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Foto: picture alliance/dpa
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD, links im Bild), seine Stellvertreterin Katharina Fegebank (Grüne) und CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering werben Anfang Februar bei einem "Triell" für ihre Politik.

Bürgerschaftswahl in Hamburg : Rückenwind für Rot-Grün in Hamburg

Umfragen deuten auf eine Neuauflage der rot-grünen Koalition in Hamburg nach der Bürgerschaftswahl am 2. März hin. Aber auch die Zustimmung zur CDU ist wieder höher.

17.02.2025
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6 Min

Nur eine Woche nach der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar wird auch in Hamburg ein neues Parlament gewählt. Am 2. März können die Wahlberechtigten in Hamburg nach fünf Jahren wieder über die Zusammensetzung der Bürgerschaft abstimmen. Ob und wie das Ergebnis der Bundestagwahl womöglich die Entscheidung der Wähler in Hamburg beeinflusst, ist nach Einschätzung von Wahlforschern nicht sicher.


„Für mich ist total klar, dass ich gern in der Konstellation, in der wir jetzt sind, in veränderter Reihenfolge weitermachen würde.“
Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank

Umfragen deuten auf eine mögliche Neuauflage der rot-grünen Koalition in Hamburg nach der Bürgerschaftswahl hin. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist populär und genießt großes Vertrauen bei vielen Wählerinnen und Wählern. Aber auch die Zustimmung zur CDU ist nach ihrem Wahldebakel vor fünf Jahren wieder deutlich höher. Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank sagte unlängst: “Für mich ist total klar, dass ich gern in der Konstellation, in der wir jetzt sind, in veränderter Reihenfolge weitermachen würde.”

SPD und Grüne in Umfrage vorne

Im NDR HamburgTrend von Anfang Februar  kommt die SPD auf 31 Prozent, die Grünen auf 20 Prozent. Beide Parteien blieben damit zwar hinter ihrem Abschneiden bei der Bürgerschaftswahl 2020 zurück, hätten jedoch weiter eine rechnerische Mehrheit im Parlament. Die Hamburger CDU könnte sich mit derzeit 18 Prozent im Vergleich zu ihrem Rekordtief vor fünf Jahren deutlich verbessern, bliebe aber hinter den Grünen auf Platz drei. 

Die Bürgerschaftswahl am 2. März auf einen Blick

🪑 Die Hamburger Bürgerschaft umfasst 121 Sitze. 71 Mandate werden über offene Wahlkreislisten und 50 Mandate über offene Landeslisten vergeben.

🖊️ Die Wähler können auf zwei Wahlzetteln bis zu zehn Stimmen an Kandidaten und Parteien vergeben: fünf für den Wahlkreis und fünf für die Landesliste.

📝 Die fünf Wahlkreisstimmen können auf einen oder mehrere Kandidaten verteilt werden. Die Stimmen auf den Landeslisten entscheiden über die Anzahl der Sitze der Parteien und Wählervereinigungen in der Bürgerschaft. Die Stimmen können einer Partei oder Wählervereinigung oder einer kandidierenden Person gegeben werden. Sie können auf mehrere Parteien und Kandidaten verteilt werden.

📊 Für die Sitzverteilung in der Bürgerschaft werden nur Parteien und Wählergruppen berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der Landesstimmen bekommen haben. 

📅 Die Bürgerschaft wird für fünf Jahre gewählt, wahlberechtigt sind alle Einwohner ab 16 Jahren.



Die AfD liegt bei neun Prozent. Die Linke kann im Vergleich zur Januar-Umfrage um drei Prozentpunkte auf acht Prozent zulegen. Die Zustimmung zur FDP und zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) liegt bei jeweils drei Prozent. Damit würden beide Parteien den Einzug in die Bürgerschaft verpassen. In Hamburg müssen Parteien mindestens fünf Prozent der Stimmen erreichen, um in das Parlament gewählt zu werden.

Bei der Bürgerschaftswahl 2020 war die SPD mit 39,2 Prozent stärkste Kraft geworden. Die Grünen kamen auf 24,2 Prozent. Dahinter folgten CDU (11,2), Linke (9,1) und AfD (5,3). Die FDP verfehlte damals mit 4,9 Prozent knapp den Wiedereinzug in das Parlament. 

