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Editorial : Das Feld selbst bestellen

Der Bundestag diskutiert fast jede Woche über die hohe Zahl an Flüchtlingen in den Städten und Gemeinden. Das ist gut, denn das Feld würde sonst anderen überlassen.

15.03.2024
True 2024-10-24T12:17:20.7200Z
2 Min

Im Mai wird das Grundgesetz 75 Jahre alt. Es ist die Klammer unseres Gemeinwesens. Sie umfasst das demokratische Spektrum, innerhalb dessen alles zur Disposition stehen darf. Was außerhalb liegt, ist nicht verhandelbar und kann erstmal keine Frage der politischen Entscheidung sein. Verliert sich eine Debatte zunehmend in der Polarisierung, kann die Versicherung hilfreich sein, dass man auf der richtigen Seite der Klammer steht.

Das gilt zum Beispiel in der Debatte, wie viele Menschen auf der Flucht dieses Land aufnehmen kann. 330.000 Menschen suchten im vergangenen Jahr Schutz in Deutschland, der höchste Stand seit den Jahren 2015/16. Zusätzlich bot Deutschland bislang 1,1 Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Schutz. Dass Städte, Kreise und Gemeinden unter dieser Herausforderung immer lauter ächzen, wird von kaum jemanden mehr überhört. Es ist deshalb richtig, wenn nun die Debatte darüber in fast jeder Woche auf der Tagesordnung des Bundestages steht. Es muss über die hohen Zahlen geredet werden. Das Plenum ist hierfür ein mindestens so gut geeigneter Ort wie die Talkshows im Fernsehen oder die Sozialen Medien. Es ist gut, dass der Bundestag diesen Arenen nicht das politische Feld überlässt.

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Um das Feld selbst zu bestellen, muss aber die Bandbreite der Positionen deutlich werden. Dieselbe Bandbreite gibt es auch in der Gesellschaft. Die Beobachter dürfen beispielsweise nicht rätselnd bei der Frage zurückbleiben, wieso die Bezahlkarte für Geflüchtete den Bundestag noch nicht erreicht hat, obwohl die Bundesregierung sich schon auf einen Gesetzentwurf geeinigt hat. Das kann kaum an offenen Details liegen, die werden bei jedem Gesetz in der Ausschussarbeit geklärt. Auch die immer wieder aufkommende Diskussion um Obergrenzen bräuchte mal einen konkreten Textentwurf für die Debatte.

Die zunehmende Verschärfung der Regelungen für Flüchtende, in Deutschland als auch auf EU-Ebene, kann aus einem humanitären Blickwinkel ernüchternd erscheinen. Das Schicksal dieser Menschen vor Augen, können solche Debatten eisig wirken und auch das befördert die Polarisierung und Emotionalisierung. Zu leicht leitet sich daraus ein politischer Vorwurf ab. Solche Vorwürfe lassen die Kommunen am Ende alleine zurück. Unserer Verfassung wäre in der Debatte nur eines wichtig: Eine Lösung muss innerhalb ihrer Klammer liegen.