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Änderung des Infektionsschutzgesetzes : Schutz für Patienten in einer Triage-Situation

Das Verfahren der Zuteilung knapper intensivmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten soll transparenter werden und vor Benachteiligung schützen.

14.11.2022
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3 Min

Die Hoffnung ist allseits groß, das neue Gesetz möge nie zur Anwendung kommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) merkte in der Schlussberatung vergangene Woche an, "dass wir im Rahmen der Pandemie die Triage nie praktizieren mussten". Anders ausgedrückt: Die medizinischen Kapazitäten in den Krankenhäusern haben trotz der vielen und teilweise schwer kranken Patienten immer ausgereicht, um alle zu versorgen. Bei einer Triage müssen Ärzte entscheiden, wen sie behandeln, wenn die intensivmedizinischen Kapazitäten nicht für alle Patienten ausreichen. Solche Entscheidungen sind natürlich heikel und müssen unter hohem Zeitdruck gefällt werden.

Foto: picture alliance / SZ Photo / Stephan Rumpf

Notfallzentrum Bogenhausen: Während der Corona-Pandemie wurden hier teilweise intensivmedizinische Behandlungskapazitäten knapp.

Mit dem vergangene Woche gegen die Stimmen der Opposition verabschiedeten Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes soll das Verfahren eine transparente gesetzliche Grundlage erhalten. Es waren Menschen mit Behinderung, die mit einer Beschwerde vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zogen, weil sie befürchteten, in einer Triage-Situation während der Corona-Pandemie benachteiligt zu werden. Das Gericht gab den Beschwerdeführern recht und stellte im Dezember 2021 fest, der Gesetzgeber habe Vorkehrungen, die sich aus dem Schutzauftrag nach Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz ergeben, bisher nicht getroffen und forderte, dies unverzüglich nachzuholen.

Niemand darf benachteiligt werden, insbesondere nicht wegen einer Behinderung

Das Gesetz soll dazu dienen, das Risiko einer Benachteiligung insbesondere aufgrund einer Behinderung bei der Zuteilung aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandener überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten zu reduzieren, wie es in der Vorlage heißt. Demnach darf die Zuteilungsentscheidung nur nach der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten getroffen werden.

Mit der Neuregelung werde klargestellt, dass bei der Zuteilungsentscheidung niemand benachteiligt werden dürfe, insbesondere nicht wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Das Gesetz enthält ferner Regelungen zum Verfahren bei der Zuteilungsentscheidung.


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Foto: BMG/Jan Pauls
„Wir werden keine sogenannte Ex-Post-Triage zulassen.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

Der Gesundheitsausschuss beschloss in den Beratungen drei Änderungsanträge. So wurde konkretisiert, wann überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten in einem Krankenhaus nicht ausreichend vorhanden sind. Ferner werden Krankenhäuser dazu verpflichtet, eine Zuteilungsentscheidung unverzüglich der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde anzuzeigen. Zudem ist eine Evaluation der Neuregelung vorgesehen.

Lauterbach verspricht mehr Kapazitäten für die Intensivmedizin

In der Expertenanhörung zu dem Gesetzentwurf hatten Intensivmediziner darauf hingewiesen, dass es sinnvoll wäre, eine sogenannte Ex-Post-Triage zuzulassen, also den Abbruch einer intensivmedizinischen Behandlung zugunsten eines Patienten mit größeren Überlebenschancen, anderenfalls wäre die unter Zeitdruck und mit unvollständiger Datenlage getroffene Entscheidung für eine Therapie unumkehrbar.

In der Schlussberatung gingen verschiedene Redner auf diesen Punkt ein, die AfD sprach von einem Fehler, während Lauterbach den Verzicht auf die Ex-Post-Triage als ethisch geboten wertete. Der Minister versicherte zudem, dass die Intensivkapazitäten ausgebaut würden, unter anderem durch weniger stationäre Aufenthalte. Lauterbach sprach von einem wichtigen Gesetz, bei dem es vor allem um die Belange von Menschen mit Behinderungen gehe.

Nach Ansicht der Union hat das Gesetz einen zentralen Fehler

Nach Ansicht von Hubert Hüppe (CDU) hat das Gesetz einen "zentralen Fehler". Es würden nur Triage-Situationen bei Infektionen geregelt, nicht aber solche, die bei Naturkatastrophen, Krieg oder Terror entstehen könnten. Zudem vermisst Hüppe eine Sanktionsregelung bei Verstößen gegen das Gesetz. Katrin Helling-Plahr (FDP) erwiderte, für Ärzte sei eine solche Situation schon hart genug, da müsse ihnen nicht noch zusätzlich mit kleinteiligen Sanktionsregeln gedroht werden. Sie hob die Absicherung für alle Beteiligten hervor, weil die Triage-Entscheidung von qualifizierten Ärzten nach dem Vieraugenprinzip getroffen werde und bei Begleiterkrankungen oder Behinderungen zudem noch ein fachlich besonders versierter Mediziner hinzugezogen werden müsse.

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Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) ging auf wichtige Klarstellungen ein, die nach der Anhörung in den Gesetzentwurf eingefügt wurden. So dürfe eine Triage nur angewendet werden, "wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft und das Kleeblattprinzip angewendet wurden". Bei einer Zuteilungsentscheidung müsse diese dokumentiert und gemeldet werden. Auch werde klargestellt, "dass bei dem Ausschluss der Ex-Post-Triage Therapiezieländerungen selbstverständlich möglich bleiben".

Martin Sichert (AfD) rügte, es gehe der Koalition nicht um Menschenleben, sondern nur um die Durchsetzung bürokratischer Kontrolle. Das Verbot der Ex-Post-Triage widerspreche dem gesunden Fachverstand. Das Gesetz sei vom Geist eines übergriffigen Staates geprägt. Sören Pellmann (Linke) kritisierte, das Gesetz habe viele Mängel und werde den Belangen der Menschen mit Behinderung nicht gerecht.