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Foto: picture alliance/dpa| Christian Charisius
Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) freut sich gemeinsam mit seiner Frau Eva-Maria über einen klaren Wahlsieg in Hamburg. Es war der erste politische Stimmungstest nach der Bundestagswahl vom 23. Februar.

Neuauflage der Koalition? : Rot-Grün kann in Hamburg weiterregieren

Nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg bleibt die SPD trotz Verlusten stärkste Kraft. Eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition ist wahrscheinlich.

03.03.2025
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4 Min

Gespannt hatte die SPD-Spitze in Berlin auf den ersten Stimmungstest nach der verlorenen Bundestagswahl vom 23. Februar geschaut. Die Erleichterung über den Sieg bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 2. März war denn auch größer als die Trauer über die Stimmenverluste im Vergleich zur Wahl 2020. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch konstatierte am Sonntagabend: „Die Rahmenbedingungen sind äußerst schwer gewesen.“ Umso bedeutsamer sei der Wahlsieg des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) und der Hamburger SPD einzuschätzen.

Trotz Stimmenverlusten kann die rot-grüne Koalition in Hamburg weiterregieren. Die SPD kam bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft auf 33,5 Prozent. Das sind 5,7 Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. Die Grünen erzielten 18,5 Prozent und verloren ebenfalls 5,7 Prozentpunkte. Die CDU schob sich mit 19,8 Prozent und einem Zuwachs von 8,6 Punkten im Vergleich zur Wahl 2020 auf den zweiten Platz vor die Grünen. 

Die Linke ist in Hamburg erstmals zweistellig

Die Linke erreichte mit 11,2 Prozent der Stimmen (plus 2,1 Punkte) erstmals in Hamburg ein zweistelliges Ergebnis. Zulegen konnte auch die AfD um 2,2 Punkte auf 7,5 Prozent. FDP (2,3 Prozent), Volt (3,3 Prozent) und BSW (1,8 Prozent) blieben klar unter der Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag mit 67,7 Prozent deutlich höher als 2020 (63 Prozent).


„Meine erste Priorität ist, mit Rot-Grün fortzufahren.“
Peter Tschentscher (SPD)

Tschentscher wertete das Ergebnis als klaren Regierungsauftrag: „Wir sind froh, dass die SPD die stärkste politische Kraft in Hamburg bleibt und die Regierung bilden wird“, sagte er nach der ersten Hochrechnung und fügte hinzu: „Meine erste Priorität ist, mit Rot-Grün fortzufahren. Wir haben sehr große Zustimmung zu den Inhalten, aber auch zum Politikstil.“

Tränen der Erleichterung bei den Grünen

Tränen der Erleichterung zeigte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin, Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank, da sich die Umfragewerte der Grünen zuletzt verschlechtert hatten: „Ich war erleichtert, als ich den Balken heute gesehen habe. Ich bin total glücklich, dass es so ausgegangen ist“, sagte sie am Sonntagabend nach der Wahl. 

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dominik Lorenzen räumte ein, dass die Grünen mit dem Verlust an Wählerstimmen nicht zufrieden sein könnten: „Bei der letzten Wahl hat es viel Rückenwind, dieses Mal aber viel Gegenwind gegeben“, sagte er. „Es ist immer eine bittere Pille, viele Stimmen zu verlieren, wir haben aber in Hamburg wieder klar den Auftrag, zu gestalten.“

Klare Mehrheit für SPD und Grüne in der Bürgerschaft

Der Stimmenauszählung zufolge gehen von den 121 Sitzen in der Bürgerschaft 45 an die SPD, 25 an die Grünen, 26 an die CDU, 15 an die Linke und 10 an die AfD. Für die absolute Mehrheit werden 61 von insgesamt 121 Stimmen benötigt. Die vollständige Auszählung der Stimmen sollte laut Landeswahlleitung noch bis Montagabend laufen. Erst dann steht fest, welche Kandidaten als Abgeordnete in die Bürgerschaft einziehen.

Die SPD hat laut vorläufigen Zahlen von Infratest dimap rund 19.000 Stimmen von den Grünen dazugewonnen, jedoch 23.000 an die CDU verloren. Die CDU profitiert darüber hinaus von rund 20.000 bisherigen Nichtwählern, außerdem entschieden sich 7.000 Grünen-Wähler für die Union. Die Grünen mussten auch rund 10.000 Stimmen an die Linke abgeben. Die AfD profitierte von rund 10.000 Stimmen aus dem Lager der bisherigen Nichtwähler. 

Gegenwind durch die Politik der ehemaligen Ampelkoalition im Bund

Tschentscher erläuterte, die Ausgangslage sei knifflig gewesen nach der Bundestagswahl und den schlechten Ergebnissen für die SPD dort. Die Ampelkoalition habe die Stimmung für FDP, SPD und die Grünen stark verschlechtert. Die Regierungsarbeit der rot-grünen Koalition in Hamburg sei aber für viele Bürger zufriedenstellend gewesen, betonte er. „Wir müssen wirklich schätzen, dass wir solide und auf einer starken, belastbaren Basis weiterregieren können.“


„Das ist für uns ein klares Zeichen, und wir stehen als CDU in Hamburg bereit, eine starke Regierungskoalition mit der SPD zu bilden.“
CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering

Die Popularität Tschentschers, seit 2018 Bürgermeister der Hansestadt, dürfte zum Erfolg der SPD maßgeblich beigetragen haben. Die rot-grüne Koalition in Hamburg besteht schon seit 2015 und wurde früher von Olaf Scholz geführt, bis er nach Berlin wechselte.

CDU bietet sich auch als Koalitionspartner an

Die CDU geht gestärkt aus der Bürgerschaftswahl hervor und bietet sich ebenfalls als Koalitionspartner für die SPD an. Die Hamburger hätten „einen Richtungswechsel gewählt“, vor allem in der Sicherheits-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik, sagte CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering. „Das ist für uns ein klares Zeichen, und wir stehen als CDU in Hamburg bereit, eine starke Regierungskoalition mit der SPD zu bilden.“

Tschentscher will zuerst mit den Grünen und dann auch mit der CDU sondieren, um alle Optionen auszuloten. So müssten beispielsweise Themen in der Verkehrspolitik „neu justiert“ werden. Die Bürger erwarteten auch bei der inneren Sicherheit und der Migrationspolitik einen klaren Kurs. „Wir müssen für Ordnung und Sicherheit sorgen, wir müssen straffällige Flüchtlinge zurückführen und abschieben.“

AfD verbessert das Ergebnis nur leicht

Die Linkspartei punktete insbesondere bei jungen Wählern. „Wir werden mit einer größeren Fraktion in die Bürgerschaft einziehen. Das ist für uns ein grandioses Gefühl“, sagte die Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir. Sie ist bereits in den Bundestag gewählt worden, trat aber auch als Spitzenkandidatin in Hamburg an. Ob sie künftig ein Doppelmandat ausüben wird, ließ sie zunächst offen.

Die AfD konnte im Vergleich zur Bürgerschaftswahl 2020 zulegen, aber längst nicht so stark wie bei der Bundestagswahl. AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann äußerte sich dennoch zufrieden. Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass die AfD in Hamburg die gleichen Zustimmungswerte erhalte wie beispielsweise in manchen ostdeutschen Bundesländern. Dennoch werde sich die AfD für ihre Themen wie die Kriminalitätsbekämpfung stark machen.

Tschentscher äußerte sich erleichtert, dass die politischen Ränder bei der Wahl vergleichsweise wenig profitieren konnten: „Dass die AfD unter zehn Prozent bleibt, ist auch eine ganz wichtige Botschaft aus Hamburg nach Deutschland.“

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