Verkehr, Wohnen und Wirtschaft sind zentrale Themen in Hamburg

Baustellen, Staus und Verspätungen von Bus und Bahn sind für viele Hamburger ein Ärgernis. Die Verkehrspolitik ist demzufolge für 35 Prozent der Wählerinnen und Wähler ein wichtiges Wahlkampfthema. Hohe Mieten und fehlende Wohnungen im Stadtgebiet nennen 30 Prozent der Befragten als weiteres Thema. Knapp jeder Vierte findet die Situation der Hamburger Wirtschaft problematisch. Jeder Fünfte sieht Herausforderungen bei der Zuwanderung, jeder Siebte bei der Schul- und Bildungspolitik. 

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Das Thema Innere Sicherheit ist für gut jeden zehnten Wahlberechtigten wichtig. Veränderungen zeigen sich besonders beim Thema Wirtschaft: Bewerteten vor fünf Jahren noch 86 Prozent der Befragten die Wirtschaftslage als sehr gut oder gut, sind es aktuell nur noch 52 Prozent, 45 Prozent äußern sich pessimistisch. 

Eine wichtige Rolle spielt in Wirtschaftsfragen die Zukunft des Hamburger Hafens. Der Einstieg der weltgrößten Reederei MSC beim Hafenlogistiker HHLA 2024 steht in der Kritik. Verbreitet ist die Angst vor einem Arbeitsplatzabbau und einem möglichen Kontrollverlust bei der kritischen Infrastruktur.

Parteien wollen Infrastruktur stärken und für mehr Sicherheit sorgen

Die SPD macht sich für den Wohnungsbau stark: 10.000 neuen Wohnungen sollen jährlich gebaut, die Mietpreisbremse verlängert werden. Der Öffentliche Nahverkehr soll ausgebaut werden. Die Partei setzt zudem auf eine gesteuerte Zuwanderung und will mehr Straftäter abschieben. Zugleich soll die gezielte Zuwanderung von Arbeitskräften ausgebaut werden. Der Hafen soll durch neue Technologien nahezu klimaneutral werden. 

Die Grünen wollen die Energiewende beschleunigen und den öffentlichen Nahverkehr, den Rad- und Fußverkehr ausbauen, damit bis 2040 rund 80 Prozent der Wege nachhaltig zurückgelegt werden können. Busse sollen bis 2030 emissionsfrei fahren, ebenso 40 Prozent der Autos und 25 Prozent der Lastwagen.

Für die CDU sind Investitionen in den Hafen und die Infrastruktur wichtig. Die Partei will Hamburg außerdem zur sichersten Großstadt Deutschlands machen mit mehr Polizeipräsenz, verstärkten Ermittlungen und erweiterten Befugnissen für Polizei und Justiz. Die Partei fordert eine Begrenzung der Zuwanderung und eine Beschleunigung von Abschiebungen.

Bürgermeister Tschentscher kommt auf gute persönliche Werte

Die Regierungsarbeit des amtierenden rot-grünen Senats wird von gut der Hälfte der Wahlberechtigten (53 Prozent) wohlwollend betrachtet, 40 Prozent äußerten sich unzufrieden. Dem Ersten Bürgermeister Tschentscher stellen 58 Prozent der Befragten ein gutes Zeugnis aus. Deutlich dahinter zurück bleibt die Zweite Bürgermeisterin Fegebank (Grüne) mit einem Zuspruch von 35 Prozent. 

Die Popularität Tschentschers findet ihren Niederschlag auch in einer Präferenz der Befragten, falls eine Direktwahl des Bürgermeisters möglich wäre. Bei der Entscheidung zwischen ihm und den Spitzenkandidaten von Grünen und CDU ziehen 43 Prozent der Wahlberechtigten den SPD-Politiker vor, während sich nur 16 Prozent für Fegebank und 11 Prozent für den CDU-Kandidaten Dennis Thering entscheiden würden.

