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Das EU-Parlament in Straßburg soll im kommenden Jahr neu gewählt werden.

Reform der Europawahlen : Widerstände gegen EU-Wahlrechtsreform

Eine Umsetzung der Vorschläge des EU-Parlaments noch vor den Europawahlen 2024 ist unwahrscheinlich - auch ein einheitlicher Wahltag ist manchen Ländern suspekt.

03.04.2023
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3 Min

Seit fast einem Jahr liegt der Vorschlag des Europäischen Parlaments (EP) für eine Reform der Europawahlen auf dem Tisch. Mit dem sogenannten Direktwahlakt 2022 wollen die Abgeordneten das Spitzenkandidatenprinzip stärken und eine 3,5-Prozent-Hürde in den bevölkerungsreichsten EU-Staaten einführen. Sie wollen transnationale Listen schaffen, auf denen Kandidatinnen und Kandidaten europaweit für eine EP-Fraktion ins Rennen gehen, und einen in allen Ländern einheitlichen Wahltag am 9. Mai festlegen. Sie fordern eine europaweite Absenkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre (in Deutschland bereits Realität) und eine geschlechterparitätische Besetzung von Wahllisten.

Kritik an europaweiten Listen und Prozenthürde

Doch nach einer Umsetzung bis zur Europawahl im kommenden Jahr sieht es bisher nicht aus. Denn in vielen Mitgliedsländern, darunter Schweden, Dänemark und die Niederlande, stoßen die Vorschläge auf Widerstand. Viele sind gegen europaweite Listen, einige opponieren gegen die Einführung einer Prozenthürde, da sie Vertreter kleiner Parteien um ihre Mandate bringen könnte. Selbst ein einheitlicher Wahltag ist manchen suspekt, da in vielen Ländern Wahlen bevorzugt an einem Sonntag stattfinden. Eine baldige Umsetzung scheint so kaum wahrscheinlich. Zumal alle 27 EU-Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union zustimmen müssen und die Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente notwendig ist.


„Regionale Wählerbündnisse sind also komplett abgemeldet.“
Norbert Kleinwächter (AfD)

Auch im Bundestag gehen die Meinungen auseinander. Vergangene Woche haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie die AfD-Fraktion Anträge vorgelegt, die gegensätzlicher kaum sein könnten: Während die einen (Ampelfraktionen) von der Bundesregierung fordern, dass sie die Vorschläge trotz Klärungsbedarfs in Einzelfragen unterstützt, sprechen sich andere (AfD, aber auch Die Linke) dagegen aus. "Das EU-Parlament tritt die Demokratie mit Füßen, und Sie von der Ampel rufen mit Ihrem Antrag auch noch ganz laut 'Ja' dazu", urteilte Norbert Kleinwächter (AfD) in der Debatte am Donnerstagabend. Unter anderem solle der Wähler auf transnationalen Listen künftig "Kandidaten wählen, die er gar nicht mehr kennt". Zudem solle außer EU-weit repräsentierten Parteien keine Partei mehr Wahlkampfunterstützung erhalten. "Regionale Wählerbündnisse sind also komplett abgemeldet."

Für die Linksfraktion betonte Andrej Hunko in seiner zur Protokoll gegebenen Rede, Neuerungen wie die Absenkung des Wahlalters seien zwar "höchste Zeit". Doch sei die Einführung einer 3,5-Prozent-Sperrklausel "demokratiefeindlich und auch verfassungswidrig".

Die Höhe der Sperrklausel bleibt umstritten

Zweifel in diesem Punkt haben offenbar auch die Ampelfraktionen: In ihrem Antrag fordern sie die Absenkung der Sperrklausel auf zwei Prozent. Für Catarina dos Santos-Wintz (CDU) der falsche Schritt: "Eine Sperrklausel wirkt auch einer zunehmenden Fragmentierung entgegen und fördert das Vertrauen." Sie sollte daher nicht verwässert werden. Die Union kündigte trotz großer Zustimmung in wesentlichen Punkten an, den Koalitionsantrag abzulehnen. "Sie hätten die Chance auf Gemeinsamkeit gehabt", stellte Tobias Winkler (CSU) mit Verweis auf einen von der Union bereits im Herbst 2022 vorgelegten Gesetzentwurf "zur Änderung des Europawahlgesetzes" klar. "Der wurde einfach von der Tagesordnung genommen." Außerdem habe die Bundesregierung einen bereits 2018 EU-weit gefassten Beschluss zum Direktwahlakt verschleppt.

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Darauf ging auch Valentin Abel (FDP) selbstkritisch ein. Er versicherte, die Koalition wolle parallel zu der Stellungnahme zum Direktwahlakt 2022 auch die Ratifizierung des Direktwahlakts 2018 durch Deutschland vorantreiben.

Chantal Kopf (Bündnis 90/Die Grünen) lud die Union zur Zusammenarbeit ein. "Schließlich hat die EVP-Fraktion im Europaparlament ja dem neuen Reformvorschlag auch zugestimmt", erinnerte sie. Jörg Nürnberger (SPD) warf der Union eine "Politik der beleidigten Leberwurst" vor, und äußerte die Hoffnung, nach den parlamentarischen Beratungen "doch noch ein gemeinsames Signal an unsere Bundesregierung und damit auch nach Brüssel senden zu können".