Agentengesetz verabschiedet : EU warnt Georgien vor negativen Auswirkungen
Das Parlament in Georgien hat das „Ausländische-Agenten-Gesetz“ verabschiedet, durch das die Arbeit von Medien und NGOs erheblich erschwert wird.
Nach wochenlangen Protesten hat das georgische Parlament am Dienstag in dritter Lesung ein Gesetz angenommen, das Nichtregierungsorganisationen und Medien verpflichtet, sich als "Vertreter der Interessen einer fremden Macht" registrieren zu lassen, sofern sie mindestens zu einem Fünftel aus dem Ausland finanziert werden. Im Parlament in Tiflis kam es daraufhin zu einem Handgemenge. Draußen demonstrierten zigtausende Menschen gegen das Gesetz, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Bereits am vergangenen Wochenende waren landesweit etwa 400.000 Menschen auf die Straße gegangen, angesichts von etwa 3,5 Millionen Einwohnern eine erdrückende Menge.
Ungeachtet massiver Proteste hat das Parlament in Georgien das umstrittene Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" verabschiedet.
Nahezu einhellig warnten Wirtschaftsvertreter davor, das Gesetz zu beschließen, die Hochschulen schlossen sich an. Die Bevölkerung weiß, was auf dem Spiel steht: die EU-Mitgliedschaft Georgiens. Seit Jahren sind generationsübergreifend etwa 80 Prozent der Bevölkerung für einen Beitritt des Landes zur Europäischen Union und zur Nato. Beide Mitgliedschaftschaften sind zudem in der Verfassung verankert. "Dass die Regierung diesen präferierten Kurs der Gesellschaft so dramatisch Richtung Russland verändert, ist eine Katastrophe für das Land", sagt die Europaabgeordnete Viola von Cramon (Grüne).
Georgier nennen das Vorhaben "Russisches Gesetz"
Georgien war annähernd 200 Jahre unter der Kontrolle Moskaus. 2008 rollten zuletzt Panzer in Richtung Tiflis. Seitdem hält Russland mit den Separationsgebieten Abchasien und Südossetien de facto 20 Prozent des georgischen Staatsgebietes besetzt. Die aufgebrachten Menschen sehen ihre Sicherheit und ihre Unabhängigkeit in Gefahr. Die Georgier nennen das Vorhaben deshalb "Russisches Gesetz". Es ist die georgische Version eines Gesetzes, das in Russland seit 2012 massiven Anteil daran hat, die fragile Demokratie zu beseitigen.
Angesichts des immer deutlicher werdenden Einflusses Moskaus auf die Regierungspartei "Georgischer Traum" sprechen viele Georgier mittlerweile von der "Russischen Partei". Sie wird beherrscht von dem Multimilliardär Bidzina Iwanischwili, der sein Vermögen in den 1990er-Jahren in Russland gemacht hat. Er versprach zwar bisher, Georgien bis 2030 in die EU zu führen, hat aber alles dafür getan, um genau das zu verhindern. Unter seiner Führung wurde die Medienlandschaft in Georgien unter Kontrolle gebracht, wurden Kritiker diskreditiert und verfolgt. Er spricht davon, dass der Westen von fünf Familien beherrscht werde und eine "globale Kriegskoalition" Georgien vernichten wolle.
EU forderte Regierung zur Rücknahme des Gesetzes auf
Die Oppositionsabgeordnete Ana Natswilischwili von der liberalen Partei "Lelo für Georgien" bedankte sich bei der entscheidenden Parlamentssitzung bei den "freien, ehrenhaften und patriotischen Bürgern Georgiens". Sie hätten in den vergangenen Tagen "unermüdlich die Unabhängigkeit und die europäische Zukunft Georgiens verteidigt". Natswilischwili hatte sich eine georgische Fahne um die Schultern gelegt, ihre Stuhllehne war vom blauen Sternenbanner der EU bedeckt. Vertreter der Regierungspartei sprachen davon, dass die Opposition "Blutrache nehmen möchte".
