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Von Deutschland bis Moldau: Vor allem in Europa stehen in 2025 eine Reihe von Wahlen an.

Wahljahr 2025 : In Europa stehen Richtungsentscheidungen an

In vielen europäischen Ländern stehen richtungsweisende Wahlen an. Die Ukraine, russische Desinformation und das Erstarken der Ränder sind die dominierenden Themen.

09.01.2025
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5 Min

Hierzulande richten sich die Blicke ganz auf den 23. Februar: Dann nämlich sind die Wahlberechtigten in Deutschland aufgerufen, nach dem Ampel-Aus und der verlorenen Vertrauensfrage für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen neuen Bundestag zu wählen. Wie sehr diese Abstimmung auch international im Fokus steht, zeigen Einmischungen wie die des Tech-Entrepreneurs und Trump-Verbündeten Elon Musk in den deutschen Wahlkampf und das weltweite mediale Echo darauf. Befürchtet werden andererseits klandestine Einmischungsversuche Russlands zur Unterstützung von Parteien, die für prorussische Positionen stehen. 

So wichtig diese Wahl für Deutschland und als größte Volkswirtschaft Europas auch für die EU ist, in die Wahlkabinen gebeten werden Bürgerinnen und Bürger auch in einer ganzen Reihe von Ländern des Kontinents: Wie auch in Deutschland ziehen sich dort Sorgen vor einem Erstarken der politischen Ränder und die Frage des Beistands für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland wie ein roter Faden durch die Wahlkämpfe. 

Präsidentschaftswahlen in Kroatien und Polen stehen an

Los geht es bereits am 12. Januar mit der Stichwahl um das kroatische Präsidentenamt: Beim ersten Wahlgang am 29. Dezember verfehlte der für ein Wahlbündnis der Sozialdemokraten erneut ins Rennen gehende Amtsinhaber und frühere Premierminister Zoran Milanović mit 49,1 Prozent knapp die absolute Mehrheit. Milanović hat sich mehrfach gegen die Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg gestellt. Auf dem zweiten Platz landete im ersten Wahlgang mit 19,4 Prozent der Mediziner und frühere Wissenschaftsminister Dragan Primorac. Er tritt für ein konservatives Wahlbündnis rund um die HDZ-Partei an, die seit 2016 den Premierminister stellt und sich klar zur Unterstützung der Ukraine bekennt. 

Ebenfalls um das Präsidentenamt geht es in den Abstimmungen in Polen und in Rumänien: In beiden Ländern können die Amtsinhaber nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten, im Falle Rumäniens ist das der Liberal-Konservative Klaus Johannis, im Falle Polens ist es Andrzej Duda, der der bis 2023 regierenden nationalkonservativen PiS-Partei nahesteht. Zur Wahl stehen im Mai nun zwölf Kandidatinnen und Kandidaten aus dem ganzen politischen Spektrum Polens. Erfolgsaussichten werden zum einen Rafał Trzaskowski eingeräumt, der Bürgermeister von Warschau ist und für die christdemokratisch-liberale Bürgerplattform (PO) des Regierungsbündnisses von Premier Donald Tusk antritt und zum anderen dem parteilosen Historiker Karol Nawrocki, den die PiS als Kandidaten aufgestellt hat. 

Im Gegensatz zu manch anderen europäischen Ländern verlaufen die politischen Gräben in Warschau nicht entlang der Ukraine-Frage: Sowohl PO wie auch PiS bekennen sich klar zur Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes. Polen gilt in der EU und der Nato als Antreiber für mehr Rüstungsanstrengung und für ein wirksames Eindämmen russischen Ausgreifens in Europa durch Abschreckung. 

Nach den Wahleinmischungs-Vorwürfen: Erneute Präsidentschaftswahlen in Rumänien

Bestärken dürfte diese polnische Entschlossenheit als jüngstes Beispiel eine mutmaßlich russische Wahleinmischung in Rumänien. Dort werden voraussichtlich im Mai erneut Präsidentschaftswahlen stattfinden, nachdem das Verfassungsgericht den ersten Wahlgang im Dezember 2024 wegen eines „aggressiven russischen hybriden Angriffs“ annulliert hat. Bei der Abstimmung im November 2024 war der als rechtsextrem kritisierte und durch prorussische Positionen bekannt gewordene Kandidat Călin Georgescu auf den ersten, die zentristische, EU-freundliche Kandidatin Elena Lasconi auf den zweiten Platz gekommen.

Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

In Rumänien werden voraussichtlich im Mai Neuwahlen stattfinden, nachdem das Wahlergebnis im vergangenen Spätherbst vom Obersten Gericht Rumäniens für ungültig erklärt worden war.

Der „Oberste Rat für Landesverteidigung“, ein Gremium, dem neben Präsidenten, Premier und Minister auch Vertreter von Militär und Geheimdiensten angehören, hatte zuvor auf eine Verzerrung des Wahlergebnisses durch die Plattform TikTok zugunsten Georgescus verwiesen.

Tschechien und Norwegen wählen ein neues Parlament

Auch in Tschechien spielt die Frage der Beziehungen zur Ukraine und die Bewertung Russlands eine wichtige Rolle: Bei der Abgeordnetenhauswahl im Oktober könnte Ex-Premier Andrej Babiš vor einem Comeback stehen. Die auf ihn zugeschnittene Anti-Establishment-Partei ANO liegt in Umfragen derzeit vor der liberal-konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Premierminister Petr Fiala. Der klare tschechische Unterstützungskurs für die Ukraine steht in Frage, wenn Babiš die Rückkehr in die Straka-Akademie, den Regierungssitz auf der Prager Kleinseite, gelingen würde. Der Unternehmer dürfte sich eher in der Achse EU-skeptischen Regierungschefs wie Viktor Orban in Ungarn und Robert Fico in der Slowakei einreihen. 

Ob die europaweit zu beobachtende Stärkung des rechten Randes auch Norwegen erreicht, wird sich im Oktober zeigen: Bei der Wahl des 169 Sitze zählenden Stortings wird auch über die Arbeit von Jonas Gahr Støres Minderheitsregierung von Sozialdemokraten und Zentrumspartei abgestimmt. Die weit rechts stehende Fortschrittspartei könnte erstmals stärkste Kraft werden, Chancen rechnen sich aber auch die Konservativen um die Ex-Ministerpräsidentin Erna Solberg aus.

Westlicher Balkan: Die Menschen im Kosovo und Albanien treten an die Wahlurnen

Parlamentswahlen stehen im westlichen Balkan auf dem Plan: Im Kosovo will die linke „Bewegung Selbstbestimmung!“ erneut eine Mehrheit der Stimmen holen und damit Premierminister Albin Kurti im Amt bestätigen. Ein vergleichbares Bild ergibt sich im Nachbarland Albanien, wo die Partia Socialiste des seit 2013 regierenden Premierministers Edi Rama sich Chancen gegen die zweite große Partei des Landes, die konservative Demokratische Partei, ausrechnet. 

Belarus: Ein siebtes Mal Lukaschenko?

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Am 26. Januar will sich Aljaksandr Lukaschenka zum mittlerweile siebenten Mal zum Präsidenten von Belarus wählen lassen: Nach der letzten Abstimmung 2020 kam es in dem Land zu anhaltenden Protesten und Wahlmanipulationsvorwürfen durch die Opposition. Mehrere tausend Demonstranten wurden festgenommen, Hunderte durch Lukaschenkas Polizei- und Sicherheitsapparat verletzt oder getötet, die Oppositionskandidatin Swjatlana Zichanouskaja floh ins Exil nach Litauen. Sie bezeichnet die nun geplante Abstimmung als „Scheinwahl ohne wirklichen Wahlprozess, die in einer Atmosphäre des Terrors stattfindet“.

Der 70-jährige Lukaschenka ist seit 1994 im Amt. Er gilt als enger Verbündeter von Russlands Präsident Wladimir Putin und hat sein Land mit der logistischen Unterstützung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine noch weiter in die politische Abhängigkeit vom Kreml manövriert. 

Parlamentswahlen in Moldau: Setzt sich der proeuropäische Kurs durch?

Anders die Situation in der Republik Moldau: Dort fiel das Referendum über den Beitritt zur Europäischen Union im Herbst 2024 mit 50,4 Prozent zugunsten des „Ja“-Lagers sehr knapp aus. In der von Manipulationsvorwürfen gegen Russland überschatteten Präsidentschaftswahl konnte sich die proeuropäische Amtsinhaberin Maia Sandu im November gegen den Kandidaten des prorussischen Lagers durchsetzen. 

Ob das ihrer liberalen PAS-Partei auch gelingt, wird sich bei den im Oktober anstehenden Parlamentswahlen zeigen. In Umfragen der vergangenen Monate pendelte die Regierungspartei im Schnitt um die 40-Prozent-Marke, während der EU-kritische und prorussische „Block der Kommunisten und Sozialisten“ etwa auf die Hälfte davon kommt. 

Auch außerhalb Europas stehen wichtige Wahlen an

Wahlen stehen zudem außerhalb Europas auf dem Programm, darunter die Parlamentswahlen in Australien und auf den Philippinen im Mai und jene in Argentinien und Chile im Herbst. 

Noch ohne festen Termin sind Parlamentswahlen unter anderem im Irak und in Singapur. Spätestens im Oktober finden in Kanada Unterhauswahlen statt. Für die seit 2015 regierenden Liberalen mit Premier Justin Trudeau ist nach dessen jüngster Rückzugsankündigung eine Wiederwahl noch ungewisser als bisher. In den Umfragen liegt der konservative Rivale Pierre Poilievre deutlich vor dem Noch-Amtsinhaber.

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