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Armin Laschet zum Europarat : "Hüter von Menschenrechten und Demokratie"

Armin Laschet ist Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Dessen Schutzniveau bei den Menschenrechten sei weltweit einzigartig, sagt er.

29.04.2024
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4 Min

Herr Laschet, wofür steht die Gründung des Europarates vor 75 Jahren?

Armin Laschet: Der Europarat ist die älteste europäische Institution, die die meisten europäischen Länder, nicht nur die in der Europäischen Union, umfasst. Gegründet wurde sie zwei Wochen bevor überhaupt die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Es gab noch keinen deutschen Staat, noch kein Grundgesetz. Es handelte sich um die erste Organisation der Völkergemeinschaft, in die Deutschland nach dem Krieg wieder aufgenommen worden ist. Der Europarat hat dann, mit dem Zerfall der Sowjetunion, an Größe gewonnen, als die Demokratie auch in den Staaten Mittel- und Osteuropas eingeführt wurde. Denn nur Demokratien können Mitglieder sein.

Foto: picture-alliance/dpa/Flashpic/Jens Krick

Der CDU-Abgeordnete Armin Laschet ist seit 2022 Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Die Antwort auf Diktaturen und Kriege war die Schaffung einer Wertegemeinschaft?

Armin Laschet: Der Europarat wurde als Hüter von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ins Leben gerufen. Herzstück der Organisation ist die Europäische Konvention für Menschenrechte, die den Menschen essenzielle Grundrechte zusichert, wie zum Beispiel das Recht auf Leben und die Freiheit der Meinungsäußerung. Dies überprüft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich diesem weltweit einzigartigen Schutzniveau und unterwirft sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger, deren Grundrechte missachtet werden, kann diese dort einklagen. Diese Grundwerte und die sie bewahrenden Instrumente machen im Kern den Europarat aus. Sie sind heute so aktuell wie vor 75 Jahren. Der Europarat bietet zudem eine weitere wichtige Gesprächsebene, auch für Länder in Europa die nicht Teil der Europäischen Union sind. Er umfasst 46 Mitgliedstaaten, also weit mehr als die EU.

Welche Rolle spielt die Parlamentarische Versammlung (PV)?

Armin Laschet: Wie die Regierungen Vertreter in das Ministerkomitee, so entsenden die mitgliedstaatlichen Parlamente Abgeordnete in einer Zahl in die PV, die Wahlergebnisse und Fraktionsstärken spiegelt. Die Delegation des Bundestages umfasst beispielsweise 18 Mitglieder aller Fraktionen. In der Versammlung organisieren sich die Delegationen nicht nur nach nationalen, sondern vor allem nach politischen Gruppen und bringen die Positionen ihrer Parteien ein. Die Versammlung aus frei gewählten Abgeordneten, die weniger diplomatische Rücksicht üben müssen, führt lebendige Debatten und fasst meist etwas mutigere Beschlüsse als die Regierungen. In der dritten Sitzungswoche des Jahres wird die Versammlung den neuen Generalsekretär des Europarates wählen. Sie verfügt also über echte Entscheidungsbefugnisse.


„Der Europarat muss das, wofür er geschaffen wurde, bewahren: ein hohes Schutzniveau bei den Menschenrechten.“
Armin Laschet (CDU)

Welche Debatten der letzten Sitzungswoche würden Sie hervorheben?

Armin Laschet: Es ist immer beeindruckend, wenn Menschen, die Verfolgung erfahren oder Verletzungen erlitten haben, vor der Versammlung sprechen. So hat im April die Frau des inhaftierten russischen Oppositionspolitikers Wladimir Kara-Mursa die Situation ihrer Familie beschrieben. Die PV hat zudem mit großer Mehrheit dafür gestimmt, Kosovo als neues Mitglied in den Europarat aufzunehmen. So weit sind die Regierungen noch nicht, von denen einige die staatliche Unabhängigkeit dieses Landes nicht anerkennen. So sorgt sich Serbien um die eigene Minderheit im Kosovo. Die PV ließ sich jedoch von dem Gedanken leiten, dass ein Land, das Mitglied im Europarat wird, auch die Minderheitenrechte achten muss, weil dort dann die Menschenrechtskonvention gilt und Benachteiligte ihre Rechte vor dem Gerichtshof einklagen können.

Was braucht der Europarat, um auch in den nächsten 75 Jahren erfolgreich zu wirken?

Armin Laschet: Er muss zum einen das, wofür er geschaffen wurde, bewahren: ein hohes Schutzniveau bei den Menschenrechten. Dazu müssen die Urteile des Gerichtshofs in allen Mitgliedsländern konsequent umgesetzt werden. Außerdem muss sich der Europarat neuen Themen wie der Künstlichen Intelligenz zuwenden, wenn dort die Menschenrechte verletzt werden. Und schließlich muss sich auch diese Organisation reformieren. Die Staats- und Regierungschefs haben sich auf ihrem Gipfeltreffen vor einem Jahr in Reykjavik dazu bekannt, den Europarat in diesem Sinne zu stärken und ihn finanziell besser auszustatten. Deutschland ist bereits mit gutem Beispiel vorangegangen und leistet einen höheren Beitrag, um den Ausfall Russlands zu kompensieren.

Was ist der Europarat?

⚖️ Die Organisation von heute 46 Ländern mit knapp 700 Millionen Einwohnern wurde vor 75 Jahren, am 5. Mai 1949, in London gegründet mit dem Ziel der Zusammenarbeit in Europa.

🔎 Der Europarat zielt auf die Wahrung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Grundprinzipien in den Mitgliedstaaten. Sitz der Organisation ist der Europapalast in Straßburg,

🏛️ Abgeordnete der 46 Mitgliedsländer wählen unter anderem Generalsekretär und Menschenrechtskommissar des Europarates und die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.



Können Bürgerinnen und Bürger in einer Zeit des vermehrten Rechtspopulismus, brutaler Völkerrechtsverstöße und Menschenrechtsverletzungen auf den Europarat als ordnungs- und rechtsstiftende Organisation setzen?

Armin Laschet: Der Europarat wird dieser Verantwortung gerecht. Der russische Krieg gegen die Ukraine stand beispielsweise im Mittelpunkt des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs. Die Mitgliedstaaten haben die Einrichtung eines Schadensregisters beschlossen. Indem der Europarat seine Kernaufgaben erfüllt, also die Zusammenarbeit der Mitglieder beim Schutz von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten fördert, leistet er auch einen Beitrag zur Friedenssicherung. Viele Länder wollten nach den Revolutionen in Mittelosteuropa 1989 dem Europarat beitreten, aber halten sich, wie auch andere, nicht immer an die Regeln. Demgegenüber gilt es jetzt die Mentalität zu festigen, dass man sich trotz der Tendenzen zu nationalstaatlichen Lösungen auch zu gemeinsamen Prinzipien und einer gemeinsamen übergeordneten Institution bekennt. Der Europarat gibt in einer Zeit, in der Europa auseinander zu driften droht, auch all den Ländern, die nicht in der Europäischen Union sind, ein Forum, das sie eng an die europäische Idee bindet.

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