Wahlkampf der Republikaner : Die Dissidenten küssen den Ring
Donald Trump beschließt den Republikaner-Parteitag mit Gesten der Versöhnung. Ein Imagewechsel des Präsidentschaftskandidaten nach dem Attentat bleibt aber aus.
Zum Ausklang des Nominierungs-Parteitags der Republikaner in den USA hat Präsidentschaftskandidat Donald Trump bei seiner ersten Rede nach dem Mordanschlag von Pennsylvania entgegen früherer Gewohnheiten zunächst mildere Töne angestimmt. Er rief in Milwaukee/Wisconsin das nicht zuletzt durch ihn selbst stark polarisierte Land zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf und versprach: "Ich kandidiere, um Präsident für ganz Amerika zu sein, nicht für die Hälfte Amerikas, denn es gibt keinen Sieg, wenn man für die Hälfte Amerikas gewinnt."
Später forderte er, dass Amerika endlich aufhören müsse, "Meinungsverschiedenheiten zu dämonisieren" und verlangte: "Die Zwietracht und die Spaltung in unserer Gesellschaft müssen geheilt werden."
Der Parteitag der Republikaner hat Donald Trump und J.D. Vance nominiert, das Gespann will am 5. November die US-Wahlen gewinnen.
Der 78-Jährige erzählte fast demutsvoll klingend, wie es war, als eine Gewehrkugel am Samstag bei einer Kundgebung sein Ohr streifte und er nur knapp dem Tod von der Schippe sprang. Wie auf einmal alles voller Blut gewesen sei. Wie die Agenten vom Secret Service sich aufopferungsvoll auf ihn gestürzt hätten, um ihn zu schützen. Wie er gesehen habe, dass das Publikum bei ihm blieb. "Ich fühlte mich sicher, ich hatte Gott an meiner Seite."
Trump bleibt Trump
Mit fortlaufender Redezeit verfiel der Republikaner jedoch in alte Muster und lieferte statt der versprochenen Gesten von Einheit und Versöhnung harte Attacken gegen die regierenden Demokraten. Sein Leitsatz: "Die zehn schlimmsten Präsidenten dieses Landes sind zusammen genommen nicht so schlimm wie Joe Biden." Trump erklärte, dass nach einem "phantastischen Wahlsieg" im November die hohe Inflation gesenkt und die "unerschwinglichen" Preise im Supermarkt bekämpft würden. Um amerikanische Arbeiter zu schützen, werde es Massen-Deportationen von illegalen Einwanderern geben, durch die die Löhne gedrückt würden. Trumps Fazit: "Wir sind ein Land im Abstieg."
Trump war an den drei vorangegangenen Kongresstagen in der Fiserv-Arena abends in der Ehrenloge seiner Familie anwesend, nahm die huldvollen Ehrbezeugungen und emotionalen Genesungswünsche der 2.500 Delegierten entgegen, die ihn zuvor einstimmig als Kandidat für die Wahl am 5. November bestätigt hatten. Er trat aber nicht ans Mikrofon. Trump hatte die veränderte Tonlage unmittelbar nach dem Attentat am vergangenen Samstag angekündigt. Über den Grad der Verletzung, die Trump seither mit einem weißen, 4 x 4 cm großen Pflasterverband dokumentiert, ist offiziell nichts bekannt. Statt einer vorbereiteten "extrem harten Rede" gegen die Demokraten und Joe Biden werde er eine Ansprache halten, "die unser Land vereint", hatte Trump versprochen. "Diesem Anspruch wurde er leider nicht gerecht", fiel das Blitz-Urteil in US-Medien aus.
Anhänger: Anschlag ist "göttliche Intervention"
Bei seinen oft tiefreligiösen Anhängern gilt der glückliche Ausgang des Anschlags als Beleg für eine "göttliche Intervention". Dass Trump kurz danach mit blutverschmiertem Gesicht kämpferisch die Faust ballte und seine Anhänger in der Kleinstadt Butler zum Kampf aufrief, hat dem Präsidentschaftskandidaten in der "Grand Old Party" den Status eines politischen Heiligen verschafft. Aus dem "säkularen Propheten", der eine populistische Bewegung anführt ("Make America Great Again" - kurz MAGA), sei ein "Messias-ähnlicher Heilsbringer" geworden, den "himmlische Kräfte immunisieren", erklären Trump-nahe Analysten in Washington.
