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Mehr Zuwanderung nach Großbritannien : Der Brexit und das Problem mit den Schlauchbooten

Der Brexit sollte die Zuwanderung nach Großbritannien beschränken, doch die Zahl der Migranten steigt. Ein Gesetz, das Abschiebungen erleichtern soll, liegt auf Eis.

14.08.2023
True 2024-02-26T09:17:06.3600Z
3 Min

Die Zuwanderung nach Großbritannien beschränken - egal ob legale oder illegale. Dies war eines der Versprechen der "Brexeteers", die für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union getrommelt und beim Referendum im Sommer 2016 eine knappe Mehrheit der Briten davon hatten überzeugen können. Doch seit dem EU-Austritt des Vereinigten Königreiches Anfang 2020 hat sich dieses Brexit-Versprechen wie so viele andere auch nicht bewahrheitet - im Gegenteil.

Konfrontiert mit steigender Zahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden

Die Insel sieht sich ebenso wie andere Länder auf dem europäischen Kontinent mit einer steigenden Zahl von Flüchtlingen und Asylsuchenden konfrontiert. Lagen die jährlichen Asylbewerberzahlen in Großbritannien in den Jahren vor dem Brexit zwischen 25.000 und 35.000, so stiegen sie 2021 auf rund 50.000 und 2022 bereits auf rund 75.000 an. Kopfzerbrechen bereitet der konservativen Regierung von Premierminister Rishi Sunak vor allem die steigende Zahl von irregulär eingereisten Migranten, die meist mit kleinen Booten von Frankreich über den Ärmelkanal kommen. Etwa 45.000 Menschen gelangten im vergangenen Jahr auf diesem Weg nach Großbritannien. 2021 waren es rund 29.000 gewesen.

Foto: picture alliance / DeFodi Images | Volke

So wie hier im März 2023 versuchen jährlich Tausende Flüchtlinge von Frankreich aus mit Schlauchbooten nach Großbritannien zu fliehen.

In dieser Situation wirkt sich der Brexit besonders misslich für die britische Regierung aus, weil sie die in der EU geltenden Dublin-Regelungen, nach denen Flüchtlinge in ein anderes EU-Land zurückgeschickt werden können, wenn sie dort bereits Station gemacht haben, nicht mehr anwenden können. Und ein neues Rückführungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ist bislang nicht in Sicht.

Um die "Invasion Englands", wie es die britische Innenministerin Suella Braverman einst ausdrückte, dennoch zu stoppen, legten Premierminister Sunak und Braverman dem Parlament schließlich ein höchst umstrittenes Gesetz nach australischem Vorbild vor, das das Innenministerium verpflichtet, illegale Migranten 28 Tage in Lagern zu internieren und sie anschließend in ihre Herkunftsstaaten oder sichere Drittstaaten abzuschieben, von wo aus sie Asyl in Großbritannien beantragen sollen. Nach heftigen Debatten sowohl im Unterhaus als auch im Oberhaus passierte die "Illegal Migration Bill" Mitte Juli schließlich das britische Parlament.

Sorge um Rechte von minderjährigen Migranten

Vor allem im Oberhaus war die Gesetzesvorlage auf Kritik gestoßen. Die Lords monierten, dass die Pflicht zur Abschiebung auch für begleitete und unbegleitete Minderjährige sowie Opfer von Sklaverei und Menschenhandel gelten soll. Nachdem das Unterhaus eine Reihe von Änderungswünschen des Oberhauses zurückwies, gaben die Lords schließlich ihren Widerstand mehrheitlich auf. Unter anderem auch deswegen, weil sie als ungewählte Parlamentarier nicht die Mehrheit der gewählten Unterhaus-Abgeordneten ignorieren könnten.

Das umstrittene Gesetz stößt auch international auf scharfe Kritik. Einen Tag nach der entscheidenden Sitzung des Oberhauses monierten der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, gemeinsam mit dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, in einer gemeinsamen Erklärung, das Gesetz stehe im Widerspruch zu den Verpflichtungen des Völkerrechts. "Diese neue Gesetzgebung untergräbt den Rechtsrahmen, der so viele Menschen geschützt hat erheblich und setzt Flüchtlinge unter Verletzung des Völkerrechts schwerwiegenden Risiken aus", verkündete Grandi. Türk warnte zudem vor einem "besorgniserregenden Präzedenzfall", dem auch andere Länder folgen könnten.

Auch die britische Aufsichtsbehörde für Menschenrechte übte scharfe Kritik am Gesetz. Das Vorhaben der Regierung riskiere einen Bruch internationaler Verpflichtungen, urteilte die Equality and Human Rights Commission (EHRC).

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Ob das Gesetz in Kraft treten kann, ist allerdings ungewiss. Bereits im vergangenen Jahr stoppte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte des Europarats in Straßburg eine geplante Abschiebung von Asylsuchenden verschiedener Nationalität nach Ruanda per einstweiliger Verfügung unter Verweis auf anhängige Klagen in Großbritannien. Das Vereinigte Königreich hatte mit dem ostafrikanischen Staat ein entsprechendes Abkommen geschlossen und eine Einmalzahlung von 163 Millionen Euro und weitere Zahlungen für jeden Abgeschobenen vereinbart.

Entscheidung liegt beim Gericht

Im Dezember 2022 entschied dann zwar der High Court in London die prinzipielle Rechtmäßigkeit solcher Abschiebungen, doch in der Berufungsinstanz entschieden die Richter Ende Juni 2023, dass Ruanda wegen Mängeln im dortigen Asylverfahren nicht als sicheres Drittland betrachtet werden könne. Das Gesetz liegt damit vorerst auf Eis.

Premierminister Sunak reagierte umgehend auf das Urteil und kündigte an, Berufung beim Supreme Court einlegen zu wollen. Und dies, obwohl er auf dem Standpunkt stehe, dass solche Entscheidungen nicht von Richtern, sondern von gewählten Volksvertretern getroffen werden sollten.