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Alte Spitzenpolitiker : "Für einen Generationenwechsel braucht es den Druck der Jüngeren"

Viele Politiker in den USA sind schon ziemlich alt. Der Politologe Michael Werz erklärt die Hintergründe und rät Jüngeren, mehr Druck zu machen.

28.10.2024
True 2024-10-28T15:47:16.3600Z
4 Min

Die US-Politik steht in dem Ruf, überaltert zu sein. Joe Biden (81), Donald Trump (78), Mitch McConnell (82) und Nancy Pelosi (84) sind Beispiele dafür. Der Politikforscher Michael Werz über Ursachen und Folgen einer hochaltrigen Führungsriege.


Herr Werz, in den USA arbeiten auffällig viele Politiker bis weit über das Rentenalter hinaus. Haben die Alten zu viel Macht?

Michael Werz: Ich glaube, es wäre eine Vereinfachung, das so zu sagen. Ja, die Institutionen sind altersmäßig nicht repräsentativ. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Interessen der Jüngeren nicht vertreten werden. Gleichzeitig gibt es Schlüsselfragen moderner Gesellschaften, etwa zu Klimawandel und Einwanderung, die generationell unterschiedliche Auswirkungen haben. Aber ich würde davor zurückschrecken, mich auf die eine oder andere Seite zu werfen: Jugend allein ist keine Qualifikation, Alter allein kein Ausschlussgrund. Und umgekehrt.

Michael Werz
ist Politikwissenschaftler und Senior Fellow am Center for American Progress (CAP), einem Thinktank in Washington DC. Er ist USA-Kenner und Demografie-Experte.

Woran liegt es, dass in den Vereinigten Staaten häufiger Hochbetagte in wichtige Positionen kommen - und bleiben?

Michael Werz: Das hat sowohl persönliche als auch strukturelle Gründe. Ein Beispiel: die Machtfülle des Präsidenten. Sich von einem solchen Amt zu lösen, ist eine schwierige Entscheidung. Zweitens kommt hinzu, dass amtierende Abgeordnete, vor allem im Senat, der nur alle sechs Jahre gewählt wird, in gewisser Weise Lebenszeit-Abonnements haben. Vor allem in kleineren Bundesstaaten bestehen häufig starke lokale Bindungen, die für andere kaum angreifbar sind. Der dritte Punkt ist das Gerrymandering, also der parteipolitisch motivierte Zuschnitt von Wahlkreisen. Das hat zur Folge, dass im Abgeordnetenhaus nur knapp zehn Prozent der Sitze überhaupt im Wettbewerb sind. Alle anderen sind vorab entschieden: entweder demokratisch oder republikanisch. Man muss also nur die Vorwahlen in der eigenen Partei gewinnen. Wer den Rückhalt der Partei hat, ist in einer sicheren Position und kann quasi endlos weitermachen. 

Fällt es also jüngeren Kandidaten schwerer, die Partei hinter sich zu bringen?

Michael Werz: Politisches Engagement hat in den USA höhere Eingangshürden als etwa in Deutschland. Im Unterschied zum Bundestag, bei dem sich die Hälfte der Sitze über Landeslisten konstituiert, wird in den USA jeder Abgeordnete direkt gewählt. Die Partei muss sich also genau überlegen: Ist diese Person für die Menschen im Wahlkreis wählbar? Das führt dazu, dass sich Kandidaten zunächst sehr viel stärker gesellschaftlich etabliert haben müssen.

Dass Abgeordnete im Schnitt älter sind als die Bevölkerung, ist nicht ungewöhnlich. In den USA scheint die Differenz aber besonders groß. Fühlen sich Jüngere in den USA überhaupt repräsentiert?

Michael Werz: Auf die Bundesebene geschaut, fühlt sich in den USA fast niemand so richtig repräsentiert. Das liegt allerdings an der allgemeinen schlechten Laune, was Politik angeht. Da sind Junge keine Ausnahme. 


„Zu sagen, es ist die Schuld der Älteren, die an ihren Ämtern festhalten, ist jedoch nur eine Dimension.“
Michael Werz, Politikwissenschaftler

Sehen Sie trotzdem Unterschiede zwischen den Generationen? 

Michael Werz: Jüngere Amerikanerinnen und Amerikaner sind politisch und weltanschaulich zum Teil stärker in Hautfarben und ethnische Gruppen organisiert. Man kann deshalb einen weniger universell und stärker partikulär geprägten Blick auf die Politik beobachten: Was bedeutet das für mich als Latino? Als asiatische Einwandererfamilie? Als Schwarze oder Weiße?

Die Zivilgesellschaft ist extrem stark ausgeprägt, was auch politisch wichtige Effekte hat. Viele junge Menschen sind jedoch nicht bereit, in die großen Parteien einzutreten und dort Politik zu machen. Das wird erschwert durch das Zwei-Parteien-System. Es gibt keine Kleinparteien mit starker politischer Ausrichtung, sondern breite Bündnisse. Man muss also mit sehr viel mehr Kompromissbereitschaft in die Politik gehen und das schreckt viele Jüngere ab. Dazu kommt die kontinentale Ausdehnung. Durch die geografische Distanz und die starken kulturellen Unterschiede ist die Identifikation mit der Zentralregierung schwach. Ich vermute, dass auch das dazu beiträgt, dass Jüngere, wenn sie sich politisch engagieren, dies eher in ihren unmittelbaren Gemeinschaften tun. Die Frage, ob man auf der Bundesebene in die Politik eintritt, ist weiter entfernt von der eigenen Biografie.

Braucht es einen Generationenwechsel?

Michael Werz: Auf der Bundesebene gibt es zu wenige Role Models. Deshalb sind junge Abgeordnete wie die Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez wichtig. Allerdings zeigt das Beispiel Joe Biden, der aus Altersgründen aus dem Weg geräumt wurde, dass es durchaus Verjüngungskuren gibt. Und die werden zum Teil nicht gerade mit Samthandschuhen durchgeführt. Meiner Meinung nach ist ein gewisses Maß an Lebenserfahrung in der Politik wichtig. Allerdings sollten Abgeordnete auch loslassen können. Zu sagen, es ist die Schuld der Älteren, die an ihren Ämtern festhalten, ist jedoch nur eine Dimension. Eine andere ist, dass es für einen Generationenwechsel den Druck der Jüngeren braucht.

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