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Eisengitterzaun als Antwort : Wie Belarus Polen unter Druck setzt

Der löchrige Grenzzaun zu Polen kommt Präsident Putin politisch gelegen. Die neue Route kann als Mittel der hybriden Kriegsführung gesehen werden.

14.08.2023
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4 Min

Das Behörden-Video wirkt bedrohlich: Grenzschützer marschieren an einem hohen Metallzaun entlang, als plötzlich durch die Gitterstäbe aus Belarus eine Rauchbombe auf sie geworfen wird. Am Tag danach berichtet der Polnische Grenzschutz auf Twitter von einem verhinderten Massenversuch, illegal die Grenze nach Polen zu überqueren. 25 Bürger afrikanischer und arabischer Staaten sollen es gewesen sein, die es bei Mielnik, unweit des Grenzflusses Bug versuchten.

Seit Beginn des Jahres 2023 ist die Zahl der Fluchtversuche nach Polen stark gestiegen.   Foto: picture-alliance/dpa/BelTA/Leonid Shcheglov

In der Vorwoche wurden laut offiziellen Angaben 186 Bürger aus afrikanischen Staaten, dem Iran und Indien am Versuch gehindert, illegal aus Belarus nach Polen zu gelangen. An manchen Tagen sind es noch mehr, nur an wenigen Tagen sind es weniger als hundert. Wie viele es an jenem Tag der Rauchbomben über den 5,5 Meter hohen Metallzaun oder durch die Fluten des Bug geschafft haben, ist nicht bekannt. Festgenommen wurde auch ein ukrainischer Schlepper, der zwei Flüchtlinge weitertransportieren wollte.

Erfahrungsgemäß haben die meisten Flüchtlinge nicht vor, in Polen zu bleiben. Sie wollen nach Deutschland oder Skandinavien. Polen ist für sie nur Transitland. Die europaweit vergleichsweise wenig genutzte Fluchtroute über den Flughafen in der belarussischen Hauptstadt Minsk gilt als sicherer als die Flucht übers Mittelmeer und die Balkanroute. Humanitäre Organisationen schätzen, dass seit Beginn der polnisch-belarussischen Flüchtlingskrise vor zwei Jahren rund 220 Personen beim Fluchtversuch von Belarus nach Polen gestorben sind. Es handelt sich dabei meist um entkräftete Flüchtlinge aus Arabien oder Afrika, die sich vor allem in den Wintermonaten in den Wäldern und Sümpfen beiderseits der Grenze verirrten und erfroren oder verhungerten.

Politische Gründe für umstrittene Pushbacks

Die meisten Migranten versuchen diese beiderseits gut bewachte Grenze in mehreren Anläufen zu überqueren. Nach Pushback-Aktionen der polnischen Grenzschützer geben nur die wenigsten auf. Sie selbst oder ihre Schlepper bezahlen meist die belarussischen Grenzschützer und erhalten nicht selten Hilfeleistungen beim Überwinden des Zauns.

2023 versuchen es wieder deutlich mehr Flüchtlinge. Hatte es 2022 laut Angaben des polnischen Grenzschutzes 15.700 verhinderte Einreiseversuche aus Belarus gegeben, so haben alleine in den ersten sechs Monaten dieses Jahres schon knapp 14.000 Flüchtlinge versucht über die so genannte "Belarus-Route" nach Polen zu gelangen und wurden dabei vom Grenzschutz abgefangen. Besonders angestiegen ist die Zahl seit Mai.

"Warschau will den Versuch der autokratischen Regime in Minsk und Moskau unterbinden, diese neue Flüchtlingsroute als Mittel hybrider Kriegsführung gegen Polen und den gesamten Westen zu missbrauchen."

Nur wenige dieser Flüchtlinge werden in Polen in ein Asylverfahren eingebunden oder nach einer schweren Verletzung in eine Klinik gebracht, wie vor wenigen Wochen eine Syrerin, die sich beim Sprung über den Metallzaun in der Nähe von Hajnowka im Bialowieza-Urwald das Bein gebrochen hatte. Die meisten Flüchtlinge werden stattdessen nach Belarus gedrängt. So in diesem Falle auch die 17-jährige Tochter der Syrerin.

