Fake News und Desinformation : Erwartete Störaktionen im Wahlkampf
Zur Bundestagswahl 2025 ist vor allem mit Manipulations- und Einflusskampagnen aus Russland zu rechnen. Was steckt dahinter?
Im EU-Land Rumänien ist die Präsidentschaftswahl mithilfe von TikTok derart massiv beeinflusst worden, dass sie wiederholt werden muss. Ein Vorgang, der in Europa bisher beispielslos ist. Ende November sollte in Rumänien turnusgemäß ein neuer Präsident gewählt werden. Doch während des Wahlkampfes kam es zu erheblichen Unregelmäßigkeiten, die auf einen "aggressiven russischen hybriden Angriff" hindeuten, wie aus Geheimdienst-Dokumenten hervorgeht.
Was war passiert? Der Rechtspopulist Calin Georgescu war in der ersten Runde der Wahl völlig überraschend auf dem ersten Platz gelandet. Zuvor hatte er in Umfragen lediglich einstellige Werte erzielt. Georgescu hatte vor allem auf der Internet-Plattform TikTok Wahlwerbung betrieben.
Die dort geposteten Filmchen, in denen er wahlweise in traditioneller Kleidung über Wiesen und Felder reitet oder sich beim Judo-Training ablichten lässt, erinnerten stark an die Auftritte von Russlands Präsident Wladimir Putin.
Der Haken an der Social-Media-Kampagne war jedoch die Tatsache, dass Georgescu bei TikTok bis dahin nahezu unbekannt war, seine Wahlkampfvideos kurz vor der Wahl aber über 50 Millionen Mal angesehen wurden.
In kurzer Zeit wurden zig Tausend TikTok-Konten aufgebaut
Nach Auskunft des rumänischen Geheimdienstes, der Informationen zu Georgescus Wahlkampf veröffentlicht hat, soll Russland den Erfolg gezielt geplant haben. In kürzester Zeit gelang es dem pro-russischen Georgescu, trotz geringer Umfragewerte im ersten Wahlgang 22,9 Prozent der Stimmen zu gewinnen.
So sei ein Netzwerk von etwa 25.000 TikTok-Konten aufgebaut worden, die kurz vor dem ersten Wahlgang aktiviert wurden. Dabei wurden nicht nur Bots eingesetzt, sondern auch konkrete Influencer.
Enge Beziehungen: Russlands Präsident Wladimir Putin und Viktor Medwedtschuk, Finanzier der in der EU sanktionierten Plattform „Voice of Europe“, bei einem Treffen im Kreml.
Vor allem kleinere Influencer, die 1.000 bis 10.000 Follower haben, wurden angeworben und erhielten pro Video-Testimonial eine Vergütung von rund 80 Euro - ein klarer Verstoß gegen das rumänische Wahlgesetz. Auch deswegen wurde die Präsidentenwahl für ungültig erklärt. Georgescu indes hatte immer angegeben, keinen Cent für seine TikTok-Kampagne ausgegeben zu haben. TikTok gilt als besonders gut geeignet für solche Kampagnen und zur Wahlmanipulation, weil Desinformation oder fragwürdige Wahlpropaganda in Videos schwieriger erkennbar sind als in Texten. Das vom chinesischen Unternehmen Byte Dance betriebene Videoportal wurde auch in Australien und in Taiwan eingesetzt, um die dortigen demokratischen Systeme zu untergraben.
Russland sieht sich im “Informationskrieg”
Auch die Bundestagswahl 2025 könnte Ziel von Störaktionen ausländischer Akteure werden. Die größte Gefahr geht nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) von russischen Akteuren aus. Vor dem Hintergrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine habe Russland "das wohl größte und naheliegendste Interesse, die Wahl im eigenen Sinne zu beeinflussen", schreibt die Behörde in einer Analyse von Ende 2024. Russland habe seit Beginn des Krieges im Februar 2022 die Verbreitung prorussischer und anti-westlicher Narrative "offensiv" ausgebaut und spreche selbst davon, in einem "Informationskrieg" zu stehen.
Bereits die Europawahl im vergangenen Juni war Ziel russischer Einflussnahme. Unter anderem wurde das von Russland betriebene Nachrichtenportal "Voice of Europe" eingesetzt, um Beiträge zu rechten Kandidaten und gegen eine weitere Unterstützung der Ukraine nach dem Überfall Russlands zu verbreiten.
Es gibt Vorwürfe, wonach den AfD-Kandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron Geld bezahlt wurde, beide Politiker bestreiten das. Jedoch wurde Krah bereits 2021 vom FBI zu möglichen Geldzahlungen kremlnaher Quellen befragt. Finanzier von "Voice of Europe" ist Wiktor Medwedtschuk, der Oligarch gilt als enger Vertrauter Putins und hat seit Anfang der 2000er Jahre in der Ukraine mehrere prorussische Oppositionsparteien betrieben. Die Europäische Union hat die Plattform mittlerweile sanktioniert. Die Versuche Russlands, Wahlen in Deutschland zu beeinflussen, sind nicht neu. Bereits bei der Bundestagswahl 2021 gab es aus Moskau Versuche, indirekt die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Damals kam die "Doppelgänger"-Kampagne zum Einsatz. Dazu wurden die Websites angesehener Publikationen in Deutschland und anderen EU-Ländern nachgeahmt. Auf täuschend echt aussehenden Kopien der Webseiten des "Spiegel", der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" oder der Nato wurden Desinformation verbreite
Größte bisher entdeckte Fake News-Kampagne
Das Auswärtige Amt beschreibt in seinem Bericht "Deutschland im Fokus der pro-russischen Desinformationskampagne 'Doppelgänger'" detailliert die Vorgehensweise und Weiterentwicklung der Kampagne. So habe - seit dem Überfall auf die Ukraine - "die Kampagne ihre Techniken zur Manipulation des öffentlichen Diskurses kontinuierlich weiterentwickelt und erweitert".
Zum Instrumentarium des Netzwerkes gehörten neben Dutzenden gefälschter Webseiten von Leitmedien nun auch hunderttausende Fake-Accounts in den sozialen Medien, eigene Fake-Nachrichtenportale sowie multimedialer Content, vor allem Kurzvideos. Aufgrund des Umfangs und der Intensität der Kampagne spricht das Auswärtige Amt von der "Doppelgänger"-Kampagne als einer "der größten bisher entdeckten Desinformationskampagnen weltweit, die pro-russische Narrative und Desinformation streut".
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