Die Regierung wusste, was sie lostritt, sollte dieses Gesetz beschlossen werden. Josep Borell hat die politische Führung Georgiens unmissverständlich aufgefordert, das Gesetz zurückzuziehen. Es verstoße gegen Normen und Werte der EU und wirke sich negativ auf die Fortschritte Georgiens auf dem Weg in die EU aus, mahnte der stellvertretende Kommissionschef und Hohe Vertreter der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik.
Engagement der USA wackelt
Dass die Regierung trotz aller Warnungen das Gesetz derart durchgewunken hat, "hat Konsequenzen", sagte auch Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, bei einer Pressekonferenz in der deutschen Botschaft in Tiflis nach der Annahme des Gesetzes. Gemeinsam mit Parlamentariern aus vier anderen EU-Staaten war er in die georgische Hauptstadt gereist, um der Regierung zu verdeutlichen, was dieses Gesetz für die weiteren Beziehungen zur EU bedeutet: den Abschied von der EU-Mitgliedschaft.
SPD-Außenpolitiker Michael Roth reiste mit einer Delegation nach Georgien, um die Proteste zu unterstützen.
Die georgischen Politiker, die das Gesetz begrüßen, haben die Delegation nicht empfangen, auch nicht den Vertreter des US-Außenministeriums, James O'Brian. Der Staatssekretär für Europäische und Eurasische Angelegenheiten sprach von Sanktionen gegen Bidzina Iwanischwili und davon, dass jede Art der Verfolgung von Demonstranten nicht akzeptiert werde. Weiter wies er darauf hin, dass das Engagement der USA in Frage stehe, wenn Georgien in Zukunft "kein Partner mehr ist". Das würde massive Einschnitte in die wirtschaftliche Entwicklung bedeuten und auch die Sicherheit vor Russland gefährden.
Georgien hat im Dezember 2023 den Status des EU-Beitrittskandidaten erhalten, die Anforderungen dafür aber nicht ansatzweise erfüllt. Die EU-Kommission erklärte damals, sie schätze zwar die Zustimmung der Bevölkerung zur EU, erwarte jedoch, dass diese sich auch im Handeln der Regierung widerspiegelt. Die Regierung hat das alles ignoriert. Die Zivilgesellschaft, Korruptionsbekämpfung und Menschenrechte werden ihrerseits bekämpft.
Drohungen gegen Zivilgesellschaft
In den Straßen von Tiflis hingen bis vor wenigen Tagen Plakate mit den Gesichtern von Journalisten und Vertretern der Zivilgesellschaft. Sie sind mit Drohungen versehen: "Wir werden nicht zulassen, dass ihr unsere Heimat verkauft". Die Fotos sind durchgestrichen wie bei Steckbriefen, wenn der Verbrecher hinter Gitter gebracht ist. Organisiert wurde die Kampagne von der Jugendorganisation der Regierungspartei. Aktuell werden Hauseingänge und Autos von Journalisten und Bloggern mit "Verräter" und "Ausländischer Agent" beschmiert.
Konstant mahnen EU-Politiker und Beamte eine "Entoligarchisierung" der Gesellschaft an. Das zielt direkt auf die Regierungspartei "Georgischer Traum" und die graue Eminenz, Iwanischwili. "Der Vertrauensvorschuss ist ab dem heutigen Tag nichts mehr wert", sagte Michael Roth. Auch er brachte Sanktionen ins Gespräch: "Die Kommission sollte prüfen, welche Möglichkeiten sie hat."
Die Regierung Georgiens gefährdet die Chance auf einen EU-Beitritt des Landes. Die dritte Lesung des umstrittenen "Agentengesetzes" ist für Mitte Mai geplant.
Die Bevölkerung hofft auf einen EU-Beitritt des Landes. Den treibt die Regierung voran, doch zugleich setzt sie NGOs unter Druck und sucht die Nähe zu Russland.
Die Präsidentin Georgiens, Salome Surabischwili, hatte bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes angekündigt, von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen. Surabischwili ist die prominenteste Gegnerin der Regierung und die mächtigste Kämpferin für die EU- und Nato-Integration des Landes. Ihr Veto wird aber nicht viel bewirken. Die Regierungsfraktion kann den Einspruch der Präsidentin im Parlament überstimmen und hat ein solches Vorgehen auch bereits angekündigt.
Der Autor ist Osteuropa-Korrespondent.