Gastkommentare : Macht der Bund genug für Bildung? Ein Pro und Contra
Bildung ist eigentlich Ländersache. Doch immer wieder werden Rufe laut, ob der Bund nicht mehr tun könnte. Uwe Jahn und Ursula Weidenfeld im Pro und Contra.
Pro
Im Rahmen seiner Zuständigkeit tut der Bund genug
Der Bund tut genug für Bildung - jedenfalls im Rahmen seiner Zuständigkeit. Er kommt für das BAföG auf, hat sich um den Kita-Ausbau gekümmert, den Digitalpakt mit Milliardenbeträgen angeschoben, legt Schulbauprogramme auf. Jetzt initiiert er das Startchancenprogramm, mit dem er dafür sorgt, dass benachteiligte Schulen zusätzliches Geld bekommen. Und all das, obwohl ihn vieles davon eigentlich nichts angeht. Stichwort Bildungsföderalismus - das heißt: Zuständig für Bildung in Deutschland sind die Länder.
Eifersüchtig passen sie auf, dass der Bund sich ja nicht einmischt. Alle Versuche des Bundes, die föderale Bildungspolitik besser aufeinander abzustimmen als die Kultusministerkonferenz: vergebens. Der Nationale Bildungsrat, den einst Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) ins Leben rufen wollte: ins Leere gelaufen. Der Bildungsgipfel, den die jetzige Bundesbildungsministerin angestrengt hat: versandet. Dabei gibt es angesichts der traurigen Ausgangslage, der Verluste bei allen Bildungsstudien, keine Ausreden mehr, warum die Länder wieder eine Initiative der Bundesregierung boykottieren. Die Klage, der Bund gebe oft nur Geld, wenn die Länder sich zur Hälfte beteiligen, wirkt dabei sehr selbstgerecht, gehen doch viele Pleiten und Pannen bei der schleppenden Umsetzung des Digitalpaktes aufs Konto der Länder.
Im internationalen Vergleich der Bildungsausgaben liegt Deutschland eher im Mittelfeld. Aber bevor man einfach mehr Geld ins System pumpt, sollte man überlegen, wer es tut. Am besten kennen die Kommunen ihre Schulen. Sie benötigen mehr Mittel. Hier müsste der Bund dafür sorgen, dass die Kommunen den Schulen geben können, was diese brauchen.
Contra
Mehr Geld heilt nicht das Ungerechte im Schulsystem
Nein, tut er nicht. Er gibt zwar jetzt mehr Geld für Bildung in Schulen mit besonders benachteiligten Kindern - aber das heilt nicht das eklatant Ungerechte im Schulsystem. Denn Bildung ist nicht nur eine Frage von Geld. Es geht auch darum, wie das Geld eingesetzt wird. Und von wem.
Geld kauft keine Noten und keinen Bildungserfolg. Den Unterschied machen die Lehrer. Nicht die Länder mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben in der Bildung schneiden bei Schulvergleichen am besten ab, sondern die Länder und Schulen mit den besten Schuldirektoren und den besten Lehrern. Die Lehrkräfte in Deutschland werden im internationalen Vergleich exzellent bezahlt, sie haben lange Zeiten zur Regeneration. Am Geld liegt es nicht, dass sie überlastet, überfordert und oft genug ratlos sind. Es wäre langfristig und nachhaltig gut investiertes Geld, die gescheitesten und sozialsten Schulabgänger für den Lehrerberuf zu werben und auszubilden. Es wäre richtig, sie für die Aufgabe zu begeistern, statt ihnen die Vorzüge von Beamtenstatus und endloser Ferien auszumalen.
Auch das neue Programm selbst hat Schwächen. Es investiert in Schulsozialarbeiter und moderne Klassenzimmer, verpflichtet Schulen und Lehrer aber nicht, mehr und bessere Deutsch- und Mathematikstunden zu geben. Es gibt den Grundschulen mit besonders benachteiligten Schüler eine bessere Ausstattung, den Kindergärten aber nicht. Verpflichtende Sprachförderung in der Kita, kostenlose Nachhilfe für gefährdete Schüler, Ganztagsbetreuung und Kurse in den Ferien haben für den Überraschungserfolg der Hamburger Schulen in den jüngsten Schulvergleichen gesorgt - klimaneutrale Klassenzimmer nicht so sehr.
Die CSU-Politikerin wünscht sich mehr Geld für die Bildung. Das Startchancen-Programm adressiere nur ein Bruchteil der Schüler, sagt sie.
Die Ampelkoalition verspricht sich vom Startchancenprogramm einen Paradigmenwechsel. Die Opposition bleibt skeptisch. Die AfD fordert einen Investitionsfonds.
Ein ehrgeiziges Bildungsvorhaben von Bund und Ländern soll im Sommer an den Start gehen - das Startchancenprogramm. Das Ziel: Bildung soll gerechter werden.