Die gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 umstrittenen Pushbacks haben vor allem politische Gründe. Es geht dabei nicht um anti-islamische Beweggründe. Warschau will damit vielmehr den Versuch der autokratischen Regime in Minsk und Moskau unterbinden, diese neue Flüchtlingsroute als Mittel hybrider Kriegsführung gegen Polen und den gesamten Westen zu missbrauchen.

Während der Proteste in Belarus in 2020 noch keine "Belarus-Flüchtlingsroute"

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor anderthalb Jahren hat sich die Situation an Polens Ostgrenze noch einmal zugespitzt. Die "Belarus-Route" befindet sich heute nicht nur an der EU-Außengrenze, sondern an der Grenze zwischen Nato und dem Verteidigungsbündnis zwischen Russland und Belarus. Vor drei Jahren, während der großen Proteste in Belarus ab dem 9. August 2020, gab es noch keine "Belarus-Flüchtlingsroute". Nach der brutalen Niederschlagung des Volksaufstands mit Moskauer Hilfe hatten Polen und Litauen der demokratischen Opposition rund um die mutmaßliche Wahlsiegerin Switlana Tichanowska politisches Asyl gewährt.

Als Rache drohte der belarussische Autokrat Alexander Lukaschenko, seine Grenzen nicht mehr zu bewachen und Migranten den freien Durchzug zu gewähren. Minsk stellte daraufhin massenweise Visen vor allem für irakische, syrische und afghanische Bürger aus und half ihnen, an die Grenzen von Litauen, Lettland und Polen zu gelangen.

Im August 2021 kam zuerst das kleine Litauen unter einen massiven Flüchtlingsdruck, im November 2021 hatten viele davon Polen erreicht. Die Regierung verhängte den Ausnahmezustand über die Grenzregion, Pressevertreter hatten keinen Zugang mehr, während Lukaschenko auf seiner Seite TV-Teams einlud. Bei Bialostocka kam es zu live übertragenen Ausschreitungen von rund 4000 Flüchtlingen gegen Grenzbeamte. Dabei wurden sieben Funktionäre durch Pflastersteinwürfe verletzt.

Befürchtungen wegen Verlegung von "Wagner"-Söldnern

Die Regierung in Warschau schloss in der Folge alle Grenzübergänge bis auf einen und gab den Bau eines Grenzzauns in Auftrag. Bis Sommer 2022 wurden 186 Kilometer massiver Eisengitterzaun gebaut, elektronisch gesichert und mit Stacheldraht verstärkt.

Verschärft hat sich die Situation jüngst, nachdem Lukaschenko die "Wagner"-Söldner des langjährigen Putin-Freundes Jewgeni Prigoschin nach Belarus eingeladen hat. Rund 1.000 russische Söldner sind inzwischen 90 Kilometer südöstlich von Minsk eingetroffen. Warschau befürchtet, dass ein Teil dieser kampferprobten Söldner an die Grenze verlegt werden könnte. "Die Lage an der Grenze (zu Belarus) ist sehr angespannt, es muss mit Provokationen gerechnet werden", warnte bereits Ende Juni Polens Innenminister Mariusz Kaminski im Staatsfernsehen "TVP Info". Die liberale und linke Opposition wirft der Regierung vor, selbst die Lage anzuheizen, um erneut einen Ausnahmezustand, diesmal gleich über ganz Polen, auszurufen, um damit die Parlamentswahlen im Herbst zu verhindern.

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Die Flüchtlinge aus Afrika, Arabien und Indien wird diese politische Gemengelage indes nicht von einem Transitversuch über Polen nach Westeuropa abhalten. "Es kommen immer größere und aggressivere Migranten-Gruppen an, die klar von den belarussischen Geheimdiensten gesteuert und unterstützt werden", klagte jüngst Anna Michalska, die Pressesprecherin des Polnischen Grenzschutzes.

Der Autor ist freier Journalist in Polen.