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Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt : Der Attentäter war vielfach aktenkundig

Der Innenausschuss beriet erneut über den Anschlag vom 20. Dezember. Koalition und Opposition fordern einen besseren Datenaustausch zwischen den Behörden.

17.01.2025
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3 Min

Sechs Todesopfer - ein neunjähriger Junge sowie fünf Frauen im Alter zwischen 45 und 75 Jahren - und fast 300 Verletzte: Das ist die furchtbare Bilanz des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt vom 20. Dezember vergangenen Jahres. Knapp vier Wochen danach beriet der Innenausschuss des Bundestages am vergangenen Donnerstag bereits zum zweiten Mal in einer Sondersitzung über die aktuellen Erkenntnisse zu dem Fall.

Chronologie listet 105 Behördenvorgänge rund um Taleb A. auf

Der 50 Jahre alte Attentäter Taleb A. war bei dem Anschlag mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt und gezielt in die Menschenmenge gerast. Der aus Saudi-Arabien stammende Täter sitzt in Untersuchungshaft. Der Mann lebt seit 2006 in Deutschland, vor Jahren war ihm Asyl gewährt worden. Den Sicherheitsbehörden war Taleb A., der zuletzt als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in einer Klinik in Bernburg nahe Magdeburg arbeitete, vor dem Anschlag bereits vielfach aufgefallen, in mehreren Ländern und beim Bund. 105 Behörden-Vorgänge rund um den Mann listet eine vom Bundeskriminalamt (BKA) für den Ausschuss erstellte Chronologie auf: "Eine lange Serie über viele Jahre von Gefährdungen, Bedrohungen, öffentlichen Erklärungen, Twitter-Einträgen, strafrechtlichen Verurteilungen", wie Sebastian Hartmann (SPD) vor Beginn der Ausschusssitzung bilanzierte.

Foto: picture alliance/dpa

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l.) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU, 2. V. l.) am 16. Januar in Magdeburg beim Gedenken an die Opfer des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt.

Wäre diese Übersicht den Behörden in dieser Form auch nur in Ausschnitten zugänglich gewesen, hätte die Tat möglicherweise verhindert werden können, konstatierte der stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende Lars Castellucci (SPD). Nicht nur er stellte sich an diesem Tag die Frage, "wie wir zu einem besseren Informationsaustausch kommen".

Union warnt vor "falsch verstandenem Datenschutz"

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) plädierte für ein "besseres Datenmanagement" der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Dabei müsse auch darüber gesprochen werden, ab welcher Schwelle Informationen im Behördenverbund ausgetauscht werden, sagte die Ressortchefin im Ausschuss. Nach der Sitzung sprach sie von einem "psychisch auffälligen Täter, der von wirren Verschwörungstheorien geprägt" gewesen sei, eine "massive Islamfeindlichkeit" und eine Nähe zu Ideologien von Rechtsextremisten zeige und dessen Hass sich sowohl gegen den deutschen Staat als auch gegen einzelne Personen richte. Dies ergebe sich aus einer Vielzahl von Erkenntnissen, die zusammengeführt worden seien und so ein anderes Bild zeigten als nur einzelne Sachverhalte.

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Für Konstantin Kuhle (FDP) zeigt das, dass in diesem Fall nicht zusätzliche Befugnisse der Behörden weitergeholfen hätten, sondern deren Vernetzung und die Weitergabe vorhandener Daten. Lamya Kaddor (Grüne) nannte es vor der Sitzung "völlig verfrüht", mehr Befugnisse der Behörden zu fordern, da diese den Namen des Täters offensichtlich alle auf dem Schirm hatten.

Alexander Throm (CDU) warnte vor einem "falsch verstandenen Datenschutz", der nicht zu einer Gefährdung der Bevölkerung führen dürfe. Er halte es für die "entscheidende Frage, dass wir die Daten, die in den Sicherheitsbehörden vorliegen, besser austauschen, besser analysieren", sagte er. Dass die 105 Vorgänge nirgendwo zu einem Gesamtbild zusammengeführt worden seien, sei eine Frage des Informationsaustausches zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen verschiedenen Behörden innerhalb des Bundes.

AfD spricht von einem "Terroranschlag mit Ansage"

Gottfried Curio (AfD) sprach angesichts der mehr als 100 Einträge zu dem Täter von einem "Terroranschlag mit Ansage" und warf den Sicherheitsbehörden Versagen vor. Der Täter habe sich "zu dem Terroranschlag ermächtigt" gefühlt und dies auch die Sicherheitsbehörden wissen lassen. Diese hätten jedoch keinen Anlass gesehen, ihn schärfer ins Visier zu nehmen.