Wahlen zum US-Kongress : Enges Rennen um die Macht im Kapitol
Wer nach den Wahlen im Senat und im Repräsentantenhaus die Mehrheit hat, ist völlig offen. Davon hängt aber die politische Beinfreiheit des nächsten Präsidenten ab.
Das Rennen um die US-Präsidentschaft verspricht sehr knapp zu werden. Die Legislative passt sich dem an. Ob Demokraten oder Republikaner die Kontrolle über Repräsentantenhaus und Senat in Washington gewinnen, was je nach Ausgang der Wahl die politische Beinfreiheit von Kamala Harris oder Donald Trump bestimmen wird, ist kurz vor dem Wahlgang ebenfalls ungewiss.
Das Kapitol in Washington, D.C.: Die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus sind umkämpft.
Tendenziell werden der "Grand Old Party" im Moment bessere Chancen eingeräumt, den Senat zu erobern. Die Demokraten hingegen liebäugeln mit einem Machtwechsel im "House". In beiden Kammern trennen nur sehr wenige Mandate die Rollenverteilung zwischen Koch und Kellner.
Käme es zu einer gesplitteten Machtverteilung, sind bis zu den Zwischenwahlen 2026 erhebliche Reibungsverluste zwischen Weißem Haus und Parlament programmiert, die Gestaltungsmacht des Präsidenten beziehungsweise der Präsidentin wäre empfindlich eingeschränkt. Bei knappen Mehrheitsverhältnissen könnten radikale Einzelgänger, die gegen ihre Fraktion votieren, Sand ins Regierungsgetriebe werfen.
Schlechte Stimmung: 50 Parlamentarier haben ihren Rückzug verkündet
Zumal die Arbeitsatmosphäre im Kongress bedenklich schlecht ist. Über 50 Parlamentarier haben ihren Ausstieg erklärt, fast zehn Prozent des Kongresses. Bei den Republikanern ist Donald Trump der Hauptgrund für den Exodus. Der Ex-Präsident hatte seiner Partei bereits bei den Kongress-Zwischenwahlen 2022 geschadet.
Es war vorher eine "rote Welle" (sprich: viele zusätzliche Mandate für die Republikaner) prognostiziert worden. Sie blieb aus. Trump polarisiert zu sehr. Abgeordnete wie Ken Buck (Colorado) oder Mike Gallagher (Wisconsin), die Trumps "destruktiven Einfluss" auf die Fraktion beklagten, wollten sich dem nicht mehr aussetzen. Das gilt im Senat auch für den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney.
Flügelkämpfe dominieren weiter in der Republikanischen Partei
Bei den Demokraten ist nach dem Wechsel an der Spitze von Nancy Pelosi zu Hakeem Jeffries der Hof bestellt. Die Fraktion arbeitet geräuschlos. Einst progressive Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer haben sich integrieren lassen. Anders die Republikaner. Die Partei leidet weiter unter Flügelkämpfen. Das bisher prominenteste Opfer war Kevin McCarthy. Er war bis zu seinem vom rechten Rand der Fraktion betriebenen Rauswurf als "Mr. Speaker" hinter Präsident und Vizepräsidentin die Nr. 3 im Staatsgefüge.
Durch Nachfolger Mike Johnson (Louisiana), der sein Wirken eng an den Begehrlichkeiten von Donald Trump ausrichtet, ist nicht die erhoffte Konsolidierung eingetreten. Radikale Abgeordnete wie Matt Gaetz oder Marjorie Taylor Greene drohen in unregelmäßigem Abstand damit, seine Abwahl zu initiieren. Für diesen Fall werden dem Trump-Verbündeten Jim Jordan Chancen eingeräumt.
Der 118. Kongress hat nur 40 Gesetze verabschiedet
Die Zerrissenheit der "Grand Old Party", die von moderat-konservativ bis ultra-nationalistisch mehrere Machtzentren hat, ist nach Ansicht von Analysten der Hauptgrund für die mangelhafte Produktivität des 118. Kongresses. Weniger als 40 Gesetzesvorhaben wurden gestemmt. Im 117. Kongress verabschiedete das Repräsentantenhaus unter demokratischer Führung über 300 Gesetze.
Im Senat steht bei den Konservativen ein prominenter Wechsel an. Mitch McConnell, über Jahrzehnte der Strippenzieher schlechthin, geht aufs Altenteil. John Cornyn aus Texas, John Thune aus South Dakota und Rick Scott aus Florida bringen sich als Nachfolger in Stellung. Auf demokratischer Seite herrscht bis auf Weiteres mit Mehrheitsführer Chuck Schumer Kontinuität.
