Präsidentenwahl : Wieder liegt in Rumänien ein Rechtsextremist vorn
Am 4. Mai wird in Rumänien die vom Verfassungsgericht annullierte Präsidentschaftswahl wiederholt. Aussichtsreichster Kandidat ist der Rechtsextremist George Simion.
Die Mottos der aussichtsreichsten Kandidaten im Kampf um das wichtige Präsidentenamt gleichen sich: „Rumänien zuerst!“, „Rumänien vorwärts!“ und „Ehrliches Rumänien“ lauten sie. „Demokratie!“ indes fordert ausgerechnet jener Kandidat, den die Politologen als größte Gefahr für eben diese beschreiben. George Simion heißt der umstrittene Politiker, der das rechts-nationale Lager in Rumänien hinter sich geschart hat.

Will mit antieuropäischem Kurs rumänischer Präsident werden: Der rechtsextreme Politiker George Simion, hier bei einer Rede im März in Bukarest.
Der erst 38-jährige Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei „Allianz für die Vereinigung aller Rumänen“ (AUR) hat mit seinen schwülstigen, patriotischen Auftritten bereits bei den Parlamentswahlen vor einem halben Jahr die politische Landschaft des östlichen EU-Landes aufgewirbelt. Die AUR konnte ihre Stimmen verdoppeln uns als Siegerin ins Ziel gehen. Nun ist Simion auf dem besten Wege, diesen Erfolg auch bei den Präsidentenwahlen am 4. Mai zu wiederholen. Umfragen zufolge hat er von den insgesamt elf Kandidaten die größte Chance, auch die für den 18. Mai geplante Stichwahl für sich zu entscheiden und Präsident zu werden.
Gewinn des rechtsextremen Georgescu löste politisches Erdbeben aus
Simion profitiert vom Ausschluss des pro-russischen Wahlsiegers der annullierten ersten Runde der Präsidentenwahl vom 24. November 2024. Diese hatte der als rechtsextremer Außenseiter gehandelte Călin Georgescu völlig überraschend für sich entschieden. Der parteilose Politikneuling konnte damals mit einem isolationistischen Anti-Nato- und Anti-EU-Kurs, für den er vor allem auf TikTok-Kurzvideos geworben hatte, 23 Prozent der Stimmen gewinnen.
In der Stichwahl sollte Georgescu im Dezember 2024 auf die zweitplatzierte Elena Lasconi von der liberalen Reformpartei „Union zur Errettung Rumäniens“ (USR) treffen. Doch zwei Tage vor dem entscheidenden Wahlgang annullierte das rumänische Verfassungsgericht am 6. Dezember 2024 die Wahlen wegen mutmaßlicher Einflussnahme aus Russland und stürzte Rumänien damit in seine bisher größte politische Krise seit der Revolution 1989, bei der der kommunistischen Diktator Nicolae Ceausescu entmachtet wurde.
Nach der annullierten Wahl kam es in Rumänien landesweit zu Protesten
Viele Rumäninnen und Rumänen empfanden die Entscheidung des Gerichts als antidemokratisch. Das EU-skeptische Lager organisierte daraufhin landesweite, teils gewalttätige Proteste. Diese spitzten sich im März zu, nachdem Georgescu für den nun anstehenden, neu angesetzten Wahlgang nicht mehr registriert wurde. Zuvor hatte die rumänische Wahlkommission schon die rechtsextreme Europaparlamentsabgeordnete Diana Șoșoacă von der Teilnahme ausgeschlossen. Zehntausende gingen in der rumänischen Hauptstadt Bukarest auf die Straße.
Im März zog auch die Chefin der AUR-Abspaltung „Partei der jungen Leute“, Anamarie Gavrilă, ihre Kandidatur zugunsten von Simion zurück. An den Präsidentschaftswahlen im November war er bereits angetreten, hatte aber den Einzug in die Stichwahl verpasst. Nun scheint ein Wahlsieg Simions als höchstwahrscheinlich. In seinem Wahlprogramm lehnt der erklärte Anhänger des US-Präsidenten Donald Trump Militärhilfe an die Ukraine ab, äußert sich aber nicht mehr offen pro-russisch.