Linke profitiert vom positiven Trend im Bund

Die Linke profitiert nach Ansicht des Wahlforschers Roberto Heinrich von Infratest dimap vom positiven Trend der zurückliegenden Wochen für die Partei im Bund. „Die allgemein restriktivere Positionierung der Bundes-Parteien, einschließlich der Mitte-Links-Parteien SPD und Grüne, in der Zuwanderungspolitik eröffnet der Linken mit ihrer unverändert liberalen Positionierung in Zuwanderungsfragen möglicherweise Profilierungsmöglichkeiten.“ 


„Gibt es ein deutliches Popularitätsgefälle zwischen den Spitzenkandidaten beziehungsweise sticht eine Person klar heraus, mindert dies den Einfluss der Bundespolitik.“
Wahlforscher Roberto Heinrich (Infratest dimap)

Durch die starke Fokussierung der anderen Parteien auf Zuwanderungsthemen im Bundestagswahlkampf würden zugleich sozialpolitische, aber auch Umweltthemen vernachlässigt, mein Heinrich: „Das ist ein möglicher Vorteil für die Linke mit ihrem Programmangebot gegenüber jenen potenziellen SPD- und Grünen-Wählern, die hier von ihren eigenen Parteien mehr thematische Sichtbarkeit erwarten.“ 

Dabei hatte es noch vor wenigen Monaten nicht so gut ausgesehen für die Hamburger Linken: Die einzige Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic und der Bürgerschaftsabgeordnete Metin Kaya wechselten zum BSW. Zwei weitere Bürgerschaftsabgeordnete der Linken nahmen die BSW-Gründung zumindest zum Anlass, bei den Linken auszutreten und sind wie Maya seitdem fraktionslose Abgeordnete in der Bürgerschaft.

Wenig Chancen für FDP, Volt und BSW

Bei der FDP zeichnet sich keine Trendwende ab. Bei der Wahl 2020 konnte die Partei mit Anna von Treuenfels-Frowein lediglich eine Abgeordnete in die Bürgerschaft entsenden. Sie wechselte im Juli 2024 zur CDU und kandidiert nun auf Listenplatz 2 der Union. Zurzeit vertritt der Abgeordnete Sami Musa die FDP fraktionslos in der Hamburger Bürgerschaft. Er war 2022 von der SPD zu den Freidemokraten gewechselt und kandidiert auf Listenplatz 3 seiner Partei für die Bürgerschaftswahl.

Die Europapartei Volt konnte bei den Kommunalwahlen in Hamburg 2024 in fünf Bezirksparlamente der Hansestadt in Fraktionsstärke einziehen. Dabei profitierte die Partei von der terminlichen Kopplung mit der Europawahl, bei der sie 5,9 Prozent in Hamburg erzielte. Bei der Bürgerschaftswahl 2025 setzt sich Volt unter anderem für eine City-Maut, bezahlbaren Wohnraum und Hamburgs Klimaneutralität bis 2040 ein. In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vom 14. Februar 2025 liegt Volt bei drei Prozent. Insgesamt sind 16 Parteien und Wählervereinigungen zur Wahl zugelassen.

Bundespolitik vermutlich nicht wahlentscheidend

Hohe Wellen schlug die Gründung des BSW-Landesverbandes Hamburg, der als letzter Landesverband der Partei erst am 21. Dezember 2024 ins Leben gerufen wurde. Im Vorfeld hatte sich nach Kritik an der Parteiführung bereits ein Landesverband unter dem Namen „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit“ gegründet, der jedoch von der Parteispitze nicht anerkannt wurde. Die beiden konkurrierenden Landesverbände reichten schließlich bei der Landeswahlleitung drei Vorschläge für die Bundestagswahl ein. Zugelassen wurde nur der Wahlvorschlag des vom BSW-Bundesvorstand anerkannten Landesverbandes. 

Nach Ansicht des Wahlforschers Heinrich kann die terminliche Nähe der Bundestagswahl zur Bürgerschaftswahl den Einfluss der Bundespolitik auf den Wahlausgang im Land grundsätzlich erhöhen. Wie stark der Einfluss tatsächlich ausfalle, hänge aber auch mit der Auswahl der Kandidaten auf Landesebene zusammen. „Gibt es ein deutliches Popularitätsgefälle zwischen den Spitzenkandidaten beziehungsweise sticht eine Person klar heraus, mindert dies den Einfluss der Bundespolitik. Die Popularität des SPD-Bürgermeisters, aber auch seiner Grünen-Stellvertreterin könnten solche Fixpunkte liefern.“   

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