Vorschau auf die Sitzungswoche : Was diese Woche im Bundestag wichtig wird
Der Bundestag berät über Bürokratieentlastung, Bekämpfung des politischen Islams, BAFöG-Novelle und 75 Jahre Grundgesetz -und wählt eine neue Datenschutzbeauftragte.
Inhalt
Die Sitzungswoche beginnt am Mittwoch mit der Regierungsbefragung, bei der sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) den Fragen der Abgeordneten stellen. Bei einer von der Unionsfraktion beantragten Aktuellen Stunde sollen am gleichen Tag die Vorgänge um Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) im Zusammenhang mit der Abschaltung der Atomkraftwerke aufgeklärt werden.
Der Sitzungstag am Donnerstag startet mit einer Vereinbarten Debatte anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Europarates. Ebenfalls 75 Jahre gibt es das deutsche Grundgesetz. Den Tag des Grundgesetzes am 23. Mai als Gedenktag aufzuwerten, fordert die Union in einem Antrag, der ebenfalls am Donnerstag beraten wird. In einer von den Ampel-Fraktionen beantragten Aktuellen Stunde wird es am Nachmittag zudem um Gewalt gegen Ehrenamt, Politik und Einsatzkräfte gehen. Am gleichen Tag gibt es auch Debatten zum WHO-Pandemievertrag und über Mindeststrafen für Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte.
Wahl der neuen Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit
Gewählt wird am Donnerstag auch: Die Bundesregierung hat als neue Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Louisa Specht-Riemenschneider, Lehrstuhlinhaberin für Bürgerliches Recht, Informations- und Datenrecht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, nominiert. Sie soll auf Ulrich Kelber folgen, dessen Amtszeit zum Jahresende abgelaufen war und der die Geschäfte seit Januar kommissarisch führt.
Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz der Bundesregierung wird am Freitag in erster Lesung beraten. Mit dem Berufsbildungsbericht 2024 steht eine weitere Regierungsvorlage auf der Tagesordnung. Nachdem schon am Mittwoch über ein Verbot des Vereins „Muslim Interaktiv“ debattiert wurde, stellte die Bekämpfung des politischen Islams auch am Freitag einen Debattenschwerpunkt dar. Die Tagesordnung für diese Sitzungswoche umfasst aktuell 36 Punkte.
Aktuelle Stunde am Mittwochnachmittag zu Habecks Rolle beim Atom-Aus
Eigentlich schien die Sache schon ausgestanden. Die erste mediale Aufregung um die Vorwürfe, dass im Wirtschaftsministerium Informationen zurückgehalten wurden, die gegen eine Abschaltung der Atomkraftwerke im letzten Jahr gesprochen haben, hatte sich gelegt. Sowohl Bundeswirtschaftsminister Habeck als auch Bundesumweltministerin Lemke hatten sich in der vergangenen Sitzungswoche in Ausschusssondersitzungen erklärt.
Dabei schienen sie sämtliche Vorwürfe, interne Bedenken gegen das Atom-Aus unterdrückt zu haben, zurückgewiesen zu haben. Auch dem Ampelpartner FDP, anfangs skeptisch, erschien die Argumentation von Habeck und Lemke schlüssig.
Inzwischen gibt es aber neue Irritationen. Kraftwerksbetreiber wehren sich gegen Habecks Aussage, sie hätten seinerzeit einen Weiterbetrieb für nicht möglich gehalten. Die Union sieht daher weiteren Klärungsbedarf. Für Mittwoch hat sie eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Kernkraft-Aus – Vorgänge um Bundesminister Habeck und Bundesministerin Lemke transparent aufklären“ beantragt.
Oppositionsanträge zu Gefahren durch den politischen Islam und islamistische Netzwerke
Die Warnungen werden lauter. Islamistische Netzwerke in Deutschland finden immer mehr Zulauf. Schon mehrmals wurde auf offener Straße bei Veranstaltungen des Vereins „Muslim interaktiv“ zur Gründung eines Kalifats und damit der Abschaffung der Demokratie aufgerufen. Unter anderem Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte daraufhin ein Verbot der Organisation gefordert. Die Lifestyle-Islamisten mit Gangster-Image und Erfahrungen im Kampfsport suchen und finden die Aufmerksamkeit junger Menschen. „Der Islamismus ist weiter auf dem Vormarsch“, sagte Reul bei der Vorstellung des „Lagebild Islamismus 2024“.
Dem Thema widmet sich auch der Bundestag in dieser Woche gleich zweimal. Am Mittwoch werden Anträge der AfD-Fraktion mit den Titeln „Verbot des Vereins ‚Muslim Interaktiv‘“ und „Kampf in Deutschland gegen islamistische Organisationen jetzt zeitnah mit Hilfe weiterer Maßnahmen und Verbote konsequent fortführen“ beraten. Freitag wird der Unionsantrag „Den politischen Islam als Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie jetzt wirksam bekämpfen“ debattiert und an die Ausschüsse überwiesen.
Nach Änderungswünschen der Länder: Debatte über Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr
Zu später Stunde am Donnerstag befasst sich der Bundestag erneut mit dem Thema Cannabis-Legalisierung. Hintergrund der Nachjustierung ist eine Protokollerklärung, die die Bundesregierung im Rahmen der Sitzung des Bundesrates am 22. März 2024 zum Cannabis-Gesetz abgegeben hat, ohne die es wohl keine Zustimmung der Länder gegeben hätte. Die Veränderungen sollen nun den Bedenken und Wünschen der Länder Rechnung tragen. So soll unter anderem die im Konsumcannabisgesetz vorgesehene Evaluation erweitert und die Kontrolle von Anbauvereinigungen durch die Länder flexibilisiert werden.
Brisant ist die ebenfalls geplante Änderung der Straßenverkehrsgesetzes. Die darin vorgesehene Erhörung des THC-Grenzwertes von 1,0 ng/ml auf 3,5 ng/ml stößt auf massiven Widerstand bei Union und AfD, wie schon in der Debatte in der letzten Sitzungswoche deutlich wurde. Auf Kosten der Verkehrssicherheit wolle die Ampel die Cannabis-Legalisierung im Straßenverkehr vorantreiben, hieß es von Seiten der Union. Diese wolle durch das Festhalten am alten Grenzwert ein Cannabis-Verbot durch die Hintertür, entgegneten Ampel-Vertreter.
Erste Lesung am Donnerstagmittag: BAföG-Novelle ohne Erhöhung der Bedarfssätze
Am Donnerstagmittag berät der Bundestag erstmals die 29. BAföG-Novelle. Darin ist eine Studienstarthilfe von 1.000 Euro für junge Menschen aus ärmeren Haushalten für die Erstausstattung im Studium geplant. Vorgesehen ist auch die Gewährung eines „Flexibilitätssemesters“, das einmalig ohne weitere Voraussetzungen über die Förderungshöchstdauer des jeweiligen Studiengangs hinaus in Anspruch genommen werden kann. Zudem soll die Frist für die Verlängerung, innerhalb derer ein Fachrichtungswechsel vorgenommen werden kann, verlängert werden.
Nicht vorgesehen ist hingegen eine Erhöhung des BAFöG-Satzes – weder beim BAföG-Grundbedarf noch bei der Wohnkostenpauschale. Ein breites Bündnis aus Deutschem Studierendenwerk, Gewerkschaften, kirchlichen Organisationen, freien Studierendenvertretungen und Verbänden fordert daher schon jetzt massive Nachbesserungen.
Neben der Novelle werden auch ein Antrag der Union „Das BÄföG auf die Höhe der Zeit bringen“, ein Antrag der AfD „Kernprobleme des BAföG angehen – Antragsverfahren vereinfachen, Zuschuss vom Darlehen entkoppeln, Beiträge erhöhen und Dynamisierung gesetzlich verankern“ sowie ein Antrag der Gruppe Die Linke „BAföG unverzüglich existenzsichernd und krisenfest gestalten“ beraten.
Dauerbrenner Bürokratieabbau: Debatte über Bürokratieentlastungsgesetz am Freitagmorgen
Dem Bürokratieabbau hat sich im Grunde jede Bundesregierung in der näheren Vergangenheit verschrieben. Nach wie vor aber stöhnen vor allem die Unternehmen unter bürokratischen Belastungen. Die Ampel startet mit dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz, das am Freitagmorgen in erster Lesung beraten wird, einen neuen Versuch.
Ein wesentlicher Beitrag zur Entlastung soll sein, dass die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Damit reduzierten sich die Kosten für das sichere Verwahren, weil beispielsweise keine zusätzlichen Räume für die Lagerung der Unterlagen angemietet werden müssen, schreibt die Bundesregierung. Auch Kosten, die durch eine elektronische Speicherung verursacht werden, werden mit den verkürzten Fristen reduziert. Allein für diesen Punkt wird mit einer jährlichen Entlastung von rund 626 Millionen Euro gerechnet.
Zudem soll für deutsche Staatsangehörige die Meldepflicht in Hotels entfallen. Ermöglicht werden sollen auch mehr digitale Rechtsgeschäfte ohne eigenhändige Unterschrift. Eine E-Mail, eine SMS oder eine Messenger-Nachricht soll künftig ausreichen. Die Gesamtentlastung durch das Gesetz – einschließlich der Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger sowie der Verwaltung – liegt laut Bundesregierung bei über einer Milliarde Euro.
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