Unterstützung vom Sieger des ersten, später annullierten Wahlgangs: Călin Georgescu (links) schüttelt George Simion bei einer Demonstration in Bukarest im März die Hand.
Vor allem um den zweiten Platz und damit den Einzug in die zwei Wochen später angesetzte Stichwahl wird in dem von Skandalen und Intrigen überschatteten Wahlkampf deshalb heftig gerungen. Drei Kandidaten können sich Chancen ausrechnen.
Da ist zum einen Viktor Ponta, der von 2012 bis 2015 sozialdemokratischer Premier war und wegen Korruptionsskandalen zurücktreten musste. In die Präsidentschaftswahlen zieht er nun als unabhängiger Kandidat. Ponta wird allerdings vorgeworfen, als Premier 2014 die serbische Hauptstadt Belgrad vor einer Überschwemmung bewahrt haben, indem er das Hochwasser der Donau umleitete. Mehrere rumänische Dörfer wurden überflutet. Verweise auf internationale Hochwasserschutzabkommen aus jugoslawischer Zeit nutzten dem Juristen Ponta in dem vor allem im Internet ausgetragenen rumänischen Wahlkampf wenig – seine Umfragewerte brachen ein.
Skandale überschatten den Wahlkampf um die Präsidentschaft
Auch seine beiden Hauptkonkurrenten für den Einzug in die Stichwahl, der unabhängige Bukarester Oberbürgermeister Nicuşor Dan und der von der Regierungskoalition vorgeschlagene Crin Antonescu, haben mit Skandalen zu kämpfen, die sie Stimmen kosten dürften. Der konservative Historiker Antonescu, der 2012 für ein paar Monate vorübergehend die Amtsgeschäfte des Staatspräsidenten führte und für einen pro-europäischen Kurs steht, soll mit dem kommunistischen Geheimdienst „Securitate“ zusammengearbeitet haben. Antonescu bestreitet dies jedoch vehement.
Dem liberalen und ebenfalls pro-europäische Nicuşor Dan wird in rumänischen Medien vorgeworfen, seine Wahlkampfkasse mit Geldern unklarer Herkunft zu füllen und den Bürgermeisterdienstwagen für Wahlkampfauftritte zu missbrauchen. Beides weist der einstige Anti-Korruptionsaktivist zurück. Doch der Mathematiker hat das regierungsferne, liberalen Reformlager Rumäniens gegen sich aufgebracht, indem er mit seiner überraschenden Kandidatur seiner einstigen Parteikollegin Elena Lasconi (USR) Konkurrenz macht. Dan hatte die Partei vor zehn Jahren mitbegründet, war aber zwei Jahre später nach internen Streitigkeiten wieder ausgetreten.
Liberale Kandidatin Lasconi weit abgeschlagen
Die frühere Journalistin Lasconi war die einzige Frau im Rennen um das höchste Staatsamt. Doch nachdem ihr die eigene Partei zugunsten von Dan die Unterstützung entzogen hat, liegt sie in Umfragen zurück. Dan bekommt drei- bis viermal mehr Zustimmung. Für Lasconi ist dies besonders bitter, da sie bei der später annullierten ersten Runde der Präsidentschaftswahl vom 24. November in die Stichwahl gekommen wäre.
Die jüngsten Umfragen des Meinungsforschungsinstituts AtlasIntel sehen Simion bei 33 Prozent. Antonescu und der Dan kommen beide auf je 23 Prozent. Ponta liegt abgeschlagen bei zehn Prozent, Lasconi nur bei 5,5 Prozent. Umfragen indes gelten in Rumänien als besonders unsicher. Ein Großteil der Wählerinnen und Wähler ist zudem noch unentschlossen. Überraschungen, das hat Georgescus Wahlsieg gezeigt, sind möglich.
Paul Flückiger ist freier Osteuropakorrespondent und lebt in Warschau.
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