Wachsender Bedarf an humanitärer Hilfe : Welternährungsprogramm und Unicef kritisieren Kürzungen
Das humanitäre System steht vor der Zerreißprobe, warnen VN-Vertreter im Menschenrechtsausschuss. Das Ergebnis könne auch für Deutschland unerwünschte Folgen haben.
Unicef-Chefin Catherine Russell (m.) und der Vize-Chef des Welternährungsprogramms, Carl Skau, mit der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses, Renata Alt (FDP), am Mittwoch im Bundestag.
Angesichts der erneuten Eskalation im Nahostkonflikt haben Vertreter des Welternährungsprogramms (WFP) und des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) vor wachsender Not in der Region gewarnt. Nicht nur dort verschärfe ich die Lage, sondern auch an anderen Orten weltweit, neue Krisen kämen hinzu, sagte Unicef-Exekutivdirektorin Cathrine Russell am Mittwoch im Menschenrechtsausschuss des Bundestags.
Der Bedarf an humanitärer Hilfe wachse. Doch die Budgets der beiden UN-Organisationen reichten aber schon jetzt nicht aus, um mit den Entwicklungen Schritt zu halten. Das humanitäre System stehe vor einer Zerreißprobe, erklärte Carl Skau, stellvertretender WFP-Exekutivdirektor. Beide VN-Vertreter warnten damit eindringlich vor den Folgen der geplanten Kürzungen bei der humanitären Hilfe im Etat des Auswärtigen Amtes. Deutschland könne sich einen Rückzug als zweitgrößter Geber nicht leisten, so ihre Mahnung. Würden die Probleme nicht angegangen, würden sie nur noch größer - mit Auswirkungen auch für Deutschland etwa durch steigende Fluchtbewegungen. Hunger, so Skau, können ganze Regionen destabilisieren.
Eine Millionen Kinder in Gaza brauchen Hilfe
Allein in Gaza seien 1,1 Millionen Kinder dringend auf Hilfe angewiesen, sagte Cathrine Russell. Hunger und Unterernährung seien dort tägliche Realität. In Bäckereien fehle es an Mehl, öffentliche Küchen hätten aus Mangel an Lebensmitteln schließen müssen. 350.000 Menschen seien allein in Zentral-Gaza auf Lebensmittelhilfe angewiesen, ergänzte Skau.
Die Ausweitung von Israels Krieg gegen Hamas und Hisbollah auf den Libanon habe eine Million Menschen zur Flucht gezwungen. Die Kampfhandlungen träfen das Land hart, das sich seit 2019 in einer schweren Wirtschaftskrise befinde. Jeder Vierte lebe in Armut und Ernährungsunsicherheit. Der nahende Winter verschärfe die Lage, sagte Skau. Auch danach werde der Libanon aufgrund der Bombardierung von landwirtschaftlichen Flächen kaum selbst die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung abdecken können.
Nicht ausreichend Mittel für Nothilfe im Jemen
Als katastrophal schilderte Skau die Lage im Bürgerkriegsland Sudan und im Jemen: Im Sudan seien 1,5 Millionen Menschen von einer Hungersnot bedroht, das ganze Land sei von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Insgesamt 8,5 Millionen Menschen erhielten Unterstützung durch das WFP. Im Jemen leiste seine Organisation 1,5 Millionen Menschen Nothilfe; Bedarf bestehe aber bei weiteren 2,5 Millionen Menschen. Als weitere Krisen-Hotspots nannte Skau die Sahelzone und das Horn von Afrika. Der WFP-Vizechef sprach von einem "Gürtel der Instabilität", der sich von Afrika bis zum Nahen Osten ziehe.