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Bundesrat : Die Macht der Länder im Bund

Der Bundestag ist neu gewählt. Aber an den Kräfteverhältnissen in der Länderkammer kommt auch die nächste Bundesregierung nicht vorbei.

28.02.2025
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5 Min

Am 18. Oktober 2024 war die "Ampel" noch intakt: Gegen die Stimmen der Opposition paukten SPD, Grüne und FDP im Bundestag ihr “Sicherheitspaket" durch, eine Reaktion auf das vorherige Messerattentat in Solingen. Vorsorglich hatte die Koalition die Gesetzesverschärfungen auf zwei Vorlagen verteilt: Regelungen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, standen im Gesetzentwurf "zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung", den Rest enthielt der Entwurf "zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems".

Foto: picture alliance / Chris Emil Janßen

Der Zustimmung des Bundesrates bedarf ein Gesetz immer dann, wenn es die Finanzen der Länder betrifft oder deren Organisations- und Verwaltungshoheit

Letzterer passierte im Anschluss auch den Bundesrat, in dem ein Antrag Bayerns auf Anrufung des Vermittlungsausschusses zu der Vorlage keine Mehrheit fand. Den Gesetzesbeschluss zur verbesserten Terrorismusbekämpfung dagegen stoppte die Länderkammer nur wenige Stunden nach dem Bundestagsvotum; CDU und CSU konnten über ihre Beteiligung an verschiedenen Landesregierungen die erforderliche Zustimmung des Bundesrates blockieren.

Jedes Bundesgesetz muss auch den Bundesrat passieren

Ein Beispiel von vielen, die deutlich machen, warum auch die nächste Bundesregierung die Kräfteverhältnisse in der Länderkammer stets im Blick haben wird. Laut Grundgesetz-Artikel 50 nämlich wirkt der Bundesrat bei der Gesetzgebung des Bundes mit, weshalb jedes vom Bundestag beschlossene Gesetz auch durch die Länderkammer muss. Manche Gesetze bedürfen deren expliziten Zustimmung; bei den anderen kann sie lediglich Einspruch einlegen, der von der Bundestagsmehrheit indes zurückgewiesen werden kann.

Deshalb wird zwischen "Zustimmungsgesetzen" und "Einspruchsgesetzen" unterschieden. Zustimmungsgesetze sind neben Grundgesetzänderungen, die sogar der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit des Bundesrates (und Bundestages) bedürfen, solche Gesetze, die sich auf die Länderfinanzen auswirken oder für deren Umsetzung in die Organisations- und Verwaltungshoheit der Länder eingegriffen wird. In den Jahren nach der Föderalismusreform von 2006 bis zum Beginn der zurückliegenden Legislaturperiode 2021 traf dies auf immerhin rund 38 Prozent der Bundesgesetze zu.

Mindestens 35 Länder-Stimmen braucht es für einen Beschluss

Im Bundesrat, wo die einzelnen Länder je nach Bevölkerungsgröße über drei bis sechs Stimmen verfügen, ist für jeden Beschluss mindestens die absolute Mehrheit von 35 der insgesamt 69 Länder-Stimmen erforderlich, ganz egal, ob es darum geht, einem Gesetzesbeschluss des Bundestages zuzustimmen, den Vermittlungsausschuss anzurufen oder Einspruch einzulegen. Bedeutsam ist dabei, dass sich bei Abstimmungen Länder mit Regierungskoalitionen, in denen ein Gesetzesvorhaben umstritten ist, in der Regel enthalten und damit faktisch mit Nein stimmen.

Dass Enthaltungen im Bundesrat de facto auf ein Nein hinauslaufen, erschwert es den Gegnern einer Gesetzesvorlage, dazu den Vermittlungsausschuss anzurufen oder Einspruch einzulegen; andererseits können so bei Zustimmungsgesetzen auch kleine Koalitionspartner einer Landesregierung eine Mehrheit im Bundesrat für eine Vorlage verhindern und sie damit zu Fall bringen: Findet sich in der Länderkammer keine 35-Stimmen-Mehrheit für die Zustimmung, ist das Vorhaben gescheitert.