Zu den wichtigsten Erkenntnissen des Parteitags, der reibungslos und geschlossen verlief, gehört: Die republikanische Partei alter Provenienz, die sich als "großes Zelt" verstand, in das viele konservative bis libertäre, globalistische wie isolationistische Flügel passten, gibt es nicht mehr. Waren 2016 beim ersten Anlauf Trumps noch Widerstandsnester auszumachen, die den damals politisch unerfahrenen New Yorker Geschäftsmann verhindern und andere Meinungen etablieren wollten, so hat die Partei heute stromlinienförmig hinter dem 78-Jährigen Aufstellung genommen.
Parteiinterne Opposition auf Linie
Trump hatte den Republikanern mit Hilfe seiner Schwiegertochter Lara Trump, die als Parteigeschäftsführerin wirkt, das Wahlprogramm vorgegeben, das in der Substanz klassischer Kurzmitteilungen Trumps ähnelt: Hier werden Massendeportationen illegaler Einwanderer gefordert, dort heißt es: "Die Inflation beenden und Amerika wieder erschwinglich machen." Oder: "Den dritten Weltkrieg verhindern und in Europa und im Nahen Osten Frieden herstellen." Oder: "Unser Land einen, in dem man es auf neue Rekordhöhen des Erfolgs bringt." Wie genau all das umgesetzt werden soll, blieb offen.
Die vollständige Trumpisierung illustriert am besten der Auftritt von zwei Dissidenten: Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, und Nikki Haley, Ex-Gouverneurin von North Carolina, waren im Vorwahlkampf erbitterte Gegner Trumps. Vor allem Haley, die bis zu ihrem Ausscheiden aus den Vorwahlen Trump im Schnitt 20 Prozent der Stimmen abjagte, hatte sich den Treuebekundungen zum Parteipatriarchen lange widersetzt. Tump verunglimpfte sie im Wahlkampf als "Spatzenhirn". Über den "Scheinheiligen" DeSantis hatte Trump noch Übleres parat. Beide Spitzenpolitiker bekamen medienwirksame Redeauftritte in Milwaukee, in denen sie demonstrativ den Ring küssten und Trump Loyalität schworen.
J.D.Vance will "MAGA-Politik" durchsetzen
Das Versprechen, den Parteitag im Zeichen von nationaler Versöhnung und Einheit abzuhalten, kontrastierte auch mit der zentralen Personalie: Mit dem jungen Senator James David (J.D.) Vance wurde ein hundertprozentiger Trumpianer zum Vize-Präsidentschaftskandidaten gekürt. Der 39-Jährige deutete in seiner Antrittsrede an, Trumps "MAGA"-Politik energisch durchzusetzen. Dazu gehören massive Strafzölle vor allem auf chinesische Importe und die Abschottung vor illegaler Einwanderung aus Mexiko. Ebenfalls dabei: Die Einstellung kostspieliger militärischer Aktionen wie die Finanzierung des ukrainischen Abwehrkampfs gegen Russland sowie die politische Hinwendung zur Arbeiterklasse, die viel zu lange von den Eliten in Washington verschaukelt worden sei.
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Vance hatte sich in den vergangenen Jahren, was Trump angeht, komplett gedreht. Nannte er ihn 2016 noch "Amerikas Hitler" und einen konzeptionslosen "Idioten", so war er nach dem Attentat auf den Ex-Präsidenten als Erster mit der Behauptung in sozialen Medien unterwegs, dass Joe Biden Trump im Wahlkampf als Faschisten dargestellt habe, den es um jeden Preis aufzuhalten gelte. "Diese Rhetorik hat direkt zum versuchten Attentat auf Donald Trump geführt." Da Trump im Falle eines Wahlsieges im Januar 2029 laut US-Verfassung ausscheiden muss, könnte Vance, Autor des Bestseller-Romans "Hillbilly Elegy", sein Erbe antreten und die "MAGA"-Bewegung in die nächsten Jahrzehnte führen.
Der Autor ist US-Korrespondent der Funke-Mediengruppe.