Aktuelle Stunde zur Kriminalitätsstatistik : Abgeordnete alarmiert über gestiegene Gewaltkriminalität
2023 sind mehr Gewalttaten gezählt worden, auch die Zahl ausländischer Tatverdächtiger stieg deutlich an. Ursachen und Konsequenzen sind im Bundestag umstritten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik: Die Sozialdemokratin und die Regierung sehen sich angesichts steigender Zahlen scharfer Kritik ausgesetzt.
Die Zahl der polizeilich erfassten Straftaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr im Vergleich zum Jahr davor um 5,5 Prozent auf gut 5,94 Millionen gestiegen. Das ist der höchste Stand seit 2016. Dabei nahm die Gewaltkriminalität 2023 mit mehr als 214.000 Fällen um 8,6 Prozent zu. Dies geht aus der "Polizeilichen Kriminalstatistik" (PKS) für das Jahr 2023 hervor, die am vergangenen Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Danach stieg zugleich die Zahl der Tatverdächtigen um 7,3 Prozent auf knapp 2,24 Millionen. Insbesondere die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit einer Zunahme von 13,5 Prozent (ohne ausländerrechtliche Verstöße) wuchs deutlich an. Bei Kindern und Jugendlichen fiel der Anstieg mit 12,0 Prozent mehr tatverdächtigen Kindern und 9,5 Prozent mehr tatverdächtigen Jugendlichen deutlicher aus als in anderen Altersgruppen.
Union: Ausländerkriminalität macht das Land unsicherer
Einen Tag nach der Vorstellung der PKS-Zahlen debattierte der Bundestag am Mittwoch über den Bericht, und schon der Titel der von der CDU/CSU beantragten Aktuellen Stunde zu "Ursachen und Konsequenzen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 - Steigende Kriminalität auch im Kontext der aktuellen Migrationslage nicht länger hinnehmen" ließ erkennen, worauf der Fokus der Aussprache liegen sollte.
So beklagte Andrea Lindholz (CSU), dass die Zahl der registrierten Straftaten seit zwei Jahren rapide ansteige, was insbesondere an mehr ausländischen Tatverdächtigen liege. "Deutschland wird seit zwei Jahren unsicherer, und das liegt vor allem an der stark gestiegenen Ausländerkriminalität", fügte Lindholz hinzu. Wer zielgerichtet Kriminalität bekämpfen wolle, könne nicht ignorieren, dass im vergangenen Jahr 41 Prozent aller Tatverdächtigen Ausländer gewesen seien, wobei der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung 15 Prozent betrage. Eine zentrale Botschaft der Kriminalstatistik sei daher, dass das Land das Ausmaß illegaler Zuwanderung wie in den vergangenen beiden Jahren nicht mehr verkrafte. Gleichwohl setze die Ampel-Koalition "immer neue Anreize für noch mehr irreguläre Migration nach Deutschland".
Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)
📉 Ausgangsstatistik: Die PKS beruht laut Bundesregierung auf dem Erkenntnisstand bei Abschluss polizeilicher Ermittlungen. Sie erfasst Verdächtige in abgeschlossenen Ermittlungsverfahren, nicht verurteilte Straftäter. Straftaten werden zum Teil von der Polizei, insbesondere wegen unterschiedlichen Ermittlungsstandes, anders bewertet als von der Staatsanwaltschaft oder Gerichten.
❗️ ❌ Unterscheidung: Bei der Unterscheidung zwischen deutschen und ausländischen Tatverdächtigen differenziert die PKS weder zwischen deutschen Staatsbürgern mit oder ohne Migrationshintergrund noch zwischen Ausländern, die dauerhaft in Deutschland leben oder sich nur vorübergehend, etwa als Touristen, hier aufhalten.
Peggy Schierenbeck (SPD) hielt im Gegenzug der CDU/CSU vor, Ängste bei den Bürgern zu schüren. Deutschland sei jedoch nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt. Mit Blick auf die PKS konstatierte sie zugleich, dass man eine gestiegene Gewaltkriminalität, mehr Jugend- und auch mehr Ausländerkriminalität sehe. Durch die hohe Zuwanderungsrate steige die Bevölkerungszahl und der Anteil der nichtdeutschen Bevölkerung. Der überproportionale Anteil ausländischer Tatverdächtiger dürfe aber nicht zu einem Generalverdacht führen. Millionen Ausländer in Deutschland begingen keine Straftaten. Auch helfe es nicht, die PKS-Zahlen in einen "falschen Kontext zu setzen". So zähle auch die erhöhte Mobilität nach der Pandemie zu den wichtigsten Faktoren für den Anstieg der Kriminalität, ebenso spielten die aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Belastungen dabei eine große Rolle.
AfD wirft Bundesinnenministerin Faeser Versagen vor
Martin Hess (AfD) warf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Versagen bei der "Gewährleistung des Schutzes und der Sicherheit der eigenen Bürger" vor. Während die Zunahme der Zahl deutscher Tatverdächtiger bei Gewaltdelikten 2,2 Prozent betragen habe, liege sie bei nichtdeutschen Tatverdächtigen bei 14,4 Prozent. Schuld an der "Erosion der inneren Sicherheit" sei der "grenzen- und verantwortungslose Vielfalts- und Multikultiwahn dieser Ampelregierung", fügte Hess hinzu. Deshalb führe an einer "sofortigen Korrektur dieser verheerenden Migrationspolitik kein Weg vorbei".
Marcel Emmerich (Grüne) mahnte, die PKS-Zahlen "ernst zu nehmen, ohne sie überzuinterpretieren", und "ohne Schaum vor dem Mund" über Ursachen zu sprechen. Dass bei den deutschen Tatverdächtigen ein Anstieg um ein Prozent registriert worden sei und bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen um 13,5 Prozent, sei nur "die halbe Wahrheit". Wenn man sieht, "dass die nichtdeutsche Bevölkerung angestiegen ist, und das ins Verhältnis setzt, dann relativiert sich das Ganze, und es ist im Vergleich zu vorher sogar um ein halbes Prozent gesunken", fügte er hinzu. Ferner gehöre zu den Hintergründen, dass Migranten häufiger angezeigt würden. Zudem sei ihr sozio-ökonomischer Hintergrund oft prekärer, und manche Taten könnten auch nur sie begehen. Das rechtfertige in keiner Weise Gewalt, sei aber zentral, "um zu verstehen, worauf es ankommt".
FDP: Länder müssen verschärfte Abschieberegeln auch anwenden
Auch Konstantin Kuhle (FDP) sah unterschiedliche Gründe für den Kriminalitätsanstieg. So spiele "die Zunahme an Gelegenheiten, an Dynamik in der Gesellschaft durch das Ende der Corona-Pandemie" eine Rolle, ebenso wirtschaftliche Perspektivlosigkeit. Daneben gebe es "in bestimmten Kreisen gerade junger Männer mit Migrationshintergrund eine Gewaltgeneigtheit". Kuhle verwies zugleich darauf, dass der Bundestag im Januar ein Gesetz verabschiedet habe, das die Abschiebung von Intensivtätern erleichtere. Er erwarte, dass die Länder diese verschärften Abschieberegeln nun auch anwenden.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) plädierte für eine Rückführungsoffensive nur für Mehrfach- und Intensivstraftäter. "Ein Prozent der sächsischen nichtdeutschen Tatverdächtigen begehen 50 Prozent der Straftaten", sagte er und fügte an die Adresse der Bundesregierung hinzu: "Schaffen Sie die diplomatischen Möglichkeiten, dieses eine Prozent rückzuführen".