Nur wenige Rennen im Repräsentantenhaus sind unentschieden
Von 435 Sitzen im "House" sind nach den aktuellen Erhebungen des parteiunabhängigen "Cook Report" 409 Mandate (202 Demokraten, 207 Republikaner) so gut wie vergeben. Dies ist das Resultat des von beiden Parteien durch das sogenannte "Gerrymandering" geregelten Zuschnitts der Wahlkreise. Dadurch sind beständige Mehrheiten für "Blau" (Demokraten) oder "Rot" (Republikaner) nahezu zementiert.
Der US-Kongress auf einen Blick
💼 Der Senat, das “Oberhaus”, besteht aus 100 Senatoren. Ihre Amtszeit beträgt jeweils sechs Jahre. Quoren machen einfache Mehrheitsentscheidungen fast unmöglich.
📝 Dem Repräsentantenhaus gehören 435 Mitglieder an. In dieser Kammer reicht eine einfache Mehrheit, um die meisten Beschlüsse zu fassen.
📅 Kongresswahlen finden alle zwei Jahre statt. Dabei stehen alle Mitglieder des Repräsentantenhauses zu Wahl. Im Senat ist es jeweils ein Drittel der Mitglieder.
Für die Mehrheit im "House of Representatives" werden 218 Sitze benötigt. Aktuell stehen sich 220 Republikaner und 212 Demokraten gegenüber, wobei drei Sitze vakant sind. Das ist einer der kleinsten Vorsprünge in der Parlamentsgeschichte. Laufen fünf Republikaner bei einer Abstimmung über, ist die Mehrheit futsch.
Vor dem Wahltag am 5. November sind damit nur 26 Abgeordneten-Sitze so stark umkämpft, dass man von "toss up" spricht, sprich: von beiden Parteien gleichermaßen zu holen. Acht dieser Rennen spielen sich in den bevölkerungsreichen Bundesstaaten New York und Kalifornien ab. Darum fließt der Löwenanteil der Parteispenden für TV-Werbung in diese Regionen.
Demokraten bangen um Mehrheit im Senat
Im Senat sind die Mehrheiten noch enger. Dort stehen zurzeit 47 Demokraten plus vier Parteiunabhängige, die wie etwa der frühere Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders in der Regel mit ihnen stimmen, 49 Republikanern gegenüber. Die demokratische "Majority" von 51 zu 49 ist hauchdünn. Anders als im "House" werden nicht alle 100 Senatoren und Senatorinnen neu gewählt, sondern nur 34. Schon ein, zwei Siege oder Niederlagen können das Machtgefüge dramatisch ändern. Allerdings sind knappe Mehrheiten im Senat nicht so durchschlagkräftig wie im Repräsentantenhaus. Für die meisten Gesetze sind aufgrund des sogenannten Filibusters 60 Stimmen erforderlich.
Demokraten und Unabhängige haben diesmal 23 Sitze zu verteidigen, die Republikaner nur elf. Einige dieser Sitze befinden sich in Bundesstaaten, die Donald Trump 2020 gewonnen hat. Die Startbedingungen für die Demokraten sind widrig. Mindestens drei Mandate - Jon Tester (Montana), Tammy Baldwin (Wisconsin) und Sherrod Brown (Ohio) - sind heftig umkämpft oder tendieren in den Umfragen republikanisch. Auch der Kampf um Michigan zwischen Elissa Slotkin (Demokraten) und Mike Rogers (Republikaner) steht auf Messers Schneide. Durch den Rückzug von Senator Joe Manchin wird West Virginia mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Republikaner Jim Justice fallen. Bleiben Sensationen - ein demokratischer Sieg gegen Rick Scott (Florida) und Ted Cruz (Texas) - aus, spricht vieles für eine Machtübernahme der Republikaner. Daran würde auch der in Nebraska gerade aussichtsreich im Rennen liegende Parteiunabhängige Dan Osborn wohl nichts ändern.
Bei den Demokraten herrscht nach Joe Bidens Verzicht auf eine erneute Kandidatur Euphorie. Doch dass Kamala Harris Donald Trump schlagen kann, ist nicht ausgemacht.
Der „Super Tuesday“ gilt als wichtige Etappe im US-Vorwahlkampf. Ex-Präsident Donald Trump bleibt weiterhin klar auf Erfolgskurs bei den Republikanern.
Um die 240 Millionen Amerikaner dürfen am 5. November wählen - tatsächlich werden es weniger sein. Der Präsident wird wiederum von Wahlmännern und -frauen gewählt.
Jeder US-Bundesstaat entsendet zwei Senatoren nach Washington, die sechs Jahre im Amt bleiben. Im "Oberhaus" ist bei 50-zu-50-Patt-Abstimmungen der Vizepräsident (seit 2021 Kamala Harris, künftig J.D. Vance oder Tim Walz) das Zünglein an der Waage. Harris hat ihrer Partei weit über zehnmal bei wichtigen Gesetzen den Erfolg gesichert.