Bei Zustimmungsgesetzen erreichen Union und SPD die absolute Mehrheit nicht

Das muss natürlich auch die sich im neuen Bundestag abzeichnende Koalition von CDU/CSU und SPD im Blick haben. Zwar gibt es keine Landesregierung ohne Beteiligung mindestens einer dieser Parteien, wobei die SPD derzeit auf insgesamt 47 Bundesratsstimmen aus zwölf Ländern Einfluss nehmen kann und die Union auf zusammen 43 Stimmen aus neun Ländern. Etwaige Einspruch-Versuche gegen schwarz-rote Bundesgesetze könnten die beiden Partner in spe damit locker abblocken; gegen sie ist die 35-Stimmen-Hürde nicht zu nehmen. 

Bei Zustimmungsgesetzen sieht die Lage jedoch anders aus, denn alleine beziehungsweise nur zu zweit erreichen Union und Sozialdemokraten die absolute Mehrheit im Bundesrat nicht. Mit der gemeinsamen Minderheitsregierung in Sachsen, den schwarz-roten Bündnissen in Berlin und Hessen sowie der SPD-Alleinregierung im Saarland verfügen sie zusammen über insgesamt lediglich 16 Stimmen, bei denen keine weiteren Koalitionspartner mitreden können. Ohne das Placet weiterer Länder kann damit kein Zustimmungsgesetz den Bundesrat passieren.

Auch schwarz-rote Gesetze ließen die Länder durchfallen

Das haben auch die schwarz-roten Bundesregierungen früherer Wahlperioden zu spüren bekommen. 2016 etwa beschloss der Bundestag gegen die Stimmen der Linken und Grünen, Algerien, Marokko und Tunesien als asylrechtlich sichere Herkunftsländer einzustufen. Im Bundesrat wurde die Beratung darüber erst vertagt, 2017 dann die Zustimmung verweigert. 2019 setzten Union und SPD im Bundestag ein ähnliches Gesetz durch, wieder strich der Bundesrat die Abstimmung darüber von seiner Tagesordnung. Die drei Maghreb-Länder sind bis heute nicht als sichere Herkunftsstaaten eingestuft.

Nicht besser erging es CDU/CSU und SPD mit neuen Befugnissen für die Bundespolizei, die sie 2021 im Bundestag gegen den Widerstand der Opposition durchsetzten. Im Bundesrat, in dem (wie heute) auch Landesregierungen mit Beteiligung von Grünen, Linken oder FDP saßen, gab es prompt keine Mehrheit für die erforderliche Zustimmung zu dem Gesetz; es landete in der Tonne. 

Dergleichen kann auch in der neuen Legislaturperiode passieren. So können die Grünen im Bundesrat auf derzeit 32 Stimmen aus sieben Ländern Einfluss nehmen - sprich: ihre Enthaltung erzwingen - , was ausreichen würde, um beispielsweise mit den insgesamt sechs Stimmen der Landesregierungen in Bremen und Schwerin mit ihren Linken-Beteiligungen auch Zustimmungsgesetze wie etwa zur Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer zu Fall bringen.

Hamburg entscheidet am Sonntag auch über drei Bundesratsstimmen

Auch andere Konstellationen sind denkbar: BSW und FDP können mit ihrem Regierungsbeteiligungen in Brandenburg und Thüringen beziehungsweise in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt jeweils insgesamt acht Bundesrats-Stimmen mit dirigieren, während die sechs Stimmen von Bayern auch im Einflussbereich der Freien Wähler liegen.

Diesen Weg geht ein Gesetz

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Zu einer reinen "Blockadepolitik", wie sie in früheren Jahrzehnten bisweilen beklagt wurde, führen solche Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat aber nicht unbedingt. In der nun zurückliegenden 20. Wahlperiode des Bundestages versagte der Bundesrat sieben Gesetzesvorhaben zunächst die Zustimmung, billigte aber in fünf Fällen das Ergebnis des anschließenden Vermittlungsverfahrens, so dass letztlich nur zwei tatsächlich scheiterten; in der vorherigen 19. Legislaturperiode traf dies nur das erwähnte Gesetz zur Bundespolizei.

Zudem werden die Karten im Bundesrat mit jeder Landtagswahl mehr oder minder neu gemischt. Die voraussichtlich einzige in diesem Jahr steht bereits an diesem Sonntag mit der Bürgerschaftswahl im derzeit rot-grün regierten Hamburg mit seinen drei Bundesratsstimmen an. In je fünf weiteren Ländern muss dann spätestens 2026 und 2027 ein neues Landesparlament gewählt werden - mit entsprechenden Auswirkungen auf den Bundesrat. 

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