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Der Europarat wird 75 : Der Europarat und seine vielen Errungenschaften

Der Bundestag würdigt zum 75. Jahrestag die Arbeit der Organsiation, die wie keine andere für die den Schutz der Menschenrechte in Europa steht.

17.05.2024
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"Jemandem etwas einbläuen"- wisse jemand, woher diese Redewendung eigentlich komme? Die SPD-Abgeordnete Derya Türk-Nachbaur wählte am Donnerstag in einer Vereinbarten Debatte zum 75. Jahrestag des Europarates ein anschauliches Beispiel, um auf eine der vielen Errungenschaften der Organisation aufmerksam zu machen: "Einbläuen" stamme aus einer Zeit, als es Bildungseinrichtungen noch gestattet war, ihre Zöglinge zu züchtigen, Schülerinnen und Schüler also grün - oder eben blau zu schlagen. Dass man Derartiges heute nur noch mit einem Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen könne, sei auch dem Europarat zu verdanken, der in seiner Sozialcharta 1961 seine Mitgliedsstaaten angehalten habe, das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung durchzusetzen.

Foto: picture-alliance/AA/Mustafa Yalcin

Blick in die Parlamentarische Versammlung des Europarates im Palais de l'Europe in Straßburg.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte die Existenz des Europarates "einen Grund zur Freude, einen Grund zu tiefer Dankbarkeit und einen Grund, der uns verpflichtet". Deutschland sei "in Europa und durch Europa als Demokratie erwachsen geworden". Man stehe heute auf einem starken Fundament gemeinsamer Regeln und Werte mit Institutionen wie dem Europarat, "die uns dazu bringen, uns selbst als Demokratien immer wieder zu überprüfen". Dazu gehöre der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), vor dem fast 700 Millionen Menschen ihre Rechte gegen ihren Staat einklagen könnten. Die Einrichtung dieses Gerichtshofes 1959 sei eine "Revolution" gewesen, denn darin spiegle sich ein neues Verständnis im Verhältnis von Staat und Individuum wider: "Die Überzeugung, dass jeder Mensch die gleichen Rechte hat, egal welches Geschlecht, egal welcher Herkunft oder welcher Religion, und dass ein Staat zur Rechenschaft gezogen werden kann", sagte Baerbock. "Das ist die Kraft, die in den Instrumenten des Europarats liegt."

Es fällt ein kritischer Blick auf Georgien

Johann David Wadephul (CDU) würdigte den "Vertrauensvorschuss", den die Gründungsmitglieder Deutschland bei der Aufnahme 1950 gewährt hätten - als ein Land, "das so viel Schuld, zwei Weltkriege und einen Massenmord an den Jüdinnen und Juden Europas auf sich geladen" hatte. Heute sei der Europarat auch ein Vorraum für eine Mitgliedschaft in der EU, in dem Länder an Rechtsstaatlichkeit und parlamentarische Demokratie herangeführt würden. "Hier müssen wir auch immer klar sein", mahnte Wadephul mit Blick auf EU-Beitrittskandidat Georgien. Dessen soeben beschlossenes Gesetz zum Umgang mit Nichtregierungsorganisationen "verbaut Georgien nicht nur den Weg in die Europäische Union, es widerspricht auch allen Werten des Europarates".

Auch Frank Schwabe (SPD) wurde deutlich in diesem Punkt: Wenn man Mitglied des Europarates sein wolle und eines Tages auch der EU, dann müsse man sich an die Grundideen dieser Institutionen halten. Mit ihnen sei jedenfalls nicht vereinbar, die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen einzuschränken: "Lasst das, kommt zurück auf den europäischen Weg!" Der Europarat sei im Übrigen die "tollste, größte und beste Menschenrechtsorganisation und Organisation für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa" und Vorbild weltweit, sagte Schwabe. "Und deshalb müssen wir diese Institution in Ehren halten und pflegen, so gut wir es können." 676 Millionen Menschen könnten sich durch den Europarat mit dem EGMR an eine höhere Instanz wenden als die letzte juristische Instanz auf nationaler Ebene: "Das ist doch etwas Unglaubliches". Schwabe warb dafür, dass noch fast 200 weitere Millionen Menschen in Europa hinzukommen, als nächster Schritt etwa durch einen Beitritt Kosovos zum Europarat.

​​​​​​​75 Jahre Europarat

👨‍👨‍👧‍👦 Der 1949 gegründeten Organisation gehören 46 Staaten an; in ihr sind damit rund 676 Millionen Bürgerinnen und Bürger repräsentiert.

🔎 Sie gilt als Herzstück des Europarates; über sie wacht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

🔒 Ministerkomitee und Parlamentarische Versammlung des Europarates bringen Konventionen auf den Weg, die die Mitgliedsländer binden sollen.



Nicole Höchst (AfD) lenkte den Blick auf einen Bericht des European Center for Law and Justice, der Grund zu massiver Beanstandung der Unabhängigkeit des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gebe. Hier sei "weiß Gott nicht alles Gold was glänzt". So reichten Nichtregierungsorganisationen mit ihren Interessen durch die Lebensläufe einiger Richter in den Gerichtshof hinein. Höchst nannte in diesem Zusammenhang die Open Society Foundations von George Soros: "Ich empfehle dringend jedem Parlamentarier, aber auch jedem Bürger, nachzuvollziehen, wer wem wofür wie viel Geld mit welchem Ziel gibt." Die AfD fordere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ohne "mehr oder wenige subtile Einflussnahme von Mitgliedern der Hochfinanz".

Normsetzung im 21. Jahrhundert geht nur gemeinsam

Michael Georg Link (FDP) widersprach: "Wir wählen diese Richter in der Parlamentarischen Versammlung selbst, und es liegt an uns, dort genau hinzuschauen." Der EGMR sei ein "Kronjuwel für den Rechtsstaat in Europa". Link warb zudem für die Konvention zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz im Verhältnis zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat, die der Europarat in Abstimmung mit einer Reihe von demokratischen Partnerländern und der EU gerade auf den Weg bringen wolle. "Das ist ein ganz entscheidendes Stück Regulierung von Demokratien in einer Zeit, in der autoritäre Staaten und Diktaturen versuchen genau diese Dinge wie KI gegen uns einzusetzen." Normsetzung im 21. Jahrhundert gehe nur gemeinsam unter Demokratien, sagte Link. "Genau das macht der Europarat."

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Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke) kritisierte, dass die Bundesregierung wie beim EU-Lieferkettengesetz häufig Nein sage, wenn Menschenrechte gestärkt werden sollen. Das gelte auch für das Recht auf Asyl. Menschen, die in der EU Schutz suchten, könnten zukünftig in Lagern an der Außengrenze interniert werden. Wo bleibe da die Verteidigung der Menschenrechte, "eine der Säulen des Europarates"? Andrej Hunko (BSW) hob hingegen insbesondere die Sozialcharta und die Istanbul-Konvention des Europarates hervor sowie das Individualklagerecht vor dem EGMR, das für jeden Bürger gelte und für alle, die sich "auf dem Boden des Europarates" befänden. Dazu gehöre auch der australische Staatsbürger Julian Assange, für dessen Freilassung die Parlamentarische Versammlung des Europarates mehrfach gestimmt habe und für die sich die Bundesregierung stark machen sollte.