Asyl : Gestiegene Zahlen heizen Streit um Flüchtlingspolitik an
Die Ampelkoalition verteidigt ihre Vorhaben im Migrationsbereich gegen Oppositionskritik. Es gehe darum, Wege zu regulärer und legaler Migration zu eröffnen.
Mehr als eine Million registrierte Flüchtlinge aus der Ukraine, gestiegene Zahlen bei Asylanträgen und unerlaubten Einreisen - das Migrationsgeschehen in Deutschland ist auch ein Spiegel der Kriege und Krisen in der Welt. "Zusätzlich zur großen Fluchtbewegung aus der Ukraine kommen derzeit auch über das Mittelmeer und die Balkanroute wieder erheblich mehr Menschen nach Europa", hieß es vergangenen Dienstag in einer Meldung des Bundesinnenministeriums zum Spitzengespräch von Ressortchefin Nancy Faeser (SPD) mit Vertretern der Länder und kommunalen Spitzenverbände über die aktuelle Flüchtlingssituation. Am Mittwoch beriet der Innenausschuss mit der Ministerin über das Thema, im Plenum des Bundestages debattierten die Abgeordneten in der vergangenen Woche gleich zwei Mal über die Migrationspolitik.
Dabei ging es zum einen um einen AfD-Antrag, Deutschlands Teilnahme an der gemeinsamen EU-Asylpolitik zu beenden, zum anderen um einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion, nach deren Willen die Bundesregierung "alle Migrationspläne im Koalitionsvertrag" aufgeben soll, "die Anreize zu verstärkter illegaler Einreise auslösen können". Das zielt etwa auf den unlängst vorgelegten Gesetzentwurf zu einem "Chancen-Aufenthaltsrecht", das langjährig geduldeten Ausländern ermöglichen soll, die Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen. Beide Anträge wurden zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.
Union fordert schärfere Maßnahmen in der Asylpolitik
In der Debatte über den Unions-Antrag sagte Andrea Lindholz (CSU), dieses Jahr seien schon 154.000 Asylanträge gestellt worden, die irreguläre Asylmigration steige seit Wochen an, und die Kommunen warnten vor Überlastung, doch die Bundesregierung zaudere. Es reiche nicht aus, wenn der Bund zusätzlich 4.000 Wohnplätze bereitstelle. Auch reichten Ankündigungen allein nicht aus, wenn Faeser irreguläre Migration begrenzen wolle. Faeser verlängere zu Recht Kontrollen an der Grenze zu Österreich, doch ergebe es keinen Sinn, dass sie solche Kontrollen an der Grenze zu Tschechien ausschließe, über die aktuell die meisten illegalen Einreisen erfolgten.
Hakan Demir (SPD) kritisierte mit Verweis auf die Aufnahme afghanischer Ortskräfte, dass sich die Union gegen die Fortführung von Aufnahmeprogrammen ausspreche. Auch wende sie sich gegen Vorhaben der Koalition, die "angeblich" Anreize zu mehr illegaler Einreise initiieren könnten. Hätte die Union mit diesen "Pull-Faktoren" recht, wären nicht vier Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei geblieben und auch alle ukrainische Flüchtlinge, von denen die meisten in Polen seien, direkt nach Deutschland gekommen.
AfD lobt Dänemark für Migrationspolitik
Bernd Baumann (AfD) warf der Union vor, in ihrer Regierungszeit effektive Grenzkontrollen verabscheut zu haben, die sie jetzt in ihrem Antrag fordere. Auch verlange sie in der Vorlage, eine angekündigte Rückführungsoffensive in die Tat umzusetzen, nachdem sie zuvor 16 Jahre nennenswerte Abschiebungen verhindert habe. Wie man Migrationspolitik besser machen könne, zeigten Länder wie Dänemark, wo Asylverfahren künftig vom Ausland aus betrieben werden müssten. Dazu schließe Dänemark Abkommen mit Nachbarstaaten der Herkunftsländer, und bei "echten Asylgründen" würden die Betroffenen "geschützt und versorgt im heimatlichen Kulturkreis".
Julian Pahlke (Grüne) kritisierte, die Union suggeriere "mit der Konstruktion einer illegalen Einreise", dass es legale Migrationswege gebe, die quasi nicht existierten. Auch versuche sie mit dem "Gerede vom Pull-Faktor" nur, die Flucht eines Menschen als illegitim darzustellen. "Den Pull-Faktor gibt es nicht", betonte Pahlke. Niemand verlasse seine Heimat "wegen ein bisschen Sozialhilfe".
Linke wirft Union "Zwei-Klassen-Flüchtlingspolitik" vor
Gökay Akbulut (Die Linke) nannte die These, das deutsche Sozialsystem sei ein Pull-Faktor, "geradezu grotesk angesichts der zahlreichen schrecklichen Kriege, die Menschen zur Flucht zwingen". Auch spreche die Union in ihrem Antrag einerseits von ukrainischen Geflüchteten, denen ihre volle Solidarität gelte, und andererseits von Personen, die einen Asylantrag stellen. Diese "Zwei-Klassen-Flüchtlingspolitik" lehne ihre Fraktion ab.
Stephan Thomae (FDP) wies den Vorwurf der Union zurück, dass die Koalition einen "migrationspolitischen Sonderweg" verfolge. Statt irregulärer Migration wolle sie vielmehr Wege zu regulärer und legaler Migration eröffnen. Schließlich brauche Deutschland auch auf dem Arbeitsmarkt Menschen, die zum Gelingen der Gesellschaft beitragen. Dazu schaffe die Koalition "die Chancenkarte" und verbessere die Bluecard, damit nicht nur Menschen mit hoher Qualifikation nach Deutschland kommen könnten, sondern auch "ganz einfache Arbeitskräfte," die sich hier ausbilden lassen und arbeiten könnten. Auch löse der Koalitionsvorschlag für einen "Chancen-Aufenthalt" keine falschen Anreize für die Zukunft aus, da er stichtagsbezogen sei.