Katarina Barley im Kurzinterview : "Der Schaden ist gewaltig"
Nach Bestechungsvorwürfen gegen EU-Abgeordnete kündigt die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, eine umfassende Prüfung der Transparenzregeln an.

Katarina Barley (SPD) ist Vizepräsidentin des Europaparlaments. Im Interview kündigt sie Reformen an - darunter eine bessere Korruptionsprävention auch durch den Schutz von Hinweisgebern.
#1
Frau Barley, wie sehr schadet der Bestechungsskandal dem EU-Parlament?
Katarina Barley: Der Schaden ist gewaltig – für das Europaparlament, die EU, die Politik generell. Viele Menschen sehen sich in ihren Vorurteilen bestätigt. Das ist, was uns als Abgeordnete so wütend macht: Die Arbeit der Anständigen gerät mit in Verruf.
#2
Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat umfassende Reformen angekündigt.
Katarina Barley: Ja, wir haben zwar schon jetzt schärfere Transparenzregeln als zum Beispiel der Bundestag. Dennoch gehören sie komplett auf den Prüfstand. Wir sollten uns aber nichts vormachen: Wo kriminelle Energie am Werk ist, helfen keine Verhaltensvorschriften. Transparenz war im Fall Kaili auch nicht das Problem. Treffen mit Katarern hat sie nie verheimlicht.
#3
Drittstaaten-Kontakte sollen künftig meldepflichtig sein. Trotz der Aserbaidschan-Affäre im Europarat waren sie das bislang nicht. Warum?
Katarina Barley: Mit der Schaffung des Transparenzregisters sollte vor allem die gezielte Einflussnahme auf ein konkretes Gesetzgebungsvorhaben nachvollziehbar werden. Vertreter von Drittstaaten haben in der Regel eher diplomatische Interessen. Das Parlament hat dies bereits revidiert und eine Eintragungspflicht für Drittstaaten beschlossen.

#4
Transparency International kritisierte eine Kultur der „Straflosigkeit“: Die Einhaltung von Regeln werde im EU-Parlament nicht kontrolliert, Verstöße nicht geahndet. So machen zum Beispiel nicht alle Abgeordneten ihre Lobbytreffen öffentlich. Wird darauf der geplante unabhängige Ethikrat ein Auge haben?
Katarina Barley: Ja, er kann ein nützliches Instrument sein, um Verstöße früher aufzudecken. Für die Offenlegung von Kontakten gilt bislang grundsätzlich: Nur Funktionsträger wie Ausschussvorsitzende oder Berichterstatter müssten Kontakte angeben. Eine generelle Vorschrift für alle Abgeordneten gibt es nicht, auch weil dies dem Grundsatz des freien Mandats widersprechen könnte. Ich tue es dennoch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, etwa, wenn ein Gesprächspartner dadurch gefährdet würde. Ich hoffe, dass der Schock – wie damals im Europarat – heilsam ist und Veränderungen bewirkt. Es muss klar sein: Fehlverhalten hat harte Konsequenzen.
#5
Zur Korruptionsprävention gehört auch der Hinweisgeberschutz. Wie ist es darum im Europaparlament bestellt?
Katarina Barley: Bislang gibt es gemäß des Verhaltenskodexes, den alle Mitglieder des Parlaments unterschreiben müssen, einen Beirat aus fünf Abgeordneten. Dieser soll die Einhaltung der Verhaltensregeln überwachen und auch als Anlaufstelle bei Problemen fungieren. Aber einen echten, effektiven Whistleblower-Schutz gab es nicht. Doch er wird kommen. Das haben wir im Parlament entschieden.

Länder wie Katar und Marokko stehen im Verdacht, sich Einfluss im Europaparlament erkauft zu haben. Der Skandal stürzt die Volksvertretung in eine tiefe Krise.

Abgeordnete sollen außerdem ihre Nebeneinkünfte offenlegen. Die gesamte Arbeit des Parlaments zu Katar wird auf Eis gelegt.