Abschließende Debatte zur Krankenhausreform : Teilweise Abkehr von umstrittenen Fallpauschalen
Mit der Krankenhausreform sollen sich Qualität und Effizienz der Versorgung verbessern. Geplant ist eine Struktur- und Finanzreform.
Die Krankenhausreform ist ein Kraftakt und von hohen Erwartungen an die Versorgungsqualität begleitet. Viele Häuser schreiben rote Zahlen und setzen auf schnelle Finanzhilfen von Bund und Ländern.
Der Grundsatzstreit über das vielleicht wichtigste Reformprojekt der Ampel-Koalition im Gesundheitswesen, die Krankenhausreform, hat bis zuletzt nichts an Dynamik eingebüßt. Auch die 50 Änderungsanträge, die in dieser Woche noch den Gesundheitsausschuss passierten, können die Reformgegner nicht zufriedenstellen. Im Gegenteil: Die Opposition reagierte sogar aufgebracht, weil die vielen Änderungen aus ihrer Sicht zu kurzfristig eingebracht wurden und keine Zeit blieb, sich vorzubereiten auf die komplexe Materie.
Nach einer erneut hitzigen Debatte votierten am Donnerstag in namentlicher Abstimmung bei einer Enthaltung 374 Abgeordnete für den Regierungsentwurf und 285 dagegen.
Reform der Krankenhauslandschaft wird von Fachleuten unterstützt
Die Reform zielt auf eine Verschlankung der Krankenhauslandschaft, eine Spezialisierung der Kliniken, mehr Qualität über definierte Leistungsgruppen und mengenunabhängige Vorhaltepauschalen. Die im Ausschuss beschlossenen Änderungen betreffen unter anderem die künftige ärztliche Personalbemessung im Krankenhaus, Qualitätsanforderungen für hebammengeleitete Kreißsäle, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des geplanten Transformationsfonds und die Evaluation des Gesetzes.
Das sind die Eckpunkte der Krankenhausreform
🩺 Die Krankenhausreform umfasst Änderungen bei der Versorgungsstruktur und der Finanzierung. Die übergeordneten Ziele sind mehr Qualität und Effizienz.
💶 Zu den bisherigen Fallpauschalen kommen sogenannte Vorhaltepauschalen. Das soll Kliniken bei der Finanzierung helfen.
🤝 Mit einem Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro sollen Kliniken gestützt werden.
Die Reform wird von zahlreichen Gesundheitsexperten grundsätzlich unterstützt. Skeptiker der Struktur- und Finanzreform sehen aber mehr Dunkel als Licht. Sie haben ländliche Regionen im Blick, wo die Versorgung womöglich schwieriger wird. Jedoch werden bedarfsnotwendige ländliche Kliniken mit Sicherstellungszuschlägen bedacht.
Transformationsfonds soll teilweise von der GKV bezahlt werden
Die Belastung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch einen Anteil an dem 50 Milliarden Euro schweren Transformationsfonds wird nicht nur von Krankenkassen kritisch gesehen. Der Plan sieht vor, dass die Länder die Hälfte des Fonds übernehmen, die andere Hälfte soll aus dem Gesundheitsfonds kommen. Die Koalitionsfraktionen setzten durch, dass auch die Private Krankenversicherung (PKV) an den Kosten beteiligt werden soll.
Experten sehen außerdem den verkündeten Abschied von der Ökonomisierung und Bürokratisierung im Krankenhaus als leere Versprechung, denn die Fallpauschalen sollen nur zu 60 Prozent durch Vorhaltepauschalen ersetzt werden. Der Mengeneffekt bleibt somit erhalten, auch wenn künftig stärker auf den Bedarf abgestellt werden soll.
Der Bundesrat könnte die Reform im Vermittlungsausschuss verzögern
Bleibt die Frage, wie der Bundesrat reagiert, der die Reform mehrheitlich kritisch sieht und argumentiert, das Gesetz sei zustimmungspflichtig. Eine Verabschiedung ohne Zustimmung des Bundesrates berge das Risiko einer formellen Verfassungswidrigkeit, erklärte die Länderkammer.
In der Schlussberatung monierten Redner der Opposition große Risiken und ungeklärte Fragen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ließ die Befürchtungen nicht gelten und sprach von einer historischen Reform. Es gehe um eine moderne, qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung. Er betonte: "Wir brauchen diese Reform, und zwar jetzt."
Patienten mit Kniebeschwerden als "Cashcows" der Kliniken
Das Nebeneinander an Über-, Unter- und Fehlversorgung müsse ein Ende haben. Patienten würden teils als "Cashcows" angesehen, weil der Austausch von Kniegelenken lukrativ sei. Der Minister betonte: "Das ist falsch und herabwürdigend und unethisch, dass wir Menschen, die eine Hüftgelenks- oder Kniegelenks-Operation benötigen, als Cashcows der Kliniken betrachten." Er fügte hinzu, bei der Qualität würden keine Abstriche gemacht, das sei das Kernziel der Reform. Er sicherte auch Kliniken auf dem Land eine Existenzgrundlage zu.
Tino Sorge (CDU) gestand zu, dass die Umgestaltung im Krankenhaussektor sinnvoll sei, allerdings sei die Herangehensweise "eine Farce". Er hielt Lauterbach vor, sich weder mit den Kliniken noch mit den Ländern ausreichend abgestimmt zu haben, die für die Krankenhausplanung zuständig sind.
Gesundheitspolitiker vermissen versprochene Auswirkungsanalyse
Sorge rügte auch, dass die versprochene Auswirkungsanalyse nicht vorliege. Es sei eine Frechheit, dass diese Analyse offenbar insbesondere der Opposition vorenthalten werde. Für die Unionsfraktion forderte er eine Übergangsfinanzierung, um ein unkontrolliertes Krankenhaussterben zu verhindern.
Christina Baum (AfD) beklagte, das einst international gerühmte deutsche Gesundheitswesen sei rein wirtschaftlichen Interessen geopfert worden. Nicht der Bedarf stehe im Mittelpunkt, sondern die Ökonomie. Auch Baum rügte, dass die Auswirkungsanalyse nicht vorliege. Aus Sicht der AfD trage die Reform zu einem weiteren Kliniksterben bei und verschlechtere insbesondere die Versorgung im ländlichen Raum durch immer weitere Anfahrtswege. Sie schlug vor, Klinikstandorte nicht zu schließen, sondern umzuwidmen, etwa für die Pflege oder Rehabilitation.
Mehr zum Beschluss
Armin Grau (Grüne) mahnte, die Kliniken steckten finanziell, personell und konzeptionell in der Krise. Die Inflation und tarifbedingte Kostensteigerungen hätten viele Häuser in die roten Zahlen getrieben. Er wies Vorhaltungen zurück, dass willkürlich in die Krankenhauslandschaft eingegriffen werde. Die Reform sei kein "wildgewordener Rasenmäher" und werde von den Ländern mitgestaltet.
Ein Ziel sei, die Zahl der ambulanten Behandlungen zu erhöhen. Mit Blick auf die erwartete Entlastung von Klinikpersonal fügte er hinzu: "Das Hamsterrad, das halten wir an." Ähnlich zuversichtlich äußerte sich Christine Aschenberg-Dugnus (FDP). Es werde eine flächendeckende Versorgung auf dem Land und in der Stadt gewährleistet. Gegenteilige Behauptungen seien "Schwachsinn." Zudem werde die Bürokratie reduziert.
NRW will im Bundesrat Nachbesserungen erreichen
Weniger begeistert ist NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der auf das Planungsrecht der Länder verwies. Die Länder hätten sich bemüht, eine gemeinsame Lösung mit dem Bund zu finden. Voraussetzung sei jedoch ein zustimmungspflichtiges Gesetz gewesen. Er wolle die Reform nicht stoppen, sagte er mit Blick auf die Entscheidung im Bundesrat, aber eine Überarbeitung sei nötig.
Christos Pantazis (SPD) hielt im Gegenzug den Ländern vor, das Krankenhaus-Transparenzgesetz blockiert und den gemeinsamen Weg verlassen zu haben. Er habe im Übrigen als Arzt im Krankenhaus selbst erlebt, unter welchem Druck die Beschäftigten arbeiten. Er betonte: "Wir wollen der Kommerzialisierung energisch entgegenwirken." Damit werde auch die Attraktivität des Arbeitsplatzes Krankenhaus gesteigert. Pantazis betonte: “Unser Ziel ist es, Stärken zu stärken und Schwächen zu beseitigen.”
Mehr zur Reform
Experten haben die Krankenhausreform im Gesundheitsausschuss grundsätzlich befürwortet. Die Kritik bezieht sich vor allem auf Fragen der Finanzierung.
Krankenhäuser sollen vom ökonomischen Druck entlastet werden und mehr Qualität bieten. Die Länder befürchten eine diktierte Strukturbereinigung und Kompetenzverlust.
Braucht es bei der Krankenhausreform Ausnahmen für Kliniken im ländlichen Raum? Timot Szent-Iványi ist dafür, Kerstin Münstermann findet, das ist der falsche Weg.