Piwik Webtracking Image

Mangelnde Durchsetzung, mühsame Verfahren : Das europäische Menschenrechtsregime schwächelt

Experten mahnen in einer Anhörung im Menschenrechtsausschuss, die Institutionen des europäischen Menschenrechtsregimes zu stärken.

13.06.2024
True 2024-06-13T18:49:30.7200Z
2 Min

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vor über 75 Jahren und die Unterzeichnung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vor über 70 Jahren gelten als Erfolgsgeschichte. Doch wie steht es angesichts zunehmender Krisen und Kriege um die Durchsetzung der Menschenrechte? Experten lenkten in einer Anhörung im Menschenrechtsausschuss am Mittwoch den Blick auf Schwächen des internationalen und europäischen Menschenrechtssystems.

Wolfgang Kaleck vom European Center for Constitutional and Human Rights beklagte etwa, dass Staaten mit politischer und wirtschaftlicher Macht sich oft nur an das Völkerrecht hielten, wenn es ihren eigenen Interessen diene.

Foto: picture alliance / Uta Poss

Zu viel zu tun: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gilt als überlastet.

Als problembehaftet beschrieb Rechtsanwalt Hartmut Emanuel Kayser die Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Beschwerden im Staatenbeschwerdeverfahren würden oft nicht eingereicht, weil Staaten eine "Retourkutsche" befürchteten.

Der Menschengerichtshof ist überlastet

Stefan von Raumer vom Deutschen Anwaltverein kritisierte, dass ein hoher Anteil von Fällen, über die der EGMR zu entscheiden habe, Fragen betreffe, zu denen es bereits eine etablierte Rechtsprechung des Gerichtshofs gebe. Diese würden jedoch von den innerstaatlichen Gerichten nicht berücksichtigt - ein "maßgeblicher Grund" für die Überlastung des Menschenrechtsgerichts in Straßburg.

Der Rechtsweg sei für den Einzelnen oft sehr mühsam, monierte Christian Mihr von Amnesty International Deutschland. Das Justizsystem stehe faktisch nicht allen Menschen gleichermaßen offen.

Michael Windfuhr vom Deutschen Institut der Menschenrechte warb für eine Stärkung der zur Überprüfung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte geschaffenen Gremien.

Experte: Laxer Umgang mit Problemstaaten hat den Europrat geschwächt

Für die mangelnde Durchsetzung der EMRK machte Gerald Knaus, Vorsitzender der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative, die Schwächung des Europarats verantwortlich. Der lasche Umgang mit Aserbaidschan und Russland, die sich durch "systematische Nichtachtung" der EGMR-Urteile hervorgetan hätten, habe zu einer "Krise der Glaubwürdigkeit" geführt.

Mehr zum Thema

Mehrere Menschen stehen vor einem provisorischen Grab
Kriegsverbrechen in der Ukraine: "Die Verbrechen von Butscha haben alle Grenzen überschritten"
Die Fraktionen fordern in einer Aktuellen Stunde klare Reaktionen auf mutmaßliche russische Kriegsverbrechen in der Ukraine. Jede Tat müsse verfolgt werden.
Der Europarat wird 75: Der Europarat und seine vielen Errungenschaften
Der Bundestag würdigt zum 75. Jahrestag die Arbeit der Organsiation, die wie keine andere für die den Schutz der Menschenrechte in Europa steht.

Günter Schirmer vom Menschenrechtsausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarats warnte davor, das "Gütesiegel" der Mitgliedschaft zu verramschen. Diese setze die Einhaltung von Mindeststandards wie Rechtsstaatlichkeit und Informationsfreiheit voraus.

Auf die Formel "mehr Schatten als Licht" spitzte schließlich die Rechtswissenschaftlerin Angelika Nußberger von der Universität Köln ihre Bewertung des europäischen Menschenrechtsschutzsystems zu. Angesichts des Ausgangs der Europawahl sprach sie auch von einer "Erfolgsgeschichte mit ungewissem Ausgang". Die wachsende Europa-Skepsis betreffe nicht nur die EU, sondern auch den Europarat mit seinem Menschenrechtsschutzsystem.


Weitere Informationen