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"Fake News" : Triumphiert in der Politik die Lüge?

Wahrhaftigkeit ist keine politische Tugend, wusste Hannah Arendt. Doch Desinformation und der Wandel der Öffentlichkeit stellen Demokratien vor eine Herausforderung.

17.01.2025
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4 Min

Wenige Menschen haben den Begriff "Fake News" so geprägt wie der ehemalige und erneut gewählte US-Präsident Donald Trump. Als "Fake News" bezeichnete der 78-Jährige unliebsame Berichte über seine zahlreichen Skandale. Oder er benutzte den Begriff, um ganzen Medienhäusern wie der "New York Times" die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Tatsächlich zieht mit dem Republikaner die personifizierte "Fake News"-Schleuder erneut ins Weiße Haus ein.

Foto: picture alliance / imageBROKER

Das Twitter-Profil von Donald Trump: Kaum einer prägte den Begriff "Fake News" so sehr wie der alte und neue US-Präsident.

Trumps Lügen sind Legion. Die Mutter aller Trumpschen "Fake News" ist die Behauptung, dass er 2020 um den Wahlsieg betrogen worden sei. Immer und immer wieder wiederholten Trump und seine Getreuen in Medien und sozialen Netzwerken diese Unwahrheit und führten fadenscheinigste Belege an; immer und immer wieder wurde sie widerlegt.

Die Lüge wirkte trotzdem: So versuchten seine Anhänger im Januar 2021, das US-Kapitol zu stürmen und den demokratischen Machtwechsel zu verhindern. Und noch Jahre später gab die Mehrheit der Republikaner in Umfragen an, dass es bei der Wahl 2020 nicht mit rechten Dingen zugegangen sei.

Bei “Fake News” stehen die soziale Netzwerke im Fokus

"Fake News", das ist die bewusste Verbreitung falscher oder irreführender Nachrichten. Mal geht es dabei um Klickzahlen und Geld. Das Geschäftsmodell eines Teils der Klatschpresse funktioniert so. Politisch relevant wird es, wenn versucht wird, vorsätzlich das politische Klima zu beeinflussen. Größere Aufmerksamkeit erlangte dieser Aspekt rund um den Brexit, Trumps erste Präsidentschaft und die Corona-Pandemie. Insbesondere die sozialen Netzwerke gerieten in den Fokus, wurden sie doch für die Verbreitung gefakter Meldungen, gefälschter Nachrichtenportale, Bilder und Videos verantwortlich gemacht.


„Wahrhaftigkeit zählte niemals zu den politischen Tugenden.“
Politik-Philosophin Hannah Arendt

Aktuell richten sich in Europa die Augen indessen nach Moskau. In seinem imperialistischen Feldzug gegen den Westen setzt der russische Machthaber Wladimir Putin auf mal mehr, mal minder verdeckte Einflussoperationen - und findet und fördert damit ein paneuropäisches Netzwerk von Populisten. Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz warnen, dass Russland versuchen werde, auch Einfluss auf die Meinungsbildung vor der Bundestagswahl zu nehmen. Ein Bund-Länder-Papier zur Bekämpfung von Desinformation, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor geraumer Zeit angekündigt hatte, wird aber nicht mehr vor der Wahl fertig, wie die "Süddeutsche Zeitung" Mitte Januar berichtete.

Politik und Wahrheit passen nicht immer zusammen

Nun sind "Fake News" und Desinformation aber nicht erst seit Trump, Brexit und Corona ein Thema. Dort, wo es politisch wird, ist die Lüge - oder zumindest die kreative Interpretation von Fakten und Realität - nicht weit. "Wahrhaftigkeit zählte niemals zu den politischen Tugenden, und die Lüge galt immer als ein erlaubtes Mittel in der Politik", schrieb die Politik-Philosophin Hannah Arendt in den 1960ern. Der Wille zur Macht ist eben manchmal stärker als der Wille zur Wahrheit.

Allerdings basiert die moderne Demokratie auf der Hoffnung, dass sich die Lüge nicht lohnt. Politische Mitbewerber und freie Medien würden schon dafür sorgen, dass die Akteure nicht gänzlich ins Reich der Fantasie abdriften. Das setzt allerdings voraus, dass sich die demokratische Öffentlichkeit noch überwiegend für den Unterschied zwischen wahr und falsch interessiert.

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Doch diese Öffentlichkeit befindet sich inmitten eines "neuen Strukturwandels", wie es der Philosoph Jürgen Habermas jüngst beschrieb. Das Internet und die großen Social-Media-Plattformen fordern nicht nur die Gatekeeper-Funktion der klassischen Medien heraus, sie ermöglichen auch neue (digitale) Öffentlichkeiten. Groß war die Hoffnung, als sich die Aktivisten des Arabischen Frühlings im Netz organisierten; ebenso groß war die Enttäuschung, dass auch Verschwörungstheoretiker, Corona-Leugner und Demokratiefeinde diese Möglichkeiten nutzten, um ihre digitalen Parallelwelten zu bauen.

In der öffentlichen Wahrnehmung scheint gerade mit Blick auf die sozialen Medien eher das Dystopische denn das Utopische dieses laufenden Transformationsprozesses gesehen zu werden. Dass nun Mark Zuckerberg dem Vorbild von Elon Musks Plattform X folgt und die Zusammenarbeit mit professionellen Faktencheckern zumindest in den USA beenden will, scheint dies zu unterstreichen. In den nächsten Jahren wird sich daher zeigen müssen, ob die EU mit ihrer Plattformregulierung im Form des "Digital Services Act" ein Gegengewicht setzen kann und will.

Indes scheint der politisch-mediale und der wissenschaftliche Diskurs zum Thema "Fake News" etwas auseinanderzudriften. Wie relevant Desinformation tatsächlich ist, wie sehr davon Wahlen beeinflusst oder Demokratien gefährdet werden, darüber wird in der Forschung wesentlich differenzierter geurteilt. Einflussoperationen, Desinformation und "Fake News" sind mit Blick auf die im Westen beobachtete Vertrauenskrise eben nur ein kleiner Teil der Antwort auf eine ungleich komplexere Frage.

Für Trump-Freunde wurde die Wahllüge teuer

Zumal man sich gegen "Fake News" auch wehren kann. Ex-Trump-Anwalt Rudy Giuliani und der konservative TV-Sender Fox News mussten nach Verleumdungsklage wegen der Verbreitung der Wahllüge jeweils Millionen zahlen. Einzig Donald Trump kommt wohl trotz harter Vorwürfe des Sonderermittlers vorerst ungeschoren davon. Einer möglichen Anklage entgeht der bald wieder mächtigste Mann der Welt mit seinem Einzug in Hausnummer 1600 der Pennsylvania Avenue. Und das sind keine Fake News.

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