaft herangeführt, ohne sie zu präjudizieren. MAP umfasst neben der militärischen Anpassung an den Nato-Standard auch die Festigung rechtsstaatlicher Strukturen. Für Kiew wäre das ein weiterer Antrieb, innere Reformen voranzutreiben, namentlich die Korruptionsbekämpfung.

Auch wenn sie die Ukraine aufnimmt, muss die Nato nicht zwangsläufig mit eigenen Truppen in den Krieg eingreifen. Sie würde dem Kreml damit jedoch unzweideutig signalisieren, dass sie eine ukrainische Niederlage auf keinen Fall zulassen wird. Nur das kann den Aggressor von weiterer Eskalation abschrecken.

Contra

Nato würde die Botschaft senden, das Bemühen um eine alternative Friedensordnung aufzugeben

Foto: Alex Kraus
Stephan Hebel
arbeitet als freier Journalist.
Foto: Alex Kraus

Es klingt einfach: Russland hat die Ukraine angegriffen, viele Nato-Staaten sehen sich dadurch bedroht, und um sich der fortwährenden Gefahr entgegenzustellen, kann es nur eines geben: Schulterschluss, offizielle Einladung an die Ukraine zum Eintritt ins westliche Bündnis, und zwar jetzt. Wenn die Welt so eindimensional wäre wie manche Debatten in diesem Land, dann wäre das, um die Formulierung einer ehemaligen Kanzlerin zu verwenden, alternativlos. Aber so ist es nicht, denn im Fall Ukraine gilt: Wer eine Tür öffnet, schließt andere Türen.

Es stimmt, dass die Idee einer Friedensordnung unter Einschluss Moskaus derzeit illusionär erscheint. Dass Putin keine Bereitschaft zeigt, sein imperiales Konzept durch die Arbeit am Frieden zu ersetzen. Dass die Ukraine deshalb bei ihrer Verteidigung weiter unterstützt werden muss.

Aber: Wer jetzt den Nato-Beitritt zur einzigen und unverhandelbaren Möglichkeit macht, beglaubigt damit auch die von Putin aufgezwungene Konfrontationslogik als alternativlos. Die noch so ferne Option, andere Möglichkeiten der Koexistenz zu finden als hochgerüstete Machtblöcke, wäre symbolisch beerdigt.

Die Ukraine jetzt nicht einzuladen, heißt keineswegs, das brutal angegriffene Land allein zu lassen oder gar in die Rolle des dauerhaft bedrohten Puffers gegen Russland zu zwingen. Unterstützen lässt es sich, wie gesehen, auch ohne Nato-Mitgliedschaft. Aber mit der Einladung würde das Bündnis die Botschaft aussenden, dass es das unerschütterliche Bemühen um eine alternative Friedensordnung aufgibt. Ist es nicht genau dieses Bemühen, das "den Westen" dem imperialen Gehabe Russlands überlegen macht?

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