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Das Kapitol in Washington D.C.: Im November wird der Kongress neu gewählt.

Wahlen zum US-Kongress : Demokraten machen sich Hoffnungen

Der Aufwind für ihre Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris lässt die Demokraten im US-Kongress auf Mehrheiten hoffen. Doch im Senat stehen harte Wahlkämpfe an.

06.09.2024
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5 Min

Keine sechs Wochen ist es her, da trugen in Amerika die Gondeln der Demokraten durchweg Trauer. Mit dem damaligen Präsidentschaftskandidaten, Amtsinhaber Joe Biden, so war die weit verbreitete Meinung zu Beginn des Sommers, werde man am 5. November gegen Donald Trump nur das Weiße Haus verlieren. Die konstant hohe, vor allem altersbedingte Unbeliebtheit des gesetzgeberisch de facto erfolgreichsten US-Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte werde auch die demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus sowie die Senatoren mit in den Abwärtsstrudel reißen.

Diese Horrorerzählung hat sich erledigt. Seit Bidens Verzicht auf die Kandidatur und der Übernahme durch Vizepräsidentin Kamala Harris scheint für die Partei mit dem Esel im Wappen plötzlich wieder die Sonne. Man wittert Siegchancen.

Parallel zu Harris, die landesweit wie auch in den meisten der mutmaßlich sieben wahlentscheidenden Bundesstaaten (Nevada, Arizona, Georgia, North Carolina, Pennsylvania, Michigan und Wisconsin) die Umfragen-Rückstände auf Trump in kürzester Zeit aufgeholt hat oder diesen sogar hier und da übertrifft, hat sich auch die Wettbewerbsfähigkeit der demokratischen Parlamentarier erhöht.

Nur 70 Sitze im Repräsentantenhaus sind wirklich umkämpft

Dabei sind die wenigsten Sitze für das Repräsentantenhaus tatsächlich umkämpft. Von 435 Sitzen im "House" sind nach jüngsten Meinungsumfragen des parteiunabhängigen "Cook Report" 365 Mandate (173 Demokraten, 192 Republikaner) bereits so gut wie vergeben. Das ist auch ein Ergebnis des von beiden Parteien durch das sogenannte "Gerrymandering" geregelten passgenauen Zuschnitts der Wahlkreise, der vielerorts Mehrheiten für "Blau" (Demokraten) oder "Rot" (Republikaner) zementiert hat. 

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Für die Mehrheit im "House of Representatives" werden 218 Sitze benötigt. Das heißt: Nur 70 Abgeordneten-Sitze stehen derzeit tatsächlich im Wettbewerb. Davon tendieren 30 zu den Demokraten, 18 zu den Republikanern. Ändert sich die Gemengelage nicht substanziell, entscheiden 22 Rennen darüber, wer die Mehrheit stellt und damit den Sprecher des Repräsentantenhauses. Der Speaker ist die Nummer 3 im Staatsgefüge.

Diese 22 Rennen, darunter allein sieben in den Bundesstaaten New York und Kalifornien, werden derzeit als "toss up" eingestuft, also von beiden Parteien gleichermaßen gewinnbar. Entsprechend viel Spenden-Geld für TV-Werbung fließt in diese Wettbewerbe. Weil die Kasse der Demokraten praller gefüllt ist, schlagen Republikaner bereits Alarm. Es fehlen circa 40 Millionen Dollar. Sie wissen: Um die aktuellen Mehrheitsverhältnisse - 220 Republikaner, 212 plus zwei für die Demokraten - auf den Kopf zu stellen, muss die Partei von Kamala Harris nur vier Wahlbezirke erobern.

Demokraten müssen bei den Senatswahlen viele Sitze verteidigen

Im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, sind die Mehrheiten noch enger. Dort stehen zurzeit 48 Demokraten plus drei Parteiunabhängige, die wie etwa der frühere Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders in der Regel mit ihnen stimmen, 49 Republikanern gegenüber - eine hauchdünne Mehrheit von 51 zu 49. Und die Perspektiven für die Partei des noch bis Januar amtierenden Präsidenten Joe Biden sind nicht unbedingt rosig.

Während das Repräsentantenhaus alle zwei Jahre komplett neu gewählt wird, stehen im Senat von den 100 Sitzen 33 zur Wahl. Dabei müssen 23 Demokraten ihre Sitze verteidigen, aber nur elf Republikaner. Von diesen elf sind neun bombensicher für die Republikaner. Auf der anderen Seite sieht es heikler aus. Dort bleiben - Stand heute - nur 19 Sitze fest oder wahrscheinlich in demokratischer Hand.

Die Sitze der Demokraten Jon Tester (Montana), Bob Casey (Pennsylvania) und Sherrod Brown (Ohio) sind schwer umkämpft. Das 23. Mandat, das in West Virginia durch den Rückzug des parteilosen Ex-Demokraten Joe Manchin neu zu vergeben ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit an den schwerreichen Republikaner Jim Justice fallen. Er ist aktuell Gouverneur des Bundesstaates.

Vizepräsidenten sind im Senat das Zünglein an der Waage

Jeder US-Bundesstaat entsendet zwei Senatoren nach Washington, die sechs Jahre im Amt bleiben. Im "Oberhaus" ist bei 50:50-Patt-Abstimmungen der Vizepräsident das Zünglein an der Waage. Aktuell ist es Kamala Harris, künftig entweder J.D. Vance, der Vize-Kandidat von Donald Trump, oder Tim Walz, Harris' Vize-Kandidat. Die amtierende Vizepräsidentin hat ihrer Partei weit über zehn Mal bei wichtigen Gesetzen den Erfolg gesichert.


„Wir sind hinter der Fünf-Yard-Linie. Wir können die Endzone bereits sehen. Und gemeinsam werden wir auch dahin kommen.“
Hakeem Jeffries, Minderheitenführer der Demokraten im Repräsentantenhaus

Wer im Kongress das Sagen hat, ist für Harris wie Trump gleichermaßen spielentscheidend. Die Demokratin kann etwa ihre umfassenden Versprechen in der Sozial- und Finanzpolitik (Steuergutschriften für neugeborene Kinder von 6000 Dollar im Jahr, Reichensteuer für Multi-Millionäre etc.) so gut wie vergessen, wenn das Repräsentantenhaus in Händen der "Grand Old Party" bleiben sollte.

Umgekehrt sind die Ankündigungen Trumps, Millionen illegale Einwanderer abzuschieben und bei Millionären die Steuern zu senken, das Papier kaum wert, auf dem sie geschrieben stehen, wenn es dazu keine passende konservative Mehrheit gibt.

Ohne Kongressmehrheit schwindet die Durchsetzungskraft des Präsidenten

Ein geteilter Kongress, in dem Demokraten oder Republikaner nicht bis zu den Zwischenwahlen 2026 zwei Jahre aus einem Guss agieren können, macht eine pragmatische Lösung von Problemen zusätzlich schwer. Ohne Mehrheit im Kongress ist die Durchsetzungskraft des Präsidenten limitiert. Ihm bleiben oft nur Exekutiv-Anordnungen und Dekrete. Beides kann mit einem Federstrich bei der nächsten Wahl durch den neuen Präsidenten zunichte gemacht werden.

Trotz der die Republikaner latent begünstigenden Lage im Senat ergehen sich die Demokraten nicht in Trübsal. Im Gegenteil. Sollten Montana, Ohio oder Pennsylvania verloren gehen, setzt man darauf, in konservativen Hochburgen wie Florida und Texas Erfolge zu feiern, um zu kompensieren.

Demokraten hoffen auf Erfolge in Texas und Florida

Beide Bundesstaaten verfolgen mit die strengsten Anti-Abtreibungsgesetze, die landesweit auf massive Ablehnung stoßen. Der Demokrat Chuck Schumer, Mehrheitsführer im US-Senat, träumt bereits davon, in der nächsten Amtsperiode den "Filibuster" abzuschaffen, ein hoch umstrittenes Blockade-Instrument, das bei vielen Gesetzesänderungen ein Quorum von 60 Stimmen nötig macht.

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Der Demokrat Hakeem Jeffries verbreitet Optimismus. Der Oppositionsführer im Repräsentantenhaus sieht seine Partei bei den Wahlen kurz vor dem Touchdown.

Noch mehr in Optimismus verbreitet der demokratische Minderheitenführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries. Der zu den erfolgreichsten Spenden-Eintreibern seiner Partei zählende New Yorker (bisher über 100 Millionen Dollar) verglich die Aussichten am Rande des Parteitags in Chicago mit einer kurz vor dem entscheidenden Touchdown stehenden Football-Mannschaft: “Wir sind hinter der Fünf-Yard-Linie. Wir können die Endzone bereits sehen. Und gemeinsam werden wir auch dahin kommen.”

Harris unterstützt Demokraten in Wahlkämpfen mit Millionen

Dabei hilft auch Geld von Kamala Harris, die in knapp einem Monat nach Bekanntgabe ihrer Kandidatur über 500 Millionen Dollar an Spenden eingenommen hat. 25 Millionen Dollar davon, so erklärte gerade ihr Wahlkampfteam, sollen in die am meisten umkämpften Rennen im Senat wie im Repräsentantenhaus investiert werden.

Und dann ist da noch Harris' Geheimwaffe: Tim Walz. Der Vizepräsidentschaftskandidat, Gouverneur des Bundesstaates Minnesota, genießt in Umfragen durch seine bodenständige Klartext-Sprache hohes Ansehen und könnte in Pennsylvania und Ohio den dort wackelnden Senatoren Casey und Brown Schützenhilfe leisten. Ein Vorteil, den Donald Trump so nicht hat. Seine Nummer zwei, J.D. Vance, leistete sich zuletzt mehrere Fehltritte und ist nach Erkenntnissen der Meinungsforscher herzlich unbeliebt.