Faktenprüfung 2.0 : Wenn Nutzer zu Faktencheckern werden
Workshops, Veranstaltungen und eine Plattform: Beim Faktenforum von Correctiv kann praktisch jeder beim Faktencheck mitmachen. "Learning by doing" heißt die Devise.
Die 180-Grad-Wende von Meta-Chef Mark Zuckerberg hat es in sich. Die Überprüfung von Fakten durch externe Dritte auf den Plattformen Facebook, Instagram und Threads des Meta-Konzerns soll es künftig - zumindest in den USA - nicht mehr geben. "Wir werden die Faktenprüfer abschaffen und durch Nutzer-Kommentare ersetzen, ähnlich wie bei X," sagte der Konzernchef in der vergangenen Woche.
Bei den Investigativjournalisten von Correctiv, die in Deutschland die Faktenchecks für Meta machen, ist man bestürzt über die Entscheidung. Es müsse befürchtet werden, „dass Meta auch in Europa die Zusammenarbeit mit Faktencheckern beenden will“, heißt es in einer Stellungnahme.
Meta-Chef Mark Zuckerberg kündigte kürzlich an, künftig auf Faktenchecks auf seinen Social Media-Plattformen verzichten zu wollen.
Und dennoch: Total überraschend war die Ankündigung für Correctiv offenbar nicht, wie Caroline Lindekamp sagt, die als Journalistin bei Correctiv verantwortlich für das 2024 gestartete Faktenforum ist. Schließlich sei die Faktencheck-Welt über das European Fact-Checking Standards Network (EFCSN) und das International Fact-Checking Network (IFCN) “gut vernetzt”und habe seit Trumps Wahlsieg diskutiert, "welche Auswirkungen das für unsere Arbeit bringen könnte".
Bei Correctiv ist man überrascht, wie schnell die Kehrtwende kam
Überrascht habe sie, wie radikal und schnell die Kehrtwende kam. „Man hätte ja auch sagen können: Danke für die gute Zusammenarbeit der letzten Jahre, aber wir gehen jetzt neue Wege“, findet Lindekamp. Stattdessen habe man versucht, Faktenchecker als politisch voreingenommen zu diskreditieren.
Ein Vorwurf, dem die Journalistin energisch entgegentritt. “Das Gegenteil ist der Fall”, sagt sie. "Wenn ich ein Thema auf den Tisch bekomme, habe ich spontan vielleicht ein erstes Bauchgefühl, was auch subjektiv gefärbt sein kann", so Lindekamp. Dann kämen aber die journalistischen Regeln hinzu, die eingehalten werden müssen, um den Sachverhalt einzuordnen. “Die Faktenchecker sind an die hohen redaktionellen Standards des EFCSN und des IFCN gebunden, die Transparenz, Überparteilichkeit und Unvoreingenommenheit garantieren”, sagt sie. Deren Einhaltung werde regelmäßig überprüft.
Wie die Zusammenarbeit mit Meta künftig aussehen wird, ist derzeit noch unklar. Aktuell läuft der Kooperationsvertrag noch bis zum Jahresende. "Unabhängig von möglichen Entscheidungen von Meta in Europa werden wir weiter Fakten checken", stellt Lindekamp klar.
Beim Faktenforum kann jeder mitmachen
Dabei kann über das im April 2024 gestartete Faktenforum im Grunde jeder mitmachen. Ein Impuls für das Projekt sei letztlich von den Nutzern selbst gekommen, sagt Caroline Lindekamp. Schon seit mehreren Jahren könnten sie über den WhatsApp-Chatbot Hinweise bei der Faktencheck-Redaktion einreichen und an Workshops - zum Beispiel von der Reporterfabrik - teilnehmen. Erlangtes Wissen kann nun im Faktenforum angewendet werden. Dazu braucht es einen persönlichen Account - und dann können gemeinsam mit anderen Usern Fakten gecheckt werden.
Wird man also zum Faktenchecker ausgebildet? Nein, sagt Lindekamp. "Wir geben den Leuten Mittel an die Hand, damit sie sich beteiligen können, stellen aber keine Weiterbildungszertifikate aus und sind auch keine Ausbildungsplattform für Journalistinnen und Journalisten." Es läuft also eher auf ein "learning by doing" hinaus. “Die Leute können zwischen unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten zum Faktenforum selbst auswählen: über Workshops und Veranstaltungen oder direkt über die Plattform”, sagt sie.
Was an Inhalten herauskommt, wird redaktionell gecheckt
Ein bisschen klingt das nach X und Meta, wo man ja auf die Community Notes setzt – also auf eine Faktenprüfung durch die Nutzer. Den Unterschied machten die Standards, sagt die Faktenforum-Leiterin. “Wir haben im Faktenforum einen geschlossenen Nutzerbereich. Alle Faktensammlungen und Inhalte, die wir aus der Community heraus veröffentlichen, werden vorab redaktionell gecheckt.”
Schlussendlich übernehme Correctiv die volle redaktionelle Verantwortung für die Inhalte, die aus dem Faktenforum kommen und achte auf die Einhaltung der Standards. „Das“, so sagt Caroline Lindekamp, „ist der wesentliche Unterschied zu den Community-Notes.“