Kunstsammlung : Wie ein Zusammenspiel zwischen Architektur und Kunst entsteht
Seit 1969 sammelt der Bundestag Kunst. Mittlerweile zieren über 5.000 Werke von mehr als 2.000 Kunstschaffenden die Flure, Fassaden und Büros der Abgeordneten.
Besuchergruppen verweilen davor, Mitarbeiter gehen täglich daran vorbei, und Abgeordnete verschönern ihre Büros damit: Die Kunstwerke im Deutschen Bundestag sind weit mehr als bloße Dekoration. Seit der Gründung der Kunstsammlung des Bundestages im Jahr 1969 hat sich diese zu einer bedeutenden Kollektion entwickelt, die das künstlerische und politische Leben in Deutschland widerspiegelt. Aus gelegentlichen Zuwächsen ist seit dem Umzug des Parlaments nach Berlin systematisches Sammeln geworden. Mittlerweile umfasst die Sammlung des Bundestages mehr als 5.000 Werke von über 2.000 Künstlerinnen und Künstlern.
Förderung junger Kunstschaffender
"Die Kunstwerke erzählen die verschiedensten Geschichten und sie regen zum Dialog zwischen Kunst und Politik an", erklärt Kristina Volke, die Kuratorin der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages. Bei der Auswahl berücksichtige man technisch sowie konzeptionell besonders interessante Werke. Dabei spielen auch etablierte Namen eine Rolle - im vergangenen Jahr etwa wurde ein inzwischen selten zu kaufendes Werk der Bildhauerin, Aktionskünstlerin und Filmemacherin Rebecca Horn angekauft. Vor allem aber auch jungen und weniger bekannten Künstlerinnen und Künstlern wird eine Bühne geboten.
Die Kunstsammlung des Bundestages umfasst mehr als 5.000 Einzelstücke von über 2.000 Kunstschaffenden.
Die Verantwortung für die Auswahl der Kunstwerke liegt beim Kunstbeirat des Deutschen Bundestages. Dem Beirat unter Vorsitz der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) gehören Abgeordnete aller Fraktionen an. Sie entscheiden gemeinsam über Neuankäufe und Auftragsvergaben, gegebenenfalls ist auch die Baukommission involviert. Auf der Webseite des Bundestages werden sämtliche Ankäufe dokumentiert.
Nach einer Bundestagswahl gehen die Nachfragen von Abgeordneten ein
Ein vielfältiges und beeindruckendes Zusammenspiel zwischen Architektur und Kunst ist so an zahlreichen Orten des Parlaments entstanden - und entsteht immer wieder neu, wenn die Abgeordneten für die ihnen zugeteilten Büros Werke aus der "Artothek" bestellen.
Denn das ist neben der "Kunst am Bau" Hauptzweck der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages, die mehr ist als ein Museum im Parlament: Kunst für die Abgeordnetenbüros zur Verfügung zu stellen. Hat sich nach einer Bundestagswahl das Parlament neu konstituiert, gehen beim Kunstreferat die Nachfragen ein, wie Volke berichtet. Ob Grafik, Foto oder Skulptur: Alles, was von der Größe her geeignet ist, kann von den Abgeordneten ausgeliehen werden; Für die Auswahltermine gibt es Wartelisten. Jetzt, mitten in der Wahlperiode, sei das Magazin so gut wie leer, berichtet Volke.
Auftragsprogramm des Bundestages
Doch die Kunst im Bundestag beschränkt sich nicht nur auf Ankäufe. Künstlerinnen und Künstler werden im Rahmen eines speziellen Programms beauftragt, sich mit der Geschichte oder der Gegenwart des Parlaments auseinanderzusetzen und ein Werk zu schaffen. So entstehen beispielsweise Porträts ehemaliger Bundestagspräsidentinnen und -präsidenten oder Büsten von Namensgebern der Parlamentsgebäude. Volke betont, dass der Bundestag, entsprechend der vom Grundgesetz garantierten Freiheit der Kunst, inhaltlich und gestalterisch keinen Einfluss auf die Werke nehme.
Natürlich nicht entleihbar sind die momentan 175 "ortsgebundene Werke" der "Kunst am Bau". Es sind Werke, die sich in und an den Gebäuden des Bundestages befinden. Beispielhaft dafür ist die Holzskulptur "Reichstagsfiale" des polnischen Bildhauers Gregor Gaida, die vom Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in direkter Linie auf die historische Reichstagsfassade schaut. Das Objekt steht symbolisch für den Teil des Reichstagsgebäudes, auf dem 1945 die Flagge der Sowjetarmee gehisst wurde, nachdem die Alliierten den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland erzielt hatten.
Der Bundestag sei mit seiner programmatischen Sammlung zeitgenössischer Kunst beispielgebend und habe viele Bewunderer, sagt Volke. Immer wieder informieren sich Delegationen anderer Parlamente über die Sammlung.
Als das Reichstagsgebäude zum Kunstobjekt wird
Auch das Reichstagsgebäude selbst, in dem der Bundestag seit 1999 tagt, wurde bereits zum Kunstobjekt: Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude verhüllte es 1995 in der spektakulären Aktion "Wrapped Reichstag". Millionen von Menschen strömten nach Berlin, um das in silberne Stoffbahnen eingewickelte Reichstagsgebäude zu sehen.
Unumstritten war die Aktion nicht. Bei der Abstimmung zum Vorhaben, das das Künstlerpaar schon zwei Jahrzehnte verfolgte, stimmten im Oktober 1994 226 Abgeordnete gegen das Projekt, 295 allerdings dafür.
Für die breite Öffentlichkeit bietet sich die nächste Gelegenheit, einen Einblick in die Sammlung zu erhalten, am 7. September 2024. Beim "Tag der Ein- und Ausblicke" des Bundestages können Besucher nicht nur die Kunstwerke der ständigen Sammlung bewundern, sondern auch aktuelle Ausstellungen wie die der Künstlerin Henrike Naumann zum Thema "75 Jahre Grundgesetz" erleben. Wer es an dem Tag nicht schafft, kann sich bei einem Besuch im Bundestag zu einer Kunstführung anmelden, die regelmäßig stattfindet.