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Nach den Regierungskonsultationen : "Deutschland und Polen müssen mehr Verantwortung in Europa übernehmen"

Der SPD-Abgeordnete und Polen-Experte Dietmar Nietan sieht angesichts gewachsener Bedrohungen ein ernsthaftes Interesse der Nachbarländer zusammenzuarbeiten.

08.07.2024
True 2024-07-08T12:58:15.7200Z
2 Min

#1

Herr Nietan, nach sechs Jahren haben am Dienstag in Warschau wieder deutsch-polnische Regierungskonsultationen stattgefunden. Welche Bedeutung hat das Treffen?

Dietmar Nietan: Es war ein ganz wichtiges Treffen - nicht nur für die bilateralen Beziehungen, sondern auch für die Zukunft Europas. Denn wie es mit der Entwicklung der EU und dem Kampf gegen die inneren und äußeren Feinde der Freiheit weitergeht, hängt stark davon ab, wie vertrauensvoll Deutschland und Polen zusammenarbeiten.

Foto: picture alliance/dpa

Dietmar Nietan (SPD) hat die Konsultationen in Warschau als Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnischen Beziehungen begleitet.

#2

Das Verhältnis der beiden Nachbarn galt zuletzt als zerrüttet - auch weil die ehemalige PiS-Regierung offen antideutsche Ressentiments schürte. Das Treffen zwischen Kanzler Scholz und seinem Amtskollegen Tusk soll einen Neustart markieren. Ist nun alles wieder gut?

Dietmar Nietan: Es ist ein Neuanfang. Die deutsche und die polnische Regierung haben wieder ein ernsthaftes Interesse, zusammenzuarbeiten - Ausdruck dessen ist eine gemeinsame politische Agenda, der sogenannte Aktionsplan. Dadurch ist natürlich noch nicht wieder alles gut in den deutsch-polnischen Beziehungen: Die Verbrechen, die Deutsche in Polen in der Zeit des Nationalsozialismus verübt haben, sind nicht vergessen. Das gilt auch für die lange vorherrschende Naivität der deutschen Russlandpolitik. Aber jetzt sind Deutschland und Polen auf einem guten Weg, die Beziehungen deutlich zu verbessern.

#3

Im Aktionsplan bekunden die Regierungen den Willen zur Zusammenarbeit, etwa im Bereich der Verteidigung. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat Polen begonnen, aufzurüsten. Wird sich Deutschland beteiligen?

Dietmar Nietan: Deutsche und Polen wollen bei der Verteidigung mehr zusammenarbeiten. Uns ist klar, dass Deutschland liefern muss. Denkbar ist, dass wir uns zum Beispiel stärker finanziell an einer besseren Luftverteidigung beteiligen oder in Zukunft mit der Bundeswehr im Osten - über die Brigade in Litauen hinaus - mehr Verantwortung übernehmen.

#4

Polen erwartet auch ein Zeichen der Wiedergutmachung für deutsche Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg. Scholz hat Hilfen für die noch lebenden Opfer angekündigt - ohne aber eine konkrete Summe zu nennen. Wieso?

Dietmar Nietan: Beide Regierungen hatten die Ambition, ein fertiges Konzept zu präsentieren. Doch Einzelheiten sind noch offen. Die Frage einer humanitären Geste ist eine sensible, in Polen emotional diskutierte Frage. Umso wichtiger ist, dass alle Details stimmen. Ich bin guter Dinge, dass das bis Jahresende klappt.

#5

Rechtsruck in Europa, die mögliche Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus: Was kommt da auf das Duo Polen-Deutschland zu?

Dietmar Nietan: Unklar ist, wie die Wahl in Frankreich ausgeht. Doch es zeichnet sich ab, dass Deutschland und Polen künftig gemeinsam mehr Verantwortung für die Verteidigung von Frieden und Freiheit in Europa übernehmen müssen.

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