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Medienkompetenz von Jugendlichen : Zwischen Fake und Fakt - wie Jugendliche mit Fake News umgehen

Instagram, TikTok und Co. Viele Jugendliche beziehen ihre Nachrichten aus sozialen Medien. Doch welche Rolle spielen Fake News und wie erkennen sie diese?

17.01.2025
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6 Min

Der Raum ist dunkel, nur eine Leinwand leuchtet hell. Dann erscheint Papst Franziskus darauf, gehüllt in einen glänzenden weißen Daunenmantel. Eine lange Kette mit silbernem Kruzifix funkelt um seinen Hals. Ist das ein winterliches Mode-Statement des Pontifex oder ein mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellter Scherz aus dem Internet?

"Habe ich schon mal online gesehen, das ist nicht echt", flüstert eine Jugendliche unbeeindruckt ihrer Sitznachbarin zu. Andere im Raum wirken unsicher. Und genau darum geht es an diesem Donnerstagabend im Dezember: Wie erkennt man den Unterschied zwischen echten und künstlich generierten Inhalten? Und warum ist das wichtig?

Foto: Monkey Business 2/Shotshop/picture alliance

90 Prozent der Jugendlichen in Deutschland wünschen sich, dass der Umgang mit Fake News im Schulunterricht behandelt wird.

Die Veranstaltung findet im Publix, einem Zentrum für Journalismus, in Berlin-Neukölln statt und richtet sich vor allem an Lehrkräfte. Sie bekommen in den kommenden zwei Stunden Anregungen, wie sie ihren Schülerinnen und Schülern Medienkompetenzen vermitteln und sie für Fehlinformationen sensibilisieren können. Eine Lehrerin hat die Jugendlichen ihrer Klasse direkt mitgebracht, damit sie vom Experten lernen, wie sie sagt. Ein wenig gelangweilt quetschen sie sich in die hinteren Reihen - weit weg vom Papst in der Daunenjacke.

Videos auf Social Media: Die Informationsquelle für Jugendliche

Der Experte an diesem Abend ist Gabriel Rinaldi, Journalist bei der Süddeutschen Zeitung. Er versucht die Stimmung zu lockern und fragt: "Wer informiert sich über TikTok?". Ein Jugendlicher flüstert: "TikTok? Voll unseriös". Dennoch heben fast alle Teenager zögerlich die Hand, aus den Reihen der Erwachsenen fast niemand.

Genau hier liegt das Problem: Während junge Menschen ihre Informationen zunehmend aus kurzen Videos von Plattformen wie TikTok oder Instagram beziehen, fehlt den meisten Erwachsenen der Zugang zu diesen Kanälen. "Man kann Jugendliche nicht für Fake News sensibilisieren und mit ihnen über die Nutzung von Medien sprechen, wenn man selbst keine Ahnung davon hat", sagt eine der anwesenden Lehrerinnen.

Bereits in der Antike wurden Fake News verbreitet

Rinaldi hält den Begriff "Fake News" für politisch zu aufgeladen. Er suggeriere, dass Nachrichten nur "wahr" oder "falsch" sein könnten und es kein "dazwischen" gebe - eine zu starke Vereinfachung, findet der Journalist. Rinaldi spricht stattdessen von "Falschinformation" oder "Desinformation" - also gezielt verbreiteten falschen Inhalten.

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Viele der Fehlinformationen im Internet seien nicht grundsätzlich schlimm, sagt er. Sie zielten darauf ab, Klicks zu generieren und zu unterhalten. Politisch motivierte Desinformation, die Manipulation zum Ziel hat, sei hingegen eine ernsthafte Gefahr.

Doch das Phänomen ist nicht neu: Schon in der Antike verbreiteten Herrscher Falschinformationen, um ihre Gegner zu schwächen. Der Unterschied zu heute: Die enorme Verbreitungsgeschwindigkeit und die Reichweite durch das Internet - und, dass durch KI falsche Inhalte täuschend echt in Sekundenschnelle erstellt werden können.

Eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung spielen die sozialen Medien. Plattformen wie TikTok und Instagram zeigen mithilfe ihrer Algorithmen Inhalte, die Nutzer ohnehin bevorzugen. Das begünstigt Filterblasen und erschwert den Zugang zu vielfältigen Perspektiven.

42 Prozent der Erwachsenen beziehen ihre Nachrichten online

Auch viele der 16 Schülerinnen und Schüler einer elften Klasse der Sophie-Scholl-Schule in Berlin-Schöneberg aktualisieren Instagram und TikTok mehrmals täglich. Im Unterricht beschäftigen sie sich derzeit mit dem Thema Fake News und dem Umgang mit Medien.

Doch um Medien - im Plural verwendet - geht es bei den Jugendlichen gar nicht mehr. Eine Zeitung liest von den Teens fast niemand. Auch Fernsehen und Radio sind "out". Ihr Medium ist das Internet. Auf die Frage, woher die Jugendlichten Nachrichten beziehen, kommt nicht selten die Antwort: “Ich habe die Tagesschau auf Instagram abonniert.”

Das Fernsehen, einst die unangefochtene Nachrichtenquelle Nummer eins in Deutschland, hat seinen Spitzenplatz bereits 2021 an das Internet abgetreten. Heute beziehen, 42 Prozent der Erwachsenen ihre Nachrichten aus dem Netz. Diese Entwicklung zeigt der Reuters Institute Digital News Report des vergangenen Jahres. Die Studie bestätigt auch die Aussagen der Teenager, die das Internet und insbesondere die sozialen Medien als unverzichtbare Nachrichtenquelle betrachten: Für 16 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sind soziale Medien die einzige Informationsquelle, wie der News Report enthüllt.

Viele Beiträge in den sozialen Medien werden mit KI erstellt

Die Jugendlichen schätzen an den Online-Formaten besonders die Freiheit, selbst zu bestimmen, wann und welche Nachrichten sie konsumieren möchten. Zudem bieten soziale Medien die Möglichkeit, eine Vielzahl von Informationen gleichzeitig zu erfassen - mehrere Apps für verschiedene Tageszeitungen sind überflüssig.

Ist die abnehmende Medienvielfalt also vielleicht das viel größere Problem als der Umgang mit Fake News?


„Für 16 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sind soziale Medien die einzige Informationsquelle.“
Reuters Institute Digital News Report 2024

Denn über Fake News wissen die Jugendlichen durchaus Bescheid. "Klar, viele Bilder und Videos sind von KI generiert", sagt Carl und erinnert sich beispielsweise an ein besonders absurdes Beispiel: Ein Foto, auf dem sich Donald Trump und Osama bin Laden umarmen. Ein weiteres Problem sieht er in den extrem kurzen Videos, die oft aus dem Kontext gerissene Aussagen von Politikern zeigen. "Manchmal klingt das gut, aber man weiß nicht, was davor oder danach gesagt wurde", meint er.

Die Jugendlichen sind allerdings skeptisch, ob Fake News eine Bedrohung für die Demokratie sind. Für sie geht es bei solchen Inhalten vor allem um Aufmerksamkeit und Klicks.

Jugendliche sind überzeugt, mehr über KI zu wissen als ihre Eltern

Gleichzeitig glauben sie, KI-generierte Inhalte gut erkennen zu können - ganz nach dem Motto: Übung macht den Meister. "Manchmal erkennt man Videos, die verändert wurden, weil man sie früher bereits mit anderer Musik, anderem Text oder anderen Tonspuren gesehen hat - dann weiß man: Das kann nicht das Original sein", sagt die 16-jährige Fatu. Und sie erklärt einen weiteren Trick: Achtet man bei Fotos auf die Hände von Personen oder die Schatten auf dem Bild, erkennt man häufig Fehler. "Hände und Schatten, das kann KI bisher nicht so gut", sagt sie. Gleichzeitig ist ihr bewusst, dass diese Taktik keine Ewigkeitsgarantie hat. KI lernt und wird immer besser. Der Wettlauf zwischen Fake und Fakt geht weiter.

Daher finden die Teenager; es wäre wichtig, mehr über das Thema zu lernen - ein Wunsch, mit dem sie nicht allein sind. Laut der Shell-Jugendstudie 2024 sind 90 Prozent der Jugendlichen in Deutschland dafür, den Umgang mit Fake News in den Schulunterricht aufzunehmen.

Doch warum liegt der Fokus bei dem Thema auf den Jugendlichen, fragen einige. Sie sehen die eigentliche Gefahr woanders: bei ihren Eltern. Diese, so sagen sie, seien oft kaum in der Lage, KI-generierte Inhalte zu durchschauen - das haben sie selbst getestet. "Manchmal zeige ich meinen Eltern ein Fake-Video von Instagram, und sie können nicht erkennen, dass es mit KI erstellt wurde - ich schon", erklärt Carl.

Laut einer britischen Studie sind junge Menschen anfälliger für Fake News

Studien, die einen direkten Vergleich anstellen, ob Erwachsene oder Jugendliche Fake News in sozialen Medien besser erkennen, existieren bislang nicht. Eine Untersuchung der Universität Cambridge deutet jedoch - entgegen der Annahme der Jugendlichen - darauf hin, dass Jüngere und Menschen mit einer hohen Affinität zu Medien, anfälliger für die Täuschungen durch Fake News sind als ältere Generationen.

Allerdings basiert die Studie darauf, dass die Teilnehmenden Schlagzeilen als wahr oder falsch bewerten mussten. Eine Analyse von Beiträgen auf Internetplattformen oder KI-generierten Inhalten blieb aus, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die digitale Umgebung einschränken könnte.

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Der Journalist Rinaldi versucht in seinen Schulungen zu vermitteln, wie wichtig es ist, Quellen immer wieder kritisch zu bewerten. So müsse hinterfragt werden: Wer verbreitet eine Nachricht und mit welcher Absicht? Gibt es alternative Quellen? Denn gerade Jugendliche vertrauen zunehmend Influencern als glaubwürdige Informationsquelle.

Austausch und gemeinsame Reflexion sind entscheidend

Angesichts der Flut an Informationen, die junge Menschen täglich erreichen, sei es außerdem entscheidend, im Austausch zu bleiben und Medieninhalte gemeinsam zu reflektieren, um sie besser einordnen zu können. Viele Teenager machen das sowieso mit ihren Freunden. Fatu berichtet: "Wenn mir etwas komisch vorkommt, frage ich meine Freunde, ob sie das auch gehört oder gesehen haben." Auch Google sei ein hilfreiches Werkzeug, um Fehlinformationen zu entlarven.

In der Tat reicht bei vielen Inhalten oft eine kurze Internetrecherche aus, um deren Echtheit zu überprüfen. Im Fall des Papstes mit der Daunenjacke dauert es keine fünf Sekunden. Gibt man bei Google die Worte "Papst, Daunenjacke, Fake" ein, zeigen bereits die ersten Einträge eindeutig: Das Bild ist nicht echt, es wurde mit KI generiert.