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Einigung nach Nachtsitzung : Streit über Schulden und neue Stellen

Der EU-Haushalt für 2022 soll nach zähen Verhandlungen nun final verabschiedet werden. 170,6 Milliarden Euro kann die EU nun 2022 ausgeben.

22.11.2021
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4 Min

Nach wie immer zähen Verhandlungen und einer Nachtsitzung steht die Einigung über den Entwurf des EU-Haushalts für 2022. Eine Erleichterung nicht nur für EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn - er hätte einen neuen Entwurf vorlegen müssen, wenn die Verhandlungen zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten, EU-Kommission und Europaparlament gescheitert wären.

Bis zur sprichwörtlich letzten Minute hatten die Unterhändler der drei EU-Institutionen darüber gestritten, wie hoch das Budget ausfallen soll. Am 15. November um Mitternacht lief die gesetzlich vorgegebene Frist für die Einigung ab. Nur eine Minute zuvor verbreitete die slowenische Ratspräsidentschaft die Nachricht, der Haushalt stehe.

Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Die EU kann 2022 knapp 171 Milliarden Euro ausgeben, deutlich mehr als ursprünglich geplant. Der Haushalt des EU-Parlaments wird bald finalisiert.

170,6 Milliarden Euro kann die EU nun 2022 ausgeben. Das sind rund 4,5 Milliarden Euro mehr, als ursprünglich im mehrjährigen Haushalt von 2021 bis 2027 vorgesehen. Die Höhe der Gelder, die die EU für Mehrjahresprogramme oder erst später zu realisierende Projekte zusagen kann, liegt mit 169,5 Milliarden Euro leicht darunter.

Rückstau von Zahlungen beläuft sich auf 300 Milliarden Euro

Der EU-Haushalt besteht jedes Jahr faktisch aus zwei Budgets: eines für die im Jahr selbst anfallenden Ausgaben (Zahlungen) und eines für die Planung von Projekten oder Programmen, die teilweise erst Jahre später bezahlt werden müssen (Verpflichtungen).

Weil die Mitgliedstaaten sich teilweise schwer damit tun, die ihnen zugesagten Gelder abzurufen, gibt es auch in diesem Jahr wieder einen Rückstau von Zahlungen, der sich inzwischen auf stolze 300 Milliarden Euro beläuft. Sie müssen irgendwann im Rahmen der alljährlichen Ausgaben ausgezahlt werden; dass die lange Zahlungsfrist abläuft, passiert so gut wie nie.

Die Beteiligten feierten den Haushalts-Kompromiss vergangene Woche als gute Basis für den Wiederaufbau nach der Corona-Krise und die Finanzierung der Ziele in der Klima- und Digitalpolitik. Das Budget werde "den Wiederaufbau und den Umbau der Wirtschaft zum Nutzen aller unterstützen", sagte Kommissar Hahn. 50 Milliarden Euro würden in den Wiederaufbau fließen, rechnete er vor. Auf diesen Wert kommt er indes nur, weil er dabei die klassischen Strukturfördertöpfe einberechnet.

Zwei Reizthemen sorgten für Zwist

Nüchtern betrachtet wird das EU-Budget von zwei sehr traditionellen Posten bestimmt. Je ein Drittel fließt in die Agrarpolitik - davon 80 Prozent als direkte Subventionen an die Landwirte - und die klassische Strukturförderung. Das restliche Geld verteilt sich auf Posten wie die Nachbarschaftspolitik (13 Milliarden Euro), Grenzschutz und Migration (drei Milliarden Euro), die Sicherheitspolitik (1,2 Milliarden) und die Verwaltung (10,5 Milliarden Euro). Für tatsächlich zukunftsgerichtete Politikfelder wie die Forschung sind nur zwölf Milliarden Euro vorgesehen, für den "Übergangsfonds" in eine klimaneutrale Wirtschaft etwas mehr als eine Milliarde Euro und für die Gesundheitspolitik weniger als eine Milliarde. Bei letzterer sind ihre Kompetenzen allerdings auch beschränkt.

Ohne Konflikte gingen die Haushaltsverhandlungen wie üblich nicht über die Bühne: Bei den Ausgaben wollten die EU-Staaten das Budget auf 170 Milliarden Euro beschränken, das Parlament hatte 172,5 Milliarden Euro gefordert. Letztlich stritten beide darüber, ob einzelne Programme um Summen im maximal niedrigen dreistelligen Millionenbereich aufgestockt werden. Besonders erschwert wurde die Einigung durch zwei andere Reizthemen. So wollten die Staaten gerne endgültig festschreiben, wie die EU mit dem Geld umgehen soll, dass für die Zinszahlungen der Schulden aus dem Corona-Aufbaufonds vorgesehen ist. Sollte das nicht in voller Höhe benötigt werden, sollte es nach dem Willen der Staaten für die Tilgung der Schulden genutzt werden. Das Parlament hätte es gern für andere Dinge eingesetzt. Am Ende setzten sich die Staaten durch.

Kompromiss ist nicht ernsthaft gefährdet

Das Parlament wiederum hat 322 neue Stellen für sich erkämpft. Mit ihnen will es neue Ausschüsse, etwa für die Kontrolle der Ausgaben des Corona-Fonds oder die Krebspolitik, besetzen. Es geht dabei gar nicht um so viel Geld. Neue Stellen zu schaffen, ist aber für die sich gerne als die "Sparsamen" bezeichnenden kleineren Beitragszahler wie die Niederlande politisch heikel, weil es dort viel Kritik an der angeblich aufgeblähten EU-Verwaltung gibt.

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Der Unmut über die Entscheidung ist bis heute groß. Die Niederlande, Belgien, die skandinavischen Staaten und Irland werfen der Bundesregierung vor, dem Parlament zu sehr entgegengekommen zu sein. Sie hätten den überforderten Slowenen das "Ruder aus der Hand" genommen und durch die Bezahlung der Wünsche des Parlaments eine schnelle Einigung ermöglicht.

Die deutsche Seite sieht das selbstredend anders. Am Ende der Verhandlungen hätten sich nur Schweden und Dänen kritisch zu den Stellen geäußert und alle Staaten zugestimmt, heißt es von dort. Dass die Bundesregierung sich in den Verhandlungen stark engagiert hat, liegt schon darin begründet, dass Deutschland als größter Nettozahler mehr als ein Fünftel der Mittel des EU-Haushalts finanziert.

Ensthaft gefährdet ist der Kompromiss trotz der aller Dissonanzen wohl nicht. Schon in dieser Woche will das EU-Parlament den Budgetbeschluss endgültig annehmen.

Der Autor ist Korrespondent der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in Brüssel.