Reform der Notfallversorgung : Patienten sollen besser gesteuert werden
Experten fordern in einer Anhörung Änderungen am Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung und warnen vor ineffektiven Verfahren.
Neben der Krankenhausreform gehört die Neustrukturierung der Notfallversorgung zu den wichtigsten Vorhaben im Gesundheitssektor. Es geht dabei vor allem um eine effektivere Lenkung der Hilfesuchenden in die passende Versorgungsebene. Am Mittwoch berieten zahlreiche Gesundheitsexperten in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses über den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Die Experten befürworten im Grundsatz die Reform, einige bezweifeln jedoch die erwarteten Effizienzgewinne und damit auch die erhoffte Einsparung in Milliardenhöhe. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Die Notfallversorgung setzt sich zusammen aus dem vertragsärztlichen Notdienst, den Notaufnahmen der Krankenhäuser und dem Rettungsdienst.
Nach Ansicht des AOK-Bundesverbandes muss die Notfallreform im Zusammenspiel mit anderen Gesetzgebungen, etwa der Krankenhausreform oder dem Gesundes-Herz-Gesetz, umgesetzt werden. Wenig optimistisch äußerte sich die AOK zu den Einsparzielen. Die hohen Einsparpotenziale von bis zu einer Milliarde Euro jährlich seien "nicht seriös beziffert". Um Einsparungen zu erreichen, sei eine Synchronisierung mit der Krankenhausreform unerlässlich. Es müssten Überkapazitäten abgebaut und sektorübergreifende Lösungen geschaffen werden.
Hilfe auch für Menschen mit psychischen Erkrankungen
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) machte deutlich, dass sich die Notfallreform auch auf Hilfe bei psychischen Krisen erstrecken müsse. Wenn Menschen mit psychischen Erkrankungen oder akuter psychischer Symptomatik eine Notfallambulanz aufsuchten, blieben sie zu häufig unversorgt oder würden fehlversorgt.
Nachbesserungen fordert auch der Spitzenverband der Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (Spifa). Die ökonomischen Fehlanreize in der Notfallversorgung könnten durch die vorgeschlagenen Regelungen nicht konsequent beseitigt werden. In der Folge seien die Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu heben. Die beteiligten Versorgungsbereiche müssten besser miteinander verzahnt werden.
Kommunen verweisen auf Kompetenzen für den Rettungsdienst
Der Deutsche Landkreistag (DLT) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) kritisierten die geplante Einbeziehung des Rettungsdienstes als eigenen Leistungsbereich im Sozialgesetzbuch V (SGB V) und warnten davor, in funktionierende Strukturen einzugreifen. DLT und DRK trügen als Träger des Rettungsdienstes, der Rettungsleitstellen, über eigene Krankenhäuser und bei der Gefahrenabwehr eine zentrale Verantwortung.
Ein Verfahren ohne echte Mitwirkung der maßgeblichen Akteure sei abzulehnen. Zentrale Regelungen basierten oft auf Fehlannahmen zur rechtlichen, finanziellen und der tatsächlichen Situation. Dem Bund fehle es an Zuständigkeit zur Regelung des Rettungsdienstes im SGB V.
Ärzte fordern ausreichend Personal und eine auskömmliche Finanzierung
Die Bundesärztekammer (BÄK) würdigte, dass keine völlig neuen Strukturen geschaffen würden, sondern auf die bestehenden Strukturen der Leitstellen und Notdienstpraxen aufgesetzt werde. Zwingende Voraussetzung für die Reform sei jedoch die Schaffung ausreichender Kapazitäten.
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In der Anhörung ging es oftmals um die technische Umsetzung der Reform, die geplanten Zuständigkeiten und Abläufe. Verschiedene Sachverständige ließen durchblicken, dass die Notfallversorgung ausgesprochen komplex ist, bis hin zur hochspezialisierten Luftrettung, und viele Details bedacht werden müssten.
Keine falschen Signale an die Bevölkerung
Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis nannte die Reform elementar, um Ressourcen besser zu nutzen. Dazu brauche es verbindliche Regelungen und einheitliche Qualitätsvorgaben sowie die nötige technische Ausstattung. Das müsse auskömmlich finanziert sein.
Andreas Gassen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sagte, die Bevölkerung dürfe nicht das Signal erhalten, dass es künftig zusätzliche Stellen für die Versorgung gebe, wenn es in den Praxen mal zu lange dauere. Vielmehr müsse geklärt werden, welche Behandlungsnotwendigkeiten auf welcher Ebene zu welchem Zeitpunkt erforderlich seien, und das bundesweit verbindlich und qualitätsgesichert.