Georgien und Moldau eingestuft : Grüner Spagat bei sicheren Herkunftsstaaten
Mit den Stimmen aller Fraktionen außer der Linken beschließt der Bundestag die Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten.
Angekündigt war die Regierungsvorlage zur Einstufung Georgiens und der Republik Moldau als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten bereits im gemeinsamen Beschluss von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Regierungschefs der Bundesländer vom 10. Mai dieses Jahres: "Die Bundesregierung wird zeitnah einen Gesetzentwurf vorlegen", hieß es darin. Dieser Gesetzentwurf erreichte den Bundestag indes erst Anfang Oktober. Am vergangenen Donnerstag, also gut ein halbes Jahr nach dem Beschluss vom Mai, verabschiedete der Bundestag die Vorlage mit den Stimmen aller Fraktionen außer der Linken.
Flüchtlinge verlassen in Braunschweig die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen. Die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten soll zur Verringerung irregulärer Migration beitragen.
Liste sicherer Herkunftsstaaten erstmals seit Jahren erweitert
Die erwartete Zustimmung des Bundesrates vorausgesetzt, wird die Liste sicherer Herkunftsstaaten damit erstmals seit Jahren um zwei Länder erweitert. Einen CDU/CSU-Antrag, in die Liste auch die drei Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien aufzunehmen, lehnte der Bundestag dagegen mit 404 von 656 Stimmen ab.
In der Debatte warf die Union den Grünen eine nur wenig gelockerte Blockadepolitik vor. Seit sieben Jahren hätten sie "alles verhindert, was im Zusammenhang mit sicheren Herkunftsstaaten steht"; jetzt habe dies nur "in einem ganz kleinen Punkt" ein Ende, kritisierte Josef Oster (CDU). Für Lars Castellucci (SPD) war dagegen die von der Union geführte Vorgängerregierung in diesen Jahren nicht in der Lage, "auch nur ein weiteres Land" zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären: "Sie reden, wir handeln", konstatierte er. Für die Grünen ließ derweil Filiz Polat den Spagat erkennen, den ihre Fraktion an diesem Donnerstag leistete. Ihre Partei halte das Konzept sicherer Herkunftsstaaten "für grundsätzlich falsch", sagte sie, aber auch, dass ihre Fraktion empfehle, dem Gesetz zuzustimmen.
Für sichere Herkunfsstaaten gilt ein schnelleres Asylverfahren
Bei als "sicher" eingestuften Herkunftsstaaten wird gesetzlich davon ausgegangen, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist und der jeweilige Staat grundsätzlich vor nichtstaatlicher Verfolgung schützen kann. Dadurch werden Asylverfahren von Staatsangehörigen dieser Staaten schneller bearbeitet, wie die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf ausführt. Es gelte jedoch auch für Asylverfahren aus sicheren Herkunftsstaaten, dass der Antragstellende angehört wird und ihm Gelegenheit gegeben werden muss, individuelle Gründe vorzubringen, die gegen die vermutete Verfolgungssicherheit sprechen.
Der Vorlage zufolge stellten georgische Staatsangehörige im vergangenen Jahr 8.865 Asylanträge und solche aus Moldau 5.218. Die Anerkennungsquote bei Antragstellern aus den beiden Ländern habe indes im Jahr 2022 jeweils rund 0,1 Prozent betragen. Anträge von Asylsuchenden aus diesen Ländern sollten daher zügiger bearbeitet und entschieden werden können, sodass bei einer Ablehnung auch die Rückkehr schneller erfolgen könne.
Polat nannte in der Debatte das Konzept sicherer Herkunftsstaaten "grundsätzlich falsch", da es einer individuellen und unvoreingenommenen Prüfung des Schutzgesuchs zuwider laufe. In ihrer Fraktion bestünden zudem "insbesondere Zweifel in Bezug auf die Verfolgungssicherheit der Roma in Moldau und der LSBTIQ-Personen vor allem in Georgien". Beide Staaten befänden sich indes im Beitrittsprozess zur EU und hätten entsprechend hohe rechtsstaatliche Standards zu erfüllen; auch könnten ihre Einstufungen gegebenenfalls ausgesetzt und ihre schutzsuchenden Staatsangehörigen dank der für sie geltenden Visafreiheit ohnedies nach Deutschland kommen und hier Zugang zum Asylverfahren finden. Anders als bei Georgien und Moldau komme aber die von der Union geforderte Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten für ihre Fraktion "unter keinen Umständen in Frage".
Union sieht inneren Zusammenhalt im Land gefährdet
Für diese Einstufung warb dagegen Detlef Seif (CDU). Er verwies zugleich darauf, dass seine Fraktion bereits im Juni einen Antrag zur Einstufung von Georgien und Moldau eingebracht habe und der Bundestag dies längst hätte beschließen können. Dabei müssten alle Maßnahmen zur Reduzierung der irregulären Migration ergriffen werden. Deren Ausmaß gefährde den inneren Zusammenhalt im Lande und stärke die politischen Extreme. "Das können wir uns nicht mehr länger leisten", mahnte Seif.
Helge Lindh (SPD) bewertete die Einstufung von Georgien und Moldau als wirksames und legitimes Mittel zur Reduzierung irregulärer Migration. Aufgrund der Visafreiheit hätten wirklich schutzbedürftige Staatsangehörige beider Länder weiterhin die Möglichkeit, einen Schutzanspruch zu erhalten.
Gleichwohl sei eine solche Einstufung keine "Generallösung", sondern Teil eines "ganzheitlichen Ansatzes", den die Koalition "mit Vernunft und Augenmaß" verfolge und zu dem auch die von der Regierungskoalition angestrebten Migrationsabkommen zählten.
Für die AfD ist die Neuregelung ein Tropfen auf den heißen Stein
Stefan Keuter (AfD) nannte die Regierungsvorlage einen "Tropfen auf den heißen Stein". Er forderte eine nationale Grenzsicherung mit stationären Kontrollen, "Asylzentren außerhalb von Deutschland", Sach- statt Geldleistungen für Asylbewerber und konsequente Abschiebungen. Staaten, die sich bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber nicht kooperativ zeigen, müsse die Entwicklungshilfe gestrichen werden. Stephan Thomae (FDP) sieht in der Einstufung von Georgien und Moldau einen "weiteren Baustein" der Migrationspolitik der Regierungskoalition. Diese wolle irreguläre Migration reduzieren und reguläre Einwanderung in den Arbeitsmarkt erleichtern. Dabei könne sich die Zwischenbilanz der "Ampel" sehen lassen. Während die große Koalition von Union und SPD in der vergangenen Wahlperiode noch im Bundesrat mit dem Versuch gescheitert sei, Georgien und Moldau als sichere Herkunftsländer einzustufen, setzte die "Ampel" dies nun durch.
Clara Bünger (Linke) wies die Darstellung zurück, dass eine Einstufung als sicheres Herkunftsland Asylverfahren beschleunige. Schon jetzt dauerten die Verfahren im Falle Moldaus 2,1 Monate; schneller gehe es "eigentlich gar nicht". Im Fall des seit vielen Jahren als sicher eingestuften Senegal dauerten die Verfahren dagegen mehr als ein Jahr, sagte Bünger und kritisierte die Einstufung von Georgien und Moldau als "unverantwortlich